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Nutria als nächstes Superfood? „Wie eine Mischung aus Putenkeule und Wildschwein“

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Von: Leon Malte Cilsik

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Nutria-Fleisch könnte zum neuen Superfood werden. Zumindest spricht vieles dafür, wie ein Küchenmeister erklärt. Es gibt sogar extra Koch-Kurse.

Hamm – Cholesterinarm, eiweißreich und „absolut bekömmlich“: Johannes Siemens zufolge ist Nutriafleisch ein wahres „Superfood“. Nicht ohne Grund hat er sich der Verarbeitung des in Deutschland eingewanderten Nagetiers verschrieben.

Der Küchenmeister im Strümper Hof bietet im zwischen Düsseldorf, Krefeld und Duisburg gelegenen Meerbusch regelmäßig Nutria-Kochkurse an. Dafür erntet er viel Zuspruch seiner Koch-Kollegen in Nordrhein-Westfalen, wie er sagt.

Darunter befinden sich durchaus prominente Namen: Auf Anfrage von wa.de zeigte sich auch Frederic Morel offen für diese Idee. Der Sternekoch leitet das Cœur D‘Artichaut in Münster.

Das nächste Superfood? Restaurant bietet Nutria-Kochkurse an – im Sinne der Nachhaltigkeit

Johannes Siemens stammt aus einer großen Jägerfamilie und hat selbst eigene Reviere in Krefeld und im Hunsrück. Dort jagt er auch Nutria. Denn aufgrund von Schäden an Wasserpflanzen, Deichen und Uferböschungen wurden die ursprünglich im subtropischen Südamerika beheimateten Nagetiere auch in NRW ins Jagdrecht aufgenommen.

In Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland kommen die Tiere fast flächendeckend vor. Besonders stark betroffen ist etwa der (Nieder-)Rhein, aber auch rund um Städte wie Essen (Ruhr) oder Hamm (Lippe) sind die Tiere weit verbreitet. Denn am wohlsten fühlen sich Nutria in langsam fließenden oder stehenden Gewässern.

„Dort vermehren sie sich schnell und können zum Problem für Mensch und Natur werden“, bestätigt Siemens. „Es hat mich aber immer gestört, dass wir Jäger die Tiere zwar erlegt, danach jedoch nur die Schwänze für die Prämie vom Deichverband oder der jeweiligen Kommune abgeschnitten haben, ohne das restliche Tier zu verwerten.“

Körpergewicht4-8 kg
Kopf-Rumpf-Länge430-630 mm
Kennzeichenbeschuppter Schwanz, Schwimmhäute, orange Nagezähne

Nutria-Fleisch auf dem Teller: Auch in Deutschland nichts Neues

Zumal der Verzehr von Nutria nichts Neues sei: „In Südamerika ist das ganz normal. Und auch in Deutschland wurden Nutria bis in die 1990er Jahre vor allem in der ehemaligen DDR verzehrt“, sagt Siemens.

Daher war der Küchenmeister sofort begeistert, als seine Jäger-Kollegin Birgit Jansen mit der Idee eines Nutria-Kochkurses auf ihn zukam. Mittlerweile geben die beiden vier bis fünf Mal pro Jahr Kurse auf dem Strümper Hof.

Der nächste Nutria-Kochkurs

Der nächste Nutria-Kochkurs auf dem Strümper Hof findet am 24. April statt. Sieben Zweierteams bereiten dabei jeweils ein Gericht vor. Daher ist die Teilnehmerzahl auf 14 begrenzt. Ein Kontakt ist über info@struemperhof.de möglich.

Kochkurse mit Nutriafleisch: „Geschmacklich zwischen Putenkeule und Wildschwein“

Aber wie schmeckt ein Tier, das sich am liebsten an sumpfigen Uferböschungen aufhält? „Wie eine Mischung aus Putenkeule und Wildschwein“, verrät Siemens. Das Fleisch sei weder mager noch fettig, dafür aber cholesterinarm und eiweißreich. Die Textur gleiche der eines Kaninchens, sodass sich die Tiere auch gut verarbeiten ließen und sehr bekömmlich seien.

„Sie sollten wegen der Parasitengefahr allerdings am besten schnell und besser nicht zu rohen Produkten wie Salami oder Schinken verarbeitet werden“, rät der erfahrene Nutria-Koch, der stattdessen das Schmoren des Fleisches empfiehlt.

Wie hier am Schloss Oberwerries in Hamm, leben Nutria häufig in Familienverbänden mit mehreren Jungtieren.
Wie hier am Schloss Oberwerries in Hamm, leben Nutria häufig in Familienverbänden mit mehreren Jungtieren. © Malte Cilsik

Wie es richtig geht, zeigt er regelmäßig den Teilnehmern der Nutria-Kochkurse. Unter den insgesamt sieben zubereiteten Gerichten befinden sich beispielsweise Frikadellen mit Kräutern in einer Cognac-Pfeffersoße, Nutriapfeffer süß-sauer oder Saté-Spieße mit einer Cashew-Kokossauce.

Auf die reguläre Speisekarte seines Restaurants hat Siemens die Nutria trotz aller Begeisterung übrigens bislang noch nicht gesetzt. „Ich möchte meine Gäste nicht überfordern, dafür braucht es einfach noch etwas Zeit.“ Wer das Fleisch aber unbedingt einmal testen möchte, kann dies nach vorheriger Anmeldung im Strümper Hof tun.

Kochkurse mit Nutriafleisch: Sternekoch findet die Idee spannend

Auf Anfrage von wa.de zeigte sich Sternekoch Frederic Morel vom Cœur D‘Artichaut in Münster durchaus angetan von dem Gedanken, seinen Gästen auch gelegentlich Nutriafleisch zu servieren. „Ich habe zwar noch nie damit gearbeitet, kann mir das zukünftig aber durchaus vorstellen“, sagt Morel. Bei den regelmäßig wechselnden Gerichten im Cœur D‘Artichaut böten sich auch genug Gelegenheiten dazu.

„Die Eigenschaften des Fleisches sollen sehr gut sein, und generell arbeite ich gerne mit Wild“, so Morel. Bevor die Nagetiere aber eine ernsthafte Option für ihn werden könnten, wolle sich der Sternekoch erst selbst von der Qualität des Fleisches überzeugen.

Ein mögliches Rezept hat Morel aber bereits vor Augen: „Nächsten Monat soll es bei uns Maibock mit Roter Beete und Pumpernickel geben. So etwas in der Art könnte ich mir auch mit Nutria vorstellen.“

Wer sich auch abseits der Kochkurse einmal selbst an der Zubereitung von Nutria versuchen möchte, wird unter anderem in Essen fündig. Eine Fleischerei verkauft hier das Fleisch der Nagetiere.

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