Testpflicht im Gespräch: Kann der Arbeitgeber mich zu einem Corona-Schnelltest zwingen?
Corona-Tests auf der Arbeit nehmen vielerorts zu. Doch kann der Arbeitgeber mich zu einem Schnelltest zwingen? Ein Rechtsanwalt klärt auf.
Hamm - Es wird immer mehr auf Corona getestet. Die Zahl der Schnelltestzentren wächst, und auch vor einer Shopping-Tour müssen Kunden in Nordrhein-Westfalen negative Schnelltest-Ergebnisse vorzeigen, um Zutritt zu erhalten. In den Unternehmen gibt es dagegen noch keine klare Linie - aus gutem Grund. (News zum Coronavirus)
Bundesland | Nordrhein-Westfalen |
Fläche | 34.098 km² |
Einwohner | 17.947.221 (31. Dezember 2019) |
Testpflicht auf der Arbeit? Schnelltest-Zwang für Mitarbeiter wird diskutiert
In den Schulen in Nordrhein-Westfalen soll es eine Testpflicht geben, die bewirkt, dass sich Kinder auf das Coronavirus testen lassen und einen negativen Selbsttest vorzeigen müssen, ehe sie am Präsenzunterricht teilnehmen können. Wie eine Studie demonstriert, die sich mit dem Risiko einer Ansteckung mit Corona auseinandersetzt, ist die Gefahr, sich auf der Arbeit in einem Mehrpersonenbüro mit Covid-19 zu infizieren, sogar noch größer als in der Schule.
Das sorgt auch für politische Bestrebungen, am Arbeitsplatz mehr Corona-Tests durchzuführen. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung prangert an, dass erst 23 Prozent der (gefragten) Arbeitnehmer einen Corona-Schnelltest angeboten bekommen. Derweil stemmt sich die deutsche Wirtschaft noch gegen konkrete gesetzliche Auflagen. Wie 24hamburg.de* berichtet, würde laut der Arbeitgeberverbände in 64 Prozent der Betriebe bereits mindestens einmal pro Woche auf Corona getestet - Tendenz steigend. Unabhängig davon, welche dieser Zahlen stimmen: Kommt bald eine Testpflicht in den Unternehmen, wie sie in Schulen nach den Osterferien umgesetzt werden soll?
Testpflicht auf der Arbeit: Corona-Schnelltest verbindlich? Betriebliche Interessen können entscheidend sein
Die Frage, ob Arbeitgeber ihr Personal überhaupt zwingen können, einen Corona-Test durchzuführen, ist juristisch schwierig. Denn grundsätzlich muss zwischen den Interessen der Arbeitnehmer und des Arbeitgebers abgewogen werden. Demnach hat der Arbeitnehmer grundsätzlich die Möglichkeit, sich auf sein Persönlichkeitsrecht zu berufen und einen Test abzulehnen, wie ruhr24.de berichtet.* Eine Ablehnung kann unterschiedliche Gründe haben. Zum Beispiel, weil der Arbeitnehmer die Auswertung von sensiblen Gesundheitsdaten nicht erlauben will. Wie Arbeitsrechtler Silvio Lindemann gegenüber dem MDR klarstellte, seien diese nämlich grundlegend geschützt. Der Arbeitgeber dürfe in diesem Fall nicht ohne Grund eingreifen.
Allerdings kann es genau einen solchen triftigen Grund für einen verpflichtenden Corona-Test geben. Wenn zum Beispiel die Corona-Schutzverordnung eines jeweiligen Bundeslandes veranlasst, dass Branchen wie Friseure, Fahrschulen oder Musikschulen in Zeiten des Lockdowns nur dann geöffnet haben dürfen, wenn die Mitarbeiter regelmäßig getestet werden, kann der Arbeitgeber laut Lindemann durchaus eine solche Testpflicht einführen. Anderenfalls könne ihnen der Zugang zum Arbeitsplatz und möglicherweise sogar das Gehalt verweigert werden. In diesem Fall stünden die betrieblichen über den persönlichen Interessen.
Corona-Test in Unternehmen: Aktuell gibt es keine „direkte Testpflicht“
Auch Arndt Kempgens, Rechtsanwalt aus Gelsenkirchen, äußerte sich auf Anfrage unserer Redaktion zu der Frage, ob der Arbeitgeber eine Testpflicht für seine Mitarbeiter einberufen kann. „Eine Testpflicht steht - außer in Spezialbereichen - in keinem Arbeitsvertrag, auch nicht in Tarifverträgen und so gut wie nie in Betriebsvereinbarungen“, so Kempgens. Aufgrund dieser fehlenden Grundvereinbarung habe der Arbeitgeber eigentlich auch keine direkte Möglichkeit, eine Corona-Testpflicht durchzusetzen.
Doch laut Kempgens kann es auch eine Ausnahme geben. Arbeitgeber seien nämlich „zu Schutzmaßnahmen gegenüber ihren Mitarbeitern verpflichtet“, zitiert der Gelsenkirchener Rechtsanwalt aus dem BGB. Daraus ergebe sich auch eine arbeitsrechtliche Pflicht für die Arbeitgeber, Maßnahmen zu ergreifen, um Mitarbeiter auch untereinander zu schützen. Konkret könne sich diese Pflicht aktuell aus dem Bund-Länder-Beschluss vom 24. März ergeben, wo eine Test-Angebots-Empfehlung an Arbeitgeber ausgesprochen wurde.
Manche Bundesländer setzen zwischenzeitlich eine Corona-Testpflicht auf der Arbeit um
Manche Bundesländer wie Berlin und Sachsen hätten diese Empfehlung tatsächlich zwischenzeitlich in eine Test-Angebots-Pflicht umgewandelt. In Berlin griff zum Beispiel eine Testpflicht für alle Mitarbeiter in Betrieben, die körpernahe Dienstleistungen anbieten. In Nordrhein-Westfalen gibt es eine solche Pflicht nicht. Allerdings müssen etwa Kita-Mitarbeiter oder Mitarbeiter von Altenpflegeheimen regelmäßig auf Corona getestet werden.
Summa summarum lässt sich also sagen, dass es derzeit keine direkte bundesweite Testpflicht gibt. Das kann sich laut Arndt Kempgens nur dann ändern, wenn eine staatliche Testpflicht als Verordnung auch für die Arbeitnehmer kommt. „Dann ergibt sich eine direkte Verpflichtung der Arbeitnehmer, einen Test durchzuführen. Machen sie das dann nicht, können sie Ihre Arbeitskraft auch nicht anbieten und bekommen keinen Lohn“, erläutert Kempgens dieses hypothetische Szenario. - *24hamburg.de und ruhr24.de sind Angebote von IPPEN.MEDIA.