Die Entscheidung, die aktive Karriere zu beenden, stand allerdings schon vor der Verletzung fest und zog das Ende seiner Zeit als Spieler nur um ein paar Wochen vor. „Zur Winterpause sollte ohnehin Schluss sein“, erklärt Focher. Ein Grund: Nach dem Studium, das er in Bochum mit dem Bachelor in Wirtschaftswissenschaften abgeschlossen und in Münster mit dem Masterstudiengang in Betriebswirtschaftslehre (BWL) und Rechnungswesen fortgesetzt hat, ist er im September in Münster ins Berufsleben eingestiegen: als Finanzanalyst für „Mergers and Acquisitions“ (M&A). „Wir machen Unternehmenstransaktionen für erneuerbare Energieprojekte – da boomt der Markt derzeit“, sagt er.
Der andere Grund: eine Anfrage von Borussia Dortmund. „Anfang November kamen Trainer Thomas Sulewski, Co-Trainer Dustin Wurst und Tim Treude auf mich zu und haben mich gefragt, ob ich darauf Lust hätte, Torwarttrainer bei den BVB-Frauen zu werden“, erzählt Focher. „Es hieß ab Sommer, gerne auch früher. Das hat sich spannend angehört.“
Danach folgte schon bald der Kontakt mit Team-Managerin Svenja Schlenker. „Ich habe mir dann ein Pokalspiel angeguckt und gesehen, wie gut die Mannschaft ist“, schildert Focher weiter. „Das ist nicht Kreisliganiveau – die könnten auch sehr viel höher spielen. Und da ich ab Sommer aus beruflichen Gründen nicht mehr auf dem Platz stehen und auf mittelfristiger Basis sowieso als Torwarttrainer arbeiten wollte, hat es sich angeboten, zuzusagen.“
Was nicht selbstverständlich ist für jemanden, der als Profi mit dem BVB zweimal Deutscher Meister geworden ist. „Auf die Liga habe ich nicht geschaut“, betont der 32-Jährige. „Ich finde das Projekt super spannend, kenne die Trainer und Verantwortlichen, habe sogar die Mädels schon kennengelernt. Mal sehen, wie die Torhüterinnen mitziehen. Von der Altersstruktur her ist das sehr gemischt. Und für mich eine neue Erfahrung.“
Ein weiterer Faktor spielt für Focher eine große Rolle: Das BVB-Projekt Frauenfußball ist ein sehr engagiertes. Zwar wurde die Abteilung erst in diesem Jahr ins Leben gerufen. Die Mannschaft wurde aber auf ungewöhnlichem Weg zusammengestellt: Es fand ein Casting statt, bei dem sich die Spielerinnen für die Borussia empfehlen durften. Zur Winterpause steht das Team in der untersten Klasse ohne Gegentor und Verlustpunkt an der Tabellenspitze – der anvisierte Durchmarsch bis in die Bundesliga braucht trotzdem noch ein paar Jahre.
Dass der Name Borussia Dortmund seine Entscheidung erleichtert hat, gibt der in Hamm Aufgewachsene gerne zu (geboren ist er in Berchtesgaden, Bayern). Schließlich hat er von 2004 bis 2012 und noch einmal in der Saison2013/14 als Jugendspieler und Profi für den BVB gespielt. „Klar hat das für mich eine Rolle gespielt“, sagt Focher. „Und es kam bei den Verantwortlichen, die das Projekt in Absprache mit den Fans von oben initiiert haben, auch gut an, dass ich lange beim BVB gespielt habe. Ich kenne noch sehr viele Leute, die zu meiner Zeit dort gearbeitet haben – das macht die Sache einfacher.“
Einer davon ist Matthias Kleinsteiber, der den Torhüter Johannes Focher von der C-Jugend an geprägt hat. „Er ist jetzt Torwarttrainer bei den Profis – da schließt sich ein bisschen der Kreis“, sagt Focher. „Man spricht die gleiche Sprache. Ich kann als Torwarttrainer das einbringen, was er mir beigebracht hat. Da muss nichts von oben diktiert werden, weil ich die gleiche Trainingsphilosophie habe.“
Erfahrung hat Focher bereits auf seiner letzten Station in Meinerzhagen gesammelt. „Da habe ich das schon dreieinhalb Jahre lang gemacht“, sagt er und kann sich daher durchaus vorstellen, über den Posten langfristig seinem Sport verbunden zu bleiben. „Warum nicht? Wo die Reise als Torwarttrainer hingeht, das lasse ich offen. Vom Grundgedanken her finde ich es gut, dem Fußball treu zu bleiben, ohne spielen zu müssen. Dem Verletzungsrisiko kann ich mich nicht mehr aussetzen, aber meine Erfahrung weitergeben, bei den Spielen dabei sein und die Mannschaft unterstützen, das finde ich super.“
Was nicht immer so klang. Vor allem nicht 2016, als er in einem Interview gesagt hat: „Ich habe den Fußball nie richtig geliebt, aber ich finde es schwer zu erklären, weshalb das so ist. Vielleicht gelingt mir das mit 60 Jahren besser.“ Verfolgt ihn diese Aussage noch? „Ja, die ist in meinem Freundeskreis zum ‘running gag‘ geworden“, sagt der Ex-Profi, der mittlerweile mit seiner Verlobten wieder in Hamm wohnt. „Ich wollte damit unterstreichen, dass ich nicht der klassische Typ war, der nur Fußball im Kopf hatte. Das hat für eine ziemlich plakative Überschrift gereicht. Aber ich hatte eben auch andere Interessen, habe mich sehr ins Studium reingehängt. Mich interessieren Wirtschafts- und Finanz-Themen. Mit 20 hätte ich sicher nicht gedacht, dass ich einmal Torwarttrainer werden würde. Das ändert sich erst im Laufe der Zeit mit dem körperlichen Zustand.“
Nach seiner Kreuzband-OP kann Focher zwar schon wieder ohne Gehhilfen laufen, beim Training mit den Torhüterinnen ist er aber noch auf Unterstützung vom Co-Trainer angewiesen. „Schießen ist im Moment noch schwierig“, weiß Focher, der am vergangenen Mittwoch seinen ersten Trainingstag bei den BVB-Frauen hatte. Einmal in der Woche wird er künftig dabei sein, später „gerne auch öfter“, sagt er. „Außerdem will ich bei den Spielen dabei sein. Das halte ich für wichtig, sonst fühle ich mich nicht wirklich als Teil der Mannschaft.“