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Brauerei will mit Bierpulver den Markt revolutionieren: „Absoluter Gamechanger“

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Von: Simon Stock

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Tüte aufreißen, Pulver ins Glas, Wasser dazu - fertig ist das Bier. Eine deutsche Brauerei will mit Bierpulver den Markt revolutionieren. Und die Welt retten.

Hamm - Tüte aufreißen, Pulver ins Glas, Wasser dazu - fertig ist das Bier, mit Schaum und allem. Was wie Science-Fiction klingt, könnte schon bald in den Regalen deutscher Supermärkte stehen. Eine kleine Traditionsbrauerei aus Brandenburg hat ein Bierpulver entwickelt, das wie Instant-Kaffee oder Ahoi-Brause funktioniert. Sie will damit die Brautechnologie und den Markt revolutionieren - und nebenbei die Welt retten.

UnternehmenKlosterbrauerei Neuzelle GmbH
SitzNeuzelle in Brandenburg
Gründung1589

Bierpulver: Klosterbrauerei Neuzelle aus Brandenburg will den Markt revolutionieren

Trockenbier - davon träumte schon Bier-Connaisseur „Werner“ im gleichnamigen Kult-Comic der 1980er Jahre. 40 Jahre später könnte der Traum Realität werden. Nach fast zwei Jahren Forschung präsentierte die Klosterbrauerei Neuzelle jetzt ein Pulver für alkoholfreies Bier. Bis zum Sommer 2023 soll das Gesamtpaket stehen, inklusive Alkohol und Kohlensäure.

Eine Bezeichnung hat die Bier-Revolution bereits: Dryest Beer, denn „trockener kann man Bier nicht machen“, sagt Geschäftsführer Stefan Fritsche im Gespräch mit wa.de. Er glaubt: „Bierpulver ist die Zukunft!“ Gewonnen wird es aus einem speziellen - wenngleich herkömmlich gebrauten - Bier. Die genaue Zusammensetzung des Granulats ist ein Betriebsgeheimnis.

Das Trockenbier soll die Welt erobern - und sie zugleich retten helfen. Bier besteht zu 90 Prozent aus Wasser, und indem man das aus der Gleichung streicht, lassen sich beim Transport Ressourcen, Platz und Geld sparen. Der CO₂-Fußabdruck wird kleiner. „Wir müssen keine schweren Kästen mehr transportieren, wir brauchen kein Glas mehr und keine Flaschen; es reicht eine Papiertüte aus Recycling-Papier. Das ist ein absoluter Gamechanger“, sagt Fritsche. Die 1589 gegründete Brauerei mag mit 42 Mitarbeitern klein sein, doch das Selbstvertrauen ist enorm.

Bierpulver: Ressourcensparender Transport ohne Wasser und Flaschen 

Die Brauerei ist bekannt für unkonventionelle Produkte. Im Portfolio der Klosterbrauerei Neuzelle findet sich neben klassischem Bier auch Bier als Haarpflegemittel („Badebier“), Anti-Aging-Bier, Spargel-Bier, Erdbeer-Bier und dergleichen mehr. „Wir wollen anders sein und machen deshalb merkwürdige Produkte. Wir versuchen, die innovativste Brauerei der Welt zu sein“, sagt Fritsche.

Und warum? „Ich habe das traditionsreichste Produkt der Welt, aber ich muss es immer neu erfinden. Nach deutschem Reinheitsgebot können auch Chinesen brauen. Und billiger“, sagt Fritsche und fügt in puncto Bierpulver an: „Einer muss anfangen – und das sind wir. Wir machen das, was sich andere Brauereien nicht getraut haben“.

Den markigen Worten ging eine lange Phase der Vorbereitung voraus. Das Projekt „Bierpulver“ startete 2020 nach Abschluss einer Machbarkeitsstudie. Nach eigener Aussage investierte die Brauerei rund 200.000 Euro, die gleiche Summe kam noch einmal durch Fördergelder unter anderem der EU hinzu.

Bierpulver: „Dryest Beer“ soll im Sommer 2023 fertig sein - mit Alkohol und Kohlensäure

Mit dem fertigen Produkt soll es Mitte 2023 auf die Suche nach Investoren gehen. Sobald ein Standort für die „Dryest-Beer-Factory“ existiert, soll die Produktion hochgefahren werden. Das Interesse großer Brauereien sei da, so Fritsche. Erst im zweiten Schritt soll der Supermarkt-Kunde in den Fokus rücken. „Der Endverbraucher wird es in diesem Jahr in Deutschland noch nicht zu sehen bekommen. Aber für kommendes Jahr sind Möglichkeiten da“, sagt Fritsche - sofern alles klappt.

Mit Jubelstürmen deutscher Biertrinker rechnet die Klosterbrauerei Neuzelle nicht. Sie sieht ihre Kernzielgruppe eher bei globalen Wiederverkäufern, die nicht zwingend Braukenntnisse haben müssen, die aber das Granulat für den Endverbraucher anwendungsgerecht einsatzfähig machen können. Das Unternehmen will mit dem Bierpulver vor allem transportintensive Export-Märkte in Asien und Afrika anpeilen.  „Export nach Grönland, Afrika, in die Sahara“ - alles sei mit Bierpulver möglich, sagt Fritsche - und „zu einem Bruchteil der Kosten.“

Brauereien durch Krisen unter Kostendruck

Deutsche Brauereien arbeiten seit langem unter hohem Kostendruck. Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg machten Lieferwege kaputt, die Kosten etwa für Energie und Glas stiegen deutlich. Die Folge: Viele Brauereien erhöhten den Preis für Gerstensaft. „Die letzten kleinen Brauereien halten sich nicht mehr lange“, glaubt Fritsche.

Mit dem Bierpulver wolle man nicht etwa in Konkurrenz zu den kleinen Brauereien gehen - im Gegenteil. „Wir wollen ihnen damit Möglichkeiten bieten, länger zu überleben. Wer weiter sein lokales Bier möchte: alles gut. Aber wenn eine Brauerei etwa aus Westfalen sagt: ‚Ich möchte nach China exportieren‘, dann können wir helfen.“

Öko-Test hat einige Biermarken überprüft. Viele Brauereien schneiden gut ab. Ein Pils aus NRW fällt jedoch durch.

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