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Todesfahrt im Sauerland: Urteil gegen Raser aus Hemer und Soest nach illegalem Rennen

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Tödlicher Unfall: In diesem Wrack starb eine 70-Jährige aus Sundern nach dem Frontalzusammenstoß. © Klümper

Es war ein furchtbarer Raserunfall, bei dem im Sommer 2018 eine unbeteiligte Frau starb und mehrere weitere Menschen schwer verletzt wurden. Gegen die beiden Männer, die sich das tödliche illegale Rennen geliefert hatten, wurden am Montag die Urteile gesprochen.

Arnsberg/Balve/Sundern - Das Urteil ist gefällt - der Raserprozess ist – vorläufig – zuende: Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Arnsberg verurteilte den 43-jährigen Verursacher der Kollision auf der B229 zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Dazu kam eine dreijährige Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis.

Der zweite Angeklagte, ein 58-jähriger Soester, erhielt am Montagabend eine Bewährungsstrafe von neun Monaten. Vorausgegangen war ein langer Prozess. Dieser erinnerte bisweilen an eine Schlammschlacht ohne Ende - teils sogar mit Vorwürfen gegen die Polizei.

Das Landgericht Arnsberg sah es als erwiesen an, dass sich die beiden Männer im Sommer 2018 in Sundern ein illegales Autorennen geliefert hatten. Das Auto des 43-Jährigen kollidierte dabei mit einem voll besetzten Kleinwagen. Eine 70-Jährige in dem Kleinwagen starb, die vier anderen Insassen wurden ebenfalls verletzt

Fahrer treffen zufällig aufeinander, provozieren sich und liefern sich tödliches Rennen

Zu den völlig unstrittigen Tatvorwürfen der fahrlässigen Tötung und vierfachen Körperverletzung mit schwersten Folgen für vier der Insassen des entgegenkommenden VW Golf kam aus Sicht der Richter auch ein illegales Autorennen: „Die Kammer hat keinen vernünftigen Zweifel, dass die Angeklagten sich ab der Kreuzung Kirchlinde in Hövel bis zum Abzweig Langscheid ein Fahrzeugrennen geliefert haben“, erklärte der Vorsitzende Richter Klaus-Peter Teipel in seiner Urteilsbegründung. 

Die Spurenlage am Unfallort deute nicht darauf hin, dass der Fahrer des Audi Q5 ungewollt wegdriftete und auf die Gegenfahrbahn geriet. Er habe vielmehr im Bereich des Abzweigs Langenscheid versucht, den Porsche des 57-jährigen Soesters zu überholen. 

Indizien für Teilnahme eines Soester Porschefahrers

Die Richter sahen mehrere Indizien, dass der Soester in jenem vorbeihuschenden Porsche gesessen hatte, der von mehreren Zeugen mit unterschiedlichen Farbeindrücken wahrgenommen wurde: So hatte die Ex-Freundin des Soesters berichtet, wie dieser am Abend des Unglücks sehr nervös zu ihr gekommen war und berichtet hatte, dass ein Audi versucht habe, ihn zu überholen. Der Vorsitzende wiederholte noch einmal jenen von der Zeugin zitierten Satz, der aufhorchen ließ: „Einen Porsche überholt man nicht.“

Die Richter verurteilten ihn ausschließlich als Teilnehmer des illegalen Autorennens zu einer Haftstrafe von neun Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Seine Führerscheinsperre wurde auf weitere drei Monate begrenzt. Als Bewährungsauflage soll der Soester 5000 Euro an eine Einrichtung der Verkehrserziehung zahlen. 

Fatales Kräftemessen: 240 gegen 450 PS

Dem Verursacher der Kollision hielt der Vorsitzende vor, dass er zum Überholen ansetzte, obwohl er den Porsche nicht überholen konnte. In diesem Zusammenhang gab es Zahlen über die beiden Boliden: Der Audi Q5 ist mit 240 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von 220 Stundenkilometern dabei. Der Porsche Targa in einer Sonder-Edition von nur 240 gebauten Fahrzeugen bringt es auf 450 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von 300 Stundenkilometern. 

Die Kammer habe auch darüber nachgedacht, das Fahrzeug einzuziehen, verriet der Vorsitzende. Davon sahen die Richter aber letztlich ab: „Der Porsche wird freigegeben, sobald das Urteil rechtskräftig ist.“ 

Verteidiger schließen Gang zum BGH nicht aus

Das könnte allerdings noch dauern: Beide Verteidiger schlossen den Gang zum Bundesgerichtshof und damit eine Überprüfung der Urteile nicht aus. Sollte ihren Anträgen stattgegeben werden, müsste eine andere Kammer erneut verhandeln.

In ihren jeweils gut zweistündigen Plädoyers hatten beide Verteidiger am letzten Verhandlungstag noch einmal alles gegeben, um diverse Schwachstellen in den Ermittlungen aufzudecken. Zum vorläufig letzten Mal ließen sie eine ganze Riege von Beweisanträgen und Vorschläge für diverse Gutachten aufmarschieren.

Darin wäre es um Sichtachsen und minutiöse Raum-Zeit-Berechnungen gegangen. Probleme bei den holprigen und von Vorannahmen durchsetzten Ermittlungen stritt auch Richter Klaus-Peter Teipel nicht ab: „Was die Polizei bei der Aufklärung geleistet hat, war nicht optimal.“

Diese Strafen forderte die Staatsanwaltschaft - und dafür plädierten die Verteidiger

Die Staatsanwaltschaft hatte für den jüngeren Angeklagten eine Haftstrafe von vier Jahren und neun Monaten, für den älteren Fahrer eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten gefordert

Der Verteidiger des 58-Jährigen hatte für seinen Mandanten auf Freispruch plädiert. Auch der Anwalt des Unfallfahrers hielt für den 43-Jährigen eine Bewährungsstrafe für angemessen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. - von Thomas Krumm mit Material von dpa

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