Theo Hölscher war bei Olympia und Weltreiterspielen

AMEKE ▪ Theo Hölscher hat viel erlebt. Der Ameker hat mehrmals an deutschen Meisterschaften im Voltigieren teilgenommen, war bei den Olympischen Spielen und den Weltreiterspielen. Seit 40 Jahren ist er Übungsleiter. Ans Aufhören denkt der Longenführer des Reit- und Fahrvereins „von Nagel“ Herbern trotzdem nicht. Auch wenn er in seinem Sport mit Pferden zu tun hat, sagt der 62-Jährige: „Ich habe Riesenschwein gehabt.“
Mit 14 Jahren fing Hölscher an zu reiten. „Ich habe immer bei einem Bauern geholfen. Dafür durfte ich samstags und sonntags junge Pferde einreiten“, erinnert sich der gebürtige Herberner. Im Winter, wenn es zu kalt war, stieg er auf Tischtennis um. Dann kam er zur Bundeswehr. Die Grundausbildung absolvierte Hölscher in Rheine, nach drei Monaten wurde er nach Warendorf verlegt. Wie der Zufall es so wollte, war sein Kompanie-Chef ebenfalls Reiter. Außerdem wurden Zureiter für den Modernen Fünfkampf gesucht. „Ich habe Riesenschwein gehabt“, sagt Hölscher. „Ich habe vorgeritten, und sie haben mich genommen.“
1972 durfte Hölscher als Bereiter mit zu den Olympischen Sommerspielen in München. Er kümmerte sich um ein Wettkampf- und zwei Trainingspferde. Vom Attentat – die Spiele wurden durch die Geiselnahme und Ermordung israelischer Athleten überschattet – „haben wir nichts mitbekommen“. Denn zu dem Zeitpunkt war Hölscher schon wieder zu Hause. Nachdem die Bundeswehr-Zeit vorbei war, arbeitete der Herberner wieder als Zimmerer.
1972 wurde auch die Reithalle des RVH fertiggestellt. Weil Alex Benzel, Mitinitiator der Abteilung, berufsbedingt keine Zeit mehr hatte, „habe ich das 1973 übernommen“ – quasi als Laie. Hölscher war zwar aktiv im Reitsport und feierte Erfolge auf Kreisebene, allerdings in der Vielseitigkeit, in der Dressur und im Springen. „Klasse-M-Springen waren das höchste“, blickt er zurück. Es folgten Lehrgänge und Fortbildungen für den Übungsleiterschein im Voltigieren.
Das erste Volti-Pferd, das gekauft wurde, war eine Stute. Das erste Pferd, das Hölscher selbst ausbildete und bei Wettkämpfen erfolgreich war, war „Da Capo“ – ein Tier, das als Springpferd zu langsam war und zu einem Voltigierpferd umfunktioniert wurde. „Da Capo ist 27 Jahre alt geworden und hat die Gruppen des RV Herbern von Sieg zu Sieg getragen“, sagt Hölscher.
Ein weiteres Pferd, das der 62-Jährige, der seit 28 Jahren in Ameke wohnt, selbst ausgebildet hat, ist „Sir Theo“. „Er schlug ein wie eine Granate.“ Mit ihm erlebte Hölscher den „Höhepunkt seiner Laufbahn“. Der Longenführer und sein Pferd nahmen 2002 im spanischen Jerez de la Frontera an den Weltreiterspielen teil. „Für das eigene Land waren wir nicht gut genug“, sagt Hölscher. Er startete mit einer Australierin, die in Lengerich wohnte, für deren Land. „Ich hatte das passende Pferd zum passenden Zeitpunkt“, erklärt er. Vier Monate wurde in Herbern mit der Landestrainerin trainiert.
An das 14-tägige Abenteuer Weltreiterspiele erinnert sich Hölscher besonders gerne zurück. Über Lyon und Barcelona ging es nach Jerez de la Frontera. „Wir waren drei Tage unterwegs.“ Die Mühe lohnte sich: „Wir waren in einem Riesenhotel und wurden behandelt wie die Könige. Alles war durchorganisiert. Wir haben unter Palmen trainiert – bei 35 Grad.“ Für die Kosten kam der australische Verband auf. Familiären Beistand gab es vor Ort auch: Hölschers damals gerade einmal 16-jähriger Sohn Jan-Dirk Wiewelhove reiste als Pferdepfleger, Pressewart und Dolmetscher mit.
„Eine Genugtuung. Ich war ganz stolz“
Die Wettkämpfe – Pflicht- und Kür-Durchgänge – liefen an drei Tagen. „Kurz vor dem Start ging mir die Düse. Funktioniert das Pferd?“ „Sir Theo“ funktionierte – in einer riesigen Arena vor 5000 Zuschauern. „Er ging wie an der Schnur gezogen. Es war wie Weihnachten und Ostern auf einmal. Eine Genugtuung. Ich war ganz stolz“, berichtet Hölscher. 36 Damen waren in der Altersklasse Senioren an den Start gegangen, die 18 Jahre alte Australierin belegte den 16. Platz. „Wir waren sehr erfolgreich.“
Zurück in heimatlichen Gefilden wurde das Voltigieren beim RV Herbern immer intensiver betrieben. Belohnt wird Longenführer Theo Hölscher, der viel Zeit für den Nachwuchs opfert, für seine Arbeit mit Erfolgen bei westfälischen und deutschen Meisterschaften. Eva Rotert sicherte sich zum Beispiel von 2009 bis 2011 drei Mal in Serie den Titel in Westfalen. Bei den nationalen Wettkämpfen landen seine Schützlinge zwar meist unter den ersten zehn, zu einem Sieg hat es aber noch nicht gereicht. Auch Auslandsstarts in Österreich, Belgien und den Niederlanden hat es schon gegeben. Die S-Gruppe Herbern I, deren Trainer Hölscher ist, gehört nicht nur der höchsten Leistungsklasse an, sondern seit 2010 auch dem Landesleistungsstützpunkt Voltigieren.
Gnadenbrot für die „Rentner“
Trainiert wird zwei Mal pro Woche in den Gruppen, drei Mal finden Einheiten für Einzelvoltigierer statt. Nur dienstags und freitags hat Hölscher frei. „Wichtig, ist sich nicht auf den Erfolgen auszuruhen“, sagt der Ameker, der als Hausmeister in einem Jugendzentrum bei der Stadt Ahlen beschäftigt ist, und spricht von einem „aufwendigen Sport“. Schließlich gilt es, die Pferde jeden Tag zu betreuen. Zu Hause an der Bernhardstraße – es gibt einen kleinen Reitplatz vor der Haustür und Ställe – kümmert sich Hölscher um drei Voltigierpferde und fünf „Rentner“, wie der 62-Jährige sie bezeichnet. „Sie kriegen hier ihr Gnadenbrot.“ Schließlich habe er eine „Verpflichtung den Pferden gegenüber“.
Ein Ende seiner mittlerweile 40-jährigen Übungsleitertätigkeit, für die ihn der RV Herbern vor Kurzem ehrte, ist nicht in Sicht. Nach einer Hüft-Operation fühlt sich Theo Hölscher „generalüberholt“. „Solange es die Gesundheit zulässt, ich Spaß daran habe und sehe, wie die Jugendlichen darin aufgehen, mache ich das noch.“
Seine Ehefrau Dorothee Wiewelhove hat nichts dagegen. Schließlich gilt auch ihre Leidenschaft dem Voltigieren. Sie ist Trainerin und Abteilungsleiterin bei der „Konkurrenz“ – beim RV Drensteinfurt. ▪ Matthias Kleineidam