„Russen werden an Bachmut ersticken“ - Ukrainische Soldaten geben nicht auf
Nach ihrem Rückzug aus weiten Teilen der Stadt versuchen die Ukrainer die feindlichen Truppen einzukesseln. Ein Kamerateam berichtet aus dem Zentrum der Kämpfe.
Bachmut - Eine Stadt ist zum symbolträchtigsten Schauplatz im Ukraine-Krieg geworden: Bachmut. Die ostukrainische Ortschaft steht im Zentrum des Interesses der Weltöffentlichkeit, seit sich dort die längste und verlustreichste Schlacht im von Russland begonnen Krieg abspielt. Seit August 2022 wird Bachmut von russischen Truppen belagert. Wirklich entschieden ist die Schlacht aber nicht, auch wenn die russische Seite in den vergangenen Tagen mehrfach den Sieg und die vollständige Eroberung der Stadt verkündet hatte, was die ukrainische Seite regelmäßig dementierte.
Es herrscht allgemein viel Unklarheit darüber, inwieweit genau Bachmut von russischen Einheiten kontrolliert wird. So viel steht allerdings fest: Die Russen haben weite Teile der Stadt unter ihre Kontrolle gebracht. Die Söldner der Wagner-Gruppe und reguläre Truppen rücken nach massiven Geländegewinnen weiter in Bachmut vor und nutzen dafür vor allem die bestehende Infrastruktur, wie das gut informierte Institute for the Study of War (ISW) am Dienstag (23. Mai) berichtete.
Die Ukrainer ihrerseits kämpfen weiterhin an den Außenbezirken von Bachmut und kontrollieren den Südwesten der Stadt, wie der ukrainische Generalstab am Sonntag (21. Mai) laut Tagesspiegel erklärte. Bachmut und die südlich davon gelegene Kleinstadt Marjinka seien das „Epizentrum der Kämpfe“. Die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar sagte, ihre Truppen hätten die Stadt „teilweise eingekreist“, nachdem sie zuvor die durch Russland gehaltenen Flanken durchbrochen hätten.
Videobericht aus dem „Epizentrum der Kämpfe“ an den Flanken von Bachmut
Mitten in diese umkämpfte Zone an den Flanken von Bachmut hat sich ein Kamerateam von France 24 gewagt und mit den dort kämpfenden ukrainischen Soldaten der 57. Brigade gesprochen. Nachdem sie von den Russen zunächst zurückgedrängt worden waren, haben sie in den letzten zehn Tagen vor den Aufnahmen vier Quadratkilometer Land zurückerobert. Sie treten den Journalisten dennoch nicht triumphierend gegenüber.
„Wir hätten sie (die Russen) nicht die Stadt erobern lassen dürfen und starten nun eine Gegenoffensive“, sagt einer der kommandierenden Männer. „Wir hatten ihre Stellungen eingenommen, aber beim zweiten Anlauf mussten wir uns zurückziehen“, ergänzt ein anderer Soldat. Man sieht den Männern die Entbehrungen und Strapazen der vergangenen Monate deutlich an. Sie sind seit Beginn der Kämpfe im Einsatz und von 10 Monaten blutiger Kämpfe gezeichnet.
„[Die Russen] feuern ihre Artillerie mit Präzision ab“, sagt derselbe Soldat, während er sich an einem Panzerfahrzeug abstützt. Nach einer nachdenklichen Sprechpause fügt er hinzu: „Wir hatten schwere Verluste.“ Es klingt fast wie eine Entschuldigung dafür, sich zurückgezogen zu haben.
Während er das sagt, ertönt im Hintergrund lautes Artilleriefeuer. „Das kommt in unsere Richtung. Jetzt schießen sie gerade auf uns“, sagt der andere ukrainische Kämpfer.
Ukrainischer Soldat vor Bachmut: „Ich weiß noch nicht einmal, ob ich morgen am Leben sein werde“
Die Journalisten stellen dem Mann, der hier offenbar das Kommando hat, eine Frage: „Glaubst du, ihr werdet Bachmut zurückerobern?“ Dessen Antwort erinnert an die kalte Brutalität des Krieges: „Ich weiß noch nicht einmal, ob ich morgen am Leben sein werde.“
Das genau jetzt lauter werdende Dröhnen des feindlichen Artilleriefeuers verdeutlicht, wie angebracht dieser Pragmatismus ist. „Rückzug. Wir müssen hier weg“, ruft er seinen Leuten zu. Drei der gepanzerten Fahrzeuge der Brigade sind in nur zwei Tagen von den Russen zerstört worden.
Die Soldaten, mit denen die Journalisten hier sprechen, waren zuvor im Zentrum von Bachmut im Einsatz, mussten sich aber zurückziehen. Ihre Aufgabe ist es nun, Boden um die Stadt herum zu erobern, um von dort aus die Russen in der Stadt unter Feuer zu nehmen. Die von den Russen gefürchtete Einkesselung über die Flanken ist das Ziel.

„Die Russen werden an Bachmut ersticken“
Von diesem Vorhaben sind die Soldaten überzeugt. „Wir geben nicht auf. Wir zerstören nun ihre Artillerie, ihre Stellungen und ihre Infanterie“, sagt ein Offizier im lokalen Hauptquartier mit fester Stimme in die Kamera. „Wir halten unsere Stellung, so gut es geht, und hören nicht auf, anzugreifen“, sagt ein anderer. „Bachmut wird zu einem Knochen, an dem die Russen ersticken“, fügt er hinzu.
Mithilfe von Aufklärungsdrohnen suchen die Soldaten, vor großen Monitoren sitzend, gezielt nach Schwachstellen in der russischen Verteidigungslinie. „Das ist Bachmut, oder was davon übrig ist“, sagt einer der Männer, die die Drohnen fliegen und zeigt dabei auf den Monitor.
Die Soldaten hätten an den Flanken von Bachmut strategisch sehr wertvolle Territorien zurückerobert, berichtet die Journalistin von France24. Die Ukrainer hoffen, von diesen vorteilhaften Positionen aus, die Russen gut unter Druck setzen zu können.
Das ist ihnen bisher gut gelungen, auch wenn sie sich aus der Stadt letztlich zurückziehen mussten. Der Chef der Wagner-Söldner, die auf russischer Seite maßgeblich an den Kämpfen um Bachmut beteiligt waren, spricht von 20.000 Gefallenen, wie Euronews berichtet. Experten gehen allerdings von einer noch höheren Zahl aus. Nach ihrem monatelangen Kampf in Bachmut seien die Wagner-Söldner nach Ansicht des ISW für weitere Einsätze zu erschöpft.