EZB-Leitzinserhöhung: Für Sparer und Hausbesitzer gibt es Änderungen
Die EZB leitet mit der Erhöhung des Leitzinses die Zinswende im Euroraum ein. Doch welche Konsequenzen im Alltag erwarten Hausbesitzer und Sparer?
Hamm – Die Inflation – sie ist derzeit vielleicht nicht Gesprächsthema Nummer eins, aber doch eines, das die Menschen umtreibt und ihnen die Sorgenfalten aufs Gesicht treibt. In Deutschland lag sie im Mai bei über 7 Prozent – ein Rekordwert. Aus diesem Grund hat die Europäische Zentralbank (EZB) mit Sitz in Frankfurt am Main in der vergangenen Woche auf die Bremse getreten und ihre Zinswende eingeleitet – ein Schritt, von dem viele Fachleute aus Wirtschaft und Politik sagen, dass er schon viel früher hätte kommen müssen.
EU-Organ | Europäische Zentralbank (EZB) |
Präsidentin | Christine Lagarde |
Hauptsitz | Frankfurt am Main |
Wie sich die EZB-Leitzinserhöhung auswirkt - Konsequenzen für Verbraucher
Eine der wichtigsten Informationen aus dieser Ankündigung ist: Der Leitzins wird ab Juli 2022 erhöht – von derzeit null auf 0,25 Prozent ab Juli 2022. Was bedeutet dieser Schritt nun genau für Verbraucherinnen und Verbraucher? Was passiert mit ihrem Ersparten? Lohnt sich womöglich der Griff zum guten alten Sparbuch wieder, jetzt, wo es bald wieder ein paar Zinsen auf jeden zurückgelegten Euro gibt? Und was bedeutet diese Entscheidung für diejenigen, die vom eigenen Häuschen träumen? Welchen Einfluss hat der neue Zinssatz auf Baukredite? Wir geben hier einen Überblick über die drängendsten Themen.
Doch zunächst einmal sei die Frage gestattet: Wie wirkt sich der Leitzins überhaupt auf die Preismechanismen und den Geldmarkt aus? Kurz gesagt: Mit dem Instrument des Leitzinses steuert die EZB indirekt das allgemeine Zinsniveau und damit die Geldmenge im Geldkreislauf. Bei einem niedrigen Leitzins können sich Banken günstig Geld bei der EZB leihen und so auch selbst günstige Kredite an Unternehmen und Privatpersonen vergeben.
Dadurch kommt mehr Geld in den Kreislauf: Unternehmen tätigen Investitionen, eröffnen neue Standorte, stellen mehr Mitarbeiter ein. Die Wirtschaft „brummt“. Zudem kommen die Menschen über ihre Hausbanken günstig an Kredite, sie werden konsumfreudiger. Die Investitionen und der steigende Konsum feuern die Wirtschaft an, es kommt zu Wachstum. Diese Strategie hatte die EZB in den letzten Jahren mit ihrem Niedrigzins verfolgt und zuletzt wegen der hohen wirtschaftlichen Einbußen durch die Corona-Pandemie auch über einen langen Zeitraum beibehalten.
Wenn die Inflation aus dem Ruder gerät und die Preissteigerungen Rekordhöhen erreichen, greift die EZB mit dem Leitzins ein.
In Zeiten von steigender Inflation – oder sogar einer Rekordinflation von 8,1 Prozent wie gerade in der Eurozone – bleibt der EZB aber nichts anderes übrig, als bildlich gesprochen „auf die Bremse zu drücken“ und den erheblichen Preissteigerungen entgegenzuwirken. Ihre Kernaufgabe ist es nämlich, für Preisstabilität im Euroraum zu sorgen, damit der Euro gegenüber anderen Währungen nicht zu stark an Wert verliert. Das Ziel, dass die EZB mit all dem verfolgt: Den Wert des Euro zu sichern und das Wirtschaftswachstum in der Eurozone zu gewährleisten, damit Wohlstand und Arbeitsplätze gewährleistet sind.
Wenn die EZB den Leitzins also in Zeiten von steigender Inflation erhöht, dann wird es für Banken teurer, sich Geld von ihr zu leihen. Das gibt sie dann an ihre Kunden und Kundinnen weiter, indem sie ebenfalls Kredite zu höheren Zinsen an Unternehmen und Privatpersonen vergibt. Investitionen und Konsum nehmen in der Folge ab, die Geldmenge im Kreislauf nimmt ab, berichtet kreiszeitung.de.
Die Nachfrage sinkt ebenfalls, was sich positiv auf die Preisentwicklung auswirkt. Der einzelne Euro gewinnt wieder an Wert und die Inflation wird ausgebremst. Die große Herausforderung der EZB ist es also, immer das Gleichgewicht zwischen Preisstabilität auf der einen und Wachstumsanreiz durch eine von ihr gezügelte Inflationsrate auf der anderen Seite zu finden. Diese Aufgabe ist vor allem innerhalb der Eurozone keine leichte, da sich die Wirtschaftskraft der einzelnen Mitgliedsstaaten teils stark unterscheidet.
Es ist aber auch nicht so, dass Inflation grundsätzlich als etwas Schlechtes anzusehen ist. Im Gegenteil: Laut EZB liegt eine „gesunde“ Inflationsrate bei einem Wert von rund 2 Prozent. Dieser Wert ist für sie ideal, weil sie davon ausgeht, dass ein verhältnismäßig leichter Preisverfall dafür sorgt, dass die Wirtschaft weiter wächst. Nur wenn dieser Wert aus dem Ruder gerät, also entweder ins Minus rutscht oder, wie zurzeit der Fall, die Teuerungsrate stark ansteigt und das Geld damit drastisch an Wert verliert, greift sie mit den ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten aktiv ein, wie jetzt mit dem Leitzins.
Was bedeutet die Erhöhung des Leitzinses für Verbraucher konkret? Welche Auswirkungen hat er auf Kredite oder Ersparnisse?
So weit die ökonomische Theorie, so gut. Doch was heißt das jetzt genau für diejenigen unter uns, die sich fragen, was dieses von der EZB gesteuerte Auf und Ab des Leitzinses mit dem eigenen Geld auf dem Konto zu tun hat? Was sind die Folgen für mich und mein Erspartes? Und was ist mit dem Kredit für das Häuschen, von dem ich schon so lange träume? Wird der jetzt unerschwinglich? Ein Überblick über die wichtigsten Folgen, die wir im Alltag zu spüren bekommen könnten:
- Sparerinnen und Sparer: Wenn sich der Leitzins erhöht, gibt es auch mehr Zinsen auf Gespartes – so lautet zumindest die Regel. Was im ersten Moment gut klingt, ist auf den zweiten Blick betrachtet gar nicht mehr so attraktiv. Denn: Es ist zwar richtig, dass es nun endlich wieder Zinserträge für Geld auf dem Sparbuch oder dem Tages- oder Festnetzgeldkonto gibt, doch stehen den 0,25 Prozent Mehr an Zinsen, was der aktuellen Anhebung des Leitzinses entspricht, derzeit über 7 Prozent Inflationsrate gegenüber. Was in der Summe den sogenannten Realzins in ein dickes Minus rutschen lässt. Heißt: Statt durch die Zinsen zu wachsen, wird mein Geld sogar weniger, weil es insgesamt durch die hohe Inflation an Wert verliert. Große Geldsummen auf dem Konto zu lagern in der Hoffnung, durch die von der Bank versprochenen Zinsen etwas Rendite zu erhalten, lohnt sich folglich nicht. Zudem auch fraglich ist, wann die Banken die Leitzinserhöhung in Form eines angepassten höheren Nominalzinses für Tagesgeld- oder Festgeldkonten überhaupt an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben, wie Finanztipp berichtet. Da auf lange Sicht aber dennoch mit steigenden Zinsen zu rechnen ist, sind Sparfreudige gut beraten, wenn sie einen Bogen um Verträge mit langen Zinsbindungen machen.
Eine echte gute Nachricht für Kontoinhaber ist aber, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit schon bald keine Verwahrentgelte mehr bezahlen müssen, wenn sie größere Geldsummen auf ihrem Konto „geparkt“ haben, wie es einige Institute gehandhabt haben. Der sogenannte Negativzins dürfte laut dpa bei den meisten Geldhäusern bald wegfallen. - Dispokredite: Für Menschen, die mit ihrem Konto im Minus sind, also Schulden angehäuft haben, sind die Aussichten leider auch nicht so gut. Denn auch der Dispozins wird im Zuge des erhöhten Leitzinses steigen. Verbraucher müssen für das geliehene Geld also tiefer in die Tasche greifen. Dieser Gruppe sei als – zugegeben etwas zwiespältiger – Trost gesagt, dass durch die Inflation zumindest der relative Wert ihrer Schulden sinkt, da auch hier der Wert jedes Euros im Verhältnis sinkt. Sie sind also eine der wenigen Gruppen, die von der derzeit hohen Inflation profitieren, befindet auch der Tagesspiegel.
- Geldanlagen: In der hinter uns liegenden Zeit ohne Zinsen sind laut FAZ viele Anleger dazu übergegangen, ihr Renditeglück verstärkt auf dem Aktienmarkt zu suchen, statt durch langwieriges Sparen. Aufgrund der fehlenden Zinsen hat es sich schlicht nicht gelohnt, Geld auf dem Sparbuch oder dem Tagesgeldkonto zu lagern. Aktien boten sich da als lukrativere Spekulationsobjekte an, da sie zwar insgesamt ein höheres Risiko für Verluste bergen als ein traditionelles Sparkonto, jedoch wenigstens überhaupt eine Rendite möglich war – vor allem, wenn man die Aktienarten breit streut oder in Aktienfonds, sogenannte ETFs, investiert, wie Finanztipp empfiehlt. Die Aktienmärkte sind allerdings derzeit von der Sorge getrieben, dass es durch die Zinswende zu einer Rezession, also einem negativen Wirtschaftswachstum, kommen könnte, was die Kurse insgesamt hat fallen lassen.
Das traditionelle Bausparen dürfte dank steigender Zinsen hingegen bald wieder an Attraktivität gewinnen. Die Branche rechnet mit steigender Nachfrage und stelle laut FAZ eine gute Möglichkeit zur Zinsabsicherung dar. Zumal man bei den langen Laufzeiten solcher Verträge durchaus optimistisch sein darf, dass sich das Inflationsgeschehen bis zur Auszahlung wieder normalisiert hat. - Hausbau oder Immobilienerwerb: Der Kauf oder Bau eines Eigenheims ist zuletzt durch die Corona-Pandemie überaus beliebt geworden, was die Preise auf dem Immobilienmarkt stark in die Höhe gehen ließ. Durch die unterbrochenen Lieferketten kamen außerdem noch hohe Preissteigerungen bei Baustoffen hinzu, was den Traum vom kleinen Häuschen im Grünen zu einem sehr teuren werden ließ. Erschwerend kommt nun noch hinzu, dass sich der erhöhte Leitzins auch auf die Preise für Baukredite auswirken wird. Kurz gesagt: Kredite werden teurer, da sich die Zinsen auf geliehenes Geld langfristig erhöhen werden – und das können sich viele Menschen schlicht nicht mehr leisten. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Banken oft wesentlich schneller dabei sind, einen erhöhten Leitzins auf Kredite weiterzugeben, als sie es bei der Gutschreibung von Zinsen auf Erspartes sind. Verbraucher werden also schneller zur Kasse gebeten, wenn sie sich Geld bei einer Bank leihen, als sie umgekehrt Zinsen auf ihr Erspartes ausgezahlt bekommen. Schon seit Jahresbeginn haben sich die Bauzinsen von unter einem auf über drei Prozent erhöht, wie der Tagesspiegel berichtet, was die Zahl der Wohnungskäufe bereits drastisch einbrechen ließ.
- Mieten: Da es für Mietpreiserhöhungen gesetzliche Vorgaben und Obergrenzen gibt, müssen sich Mieterinnen und Mieter, die bereits in einer Mietwohnung wohnen und einen gültigen Mietvertrag in den Händen halten, keine Sorgen machen, dass sie wegen der steigenden Inflation bald auch mehr Miete bezahlen müssen. Auch wenn Vonovia-Chef Rolf Buch zuletzt mit seiner Aussage gegenüber dem Handelsblatt, dass die hohen Preissteigerungen an die Mieterinnen und Mieter weitergegeben werden müssen, für einiges an Empörung sorgte. Indirekt könnten die Mieten aber dennoch steigen, da sich die Teuerungsrate in einem nächsten Schritt auch auf das allgemeine Lohnniveau auswirken könnte. Steigen die Löhne, um mit der Inflation mitzuhalten, steigt letztlich möglicherweise auch der Betrag, den verzweifelte Menschen bereit sind zu zahlen, wenn sie dringend eine Wohnung benötigen. Der Leitzins hat auf das Mietniveau also eher wenig direkten Einfluss. Indirekt kann die Zinswende aber auch für Beruhigung auf dem Mietmarkt sorgen, da die Spekulationen mit Immobilien vor allem in den Metropolen durch die steigenden Kreditpreise deutlich an Attraktivität verloren hat, wie der Tagesspiegel berichtet. Zuletzt waren die Preise für Wohnobjekte in Großstädten förmlich durch die Decke geschossen. Mit ein paar Tricks kann man aber dennoch an die Traumwohnung kommen.
- Im Supermarkt und auf der Nebenkostenabrechnung: Die Verbraucherzentrale Bremen geht nicht davon aus, dass die Preise für Verbraucher in absehbarer Zeit sinken werden. Der Einkauf im Supermarkt wird also, trotz so mancher Initiative einiger Märkte und Discounter, die Preise für manche Produkte einzufrieren, auch weiterhin teuer bleiben. Zudem könne man damit rechnen, dass es aufgrund der hohen Energiepreise zu saftigen Nachzahlungen für Strom und Wasser kommen dürfte. Die Organisation gab gegenüber dem Tagesspiegel den Rat an die Verbraucherinnen und Verbraucher aus, weiterhin den Gürtel enger zu schnallen, wenn man es bisher auch schon musste, da erst einmal keine Entspannung bei den Preisen für die meisten zum Leben notwendigen Dinge zu erwarten sei. Zudem sind die hohen Preise für Energieträger derzeit der Hauptverursacher der starken Inflation, und daran kann auch die EZB mit ihrem derzeitigen Kurs wenig ändern. Das Ziel, das die EZB mit ihrer Entscheidung verfolgt, ist ein anderes: Den Euro gegenüber dem Dollar stabil zu halten. Ein guter Wechselkurs könnte sich längerfristig günstig auf Einkäufe für Energie auswirken, weil hier oft in Dollar abgerechnet wird, wie Finanztipp berichtet.
Fazit: Solange sich an den hohen Preisen für Energieträger nichts ändert, wird uns auch die hohe Inflation erhalten bleiben – trotz der EZB-Leitzinserhöhung
Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist und bleibt es also in den meisten Bereichen vorerst schwierig, da sich an der Grundproblematik, den hohen Preisen für Energie und den knappen Rohstoffen durch unterbrochene Lieferketten aufgrund des Ukraine-Kriegs und der Corona-Pandemie, nichts geändert hat. Darauf hat auch die EZB mit ihrem neuen Kurs in der Zinspolitik keinen Einfluss. Sie rechnet selbst für dieses und nächstes Jahr noch mit einer Inflationsrate, die über den von ihr angestrebten zwei Prozent liegt. Doch die Erhöhung des Leitzinses stellt laut Experten eindeutig einen Schritt in die richtige Richtung dar. Ob er rechtzeitig gekommen ist und ausreichend war, wird derzeit unter Fachleuten noch heiß diskutiert. Eines steht fest: Es wird sich in diesen auf vielen Ebenen unsicheren Zeiten zeigen, was die Entscheidung bewirkt hat. Die Europäische Zentralbank hat bereits angekündigt, dass sie plane, ab September weitere zinspolitische Anpassungen vorzunehmen.