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Covidgum: Ein Kaugummi gegen Corona - Experte äußert Zweifel

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Von: Daniel Schinzig

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Ein Kaugummi soll davor schützen, andere Menschen mit Corona anzustecken. Aber klappt das auch? Ein Virologe ist sich sicher: Das ist Quatsch.

Hamm - Seit Beginn der Corona-Pandemie wünschen sich die meisten Menschen eine einfache Lösung, um das Problem in den Griff zu bekommen. Klar, die Hygienemaßnahmen helfen, aber muss man jetzt wirklich immer darauf achten, dass die Maske richtig sitzt und man dem Nebenmann ja nicht zu nahe kommt? Ok, eine Impfung kann die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Krankheitsverlauf extrem senken. Aber so eine Spritze tut ja auch weh. Wie wäre es, wenn man stattdessen einfach nur ein Kaugummi kauen oder ein Bonbon lutschen muss und die Welt ist wieder in Ordnung? Das wäre doch was. Aber können die Produkte Covidgum und Covidbon auch wirklich halten, was sie versprechen?

LandDeutschland
HauptstadtBerlin
BundeskanzlerOlaf Scholz

Covidgum: Kaugummi soll gegen Corona wirken - Experte hat Zweifel

Fairerweise sei gesagt: Ganz so wirkungsvoll soll das Wundermittel auch nach Herstellerangaben gar nicht sein. Kaugummi und Bonbons sollen stattdessen die Viruslast im Mund deutlich reduzieren. Das Kaugummi zum Beispiel wird vom Hersteller Clevergum mit den Worten beworben: „15 Minuten kauen und ganz einfach das Infektionsrisiko reduzieren!“

Möglich machen soll das die Zusammensetzung von Bonbon und Kaugummi. Beides setzt sich laut Hersteller aus natürlichen, antiviralen Inhaltsstoffen zusammen. Angereichert seien die medizinischen Leckereien mit „einer erlesenen Auswahl an antiseptisch wirksamen pflanzlichen ätherischen Ölen“.

Die Viruslast soll so bis zu 99 Prozent reduziert werden. Einfach ein bis zwei Covidgums in den Mund nehmen und kauen. Bzw. zwei Covidbons in den Mund nehmen und lutschen. Natürlich, so schreibt der Hersteller, soll auch das Genießen nicht vergessen werden. Bei den Bonbons soll der Effekt der verminderten Viruslast etwa 90 Minuten anhalten, bei dem Kaugummi sogar bis zu zwei Stunden. Das sei auch klinisch getestet.

Kaugummi kauen, Bonbon lutschen: Kann man sich so gegen Corona schützen?

Erfunden hat das schmackhafte Produkt gegen Corona Florian Pfab, Leiter der medizinischen Abteilung bei Eintracht Frankfurt. Kein Wunder also, dass auch eben dieser Fußballverein Werbung für Covidgum und Covidbon macht. Und so ist in einem großen Werbeartikel auf der Website des Vereins natürlich auch ein Zitat des Erfinders besonders hervorgehoben, das die Vorteile des Produkts für Fußballspiele hervorhebt: „Ein praktischer Einsatz ist ein Fußballspiel, das 90 Minuten dauert.“

Eine junge Frau formt aus einem Kaugummi eine Blase.
Ein Kaugummi gegen Corona: Wundermittel oder nur eine Blase? © Rolf Vennenbernd/dpa

Bei aller Lobhudelei: Der Hersteller möchte sein Produkt als Ergänzung, nicht als Ersatz für die geltenden Maßnahmen wahrgenommen wissen. So wird in der Beschreibung ausdrücklich erwähnt, dass Covidgum und Covidbon keine Alternative für das Impfen seien und auch weiterhin Maske getragen und Abstand gehalten werden soll. Aber: Das Kauen und Lutschen der beiden Leckereien kann eben etwas mehr Sicherheit bringen, wenn man sich mit anderen Menschen trifft. Oder?

Nein. Das sagt zumindest Virologe und Epidemiologe Alexander Kekulé in seinem Podcast „Kekulés Corona-Kompass“. In der Folge vom 12. Februar 2022 wird er von einer Hörerin auf das Kaugummi mit der schützenden Wirkung angesprochen. Und er findet deutliche Worte: „Also kurz gesagt, das ist natürlich Quatsch.“

Kaugummi gegen Corona: Virologe bezweifelt die Wirkung

Kekulé begründet seine eindeutige Einschätzung natürlich auch. Der Fachmann hat sich die Herstellerbeschreibung der Produkte mal genauer angesehen und ist über ein spannendes Detail gestoßen. Dort ist auf die Frage, warum Covidgum als medizinisches Produkt registriert sei, zu lesen, dass das Kaugummi physikalisch antiseptisch wirkt. Der Virologe macht hier auf einen wichtigen Unterschied aufmerksam: physikalisch antiseptisch, nicht chemisch antiseptisch.

Warum das wichtig ist? „Die ätherischen Öle, die da drinnen sind, haben überhaupt keinen Nachweis, dass sie irgendetwas gegen Viren machen, sondern es geht nur um den physikalischen Effekt“, erklärt Alexander Kekulé. Alleine das Kauen eines Kaugummis würde dafür sorgen, dass mehr Speichelfluss entsteht. Dadurch wird die Viruskonzentration im Mund geringer. Dementsprechend hätte man in der Studie auch andere Kaugummis testen und vergleichen müssen. „Da will ich wetten, das geht mit jedem Kaugummi.“

Corona-Kaugummi: „Ist der Nase wurscht, was da im Mund gerade gekaut wird“

Selbst, wenn Covidgum es schaffen würde, den Speichelfluss stärker anzuregen als andere Kaugummis, wäre der schützende Effekt in den Augen von Kekulé sehr gering. Und wichtig sei auch zu beachten: Man schützt in einem sehr geringen Maße die Menschen um einen herum. Eine Schutzwirkung für einen selbst stellt sich gar nicht ein. „Weil die Aufnahme des Virus geschieht beim Einatmen durch die Nase zum großen Teil. Das ist der Nase wurscht, was da im Mund gerade gekaut wird“, sagt der Virologe.

Von daher sollte man sich wohl das Geld sparen und stattdessen zu den gewohnten Kaugummis greifen. Und gegen Corona auf die traditionellen Hygienemaßnahmen setzen. Am besten hilft ohnehin die Impfung. Für eine bestimmte Gruppe ist jetzt sogar schon der zweite Booster möglich. Wer übrigens gerne Cola trinkt, sollte vor einem Schnelltest unbedingt eine Weile auf den Softdrink verzichten. Sonst könnte das Ergebnis nicht korrekt sein. *wa.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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