1. wa.de
  2. NRW

Kriminelle Kinder terrorisieren die Stadt: NRW-Landtag hat jetzt genug

Erstellt:

Von: Maximilian Gang

Kommentare

Seit Monaten häufen sich die Meldungen von kriminellen Kindern und Jugendlichen in Städten in NRW. Innenminister Herbert Reul zeigte sich „total erschüttert“. Der Landtag fordert nun Antworten.

Düsseldorf – Immer öfter, immer früher: Der rapide Anstieg der Jugendkriminalität beschäftigt in diesen Tagen ganz Nordrhein-Westfalen. Auch in puncto Brutalität werden die einzelnen Vorfälle immer besorgniserregender, wie unter anderem folgender Extremfall zeigt: Vor wenigen Tagen soll ein 17-Jähriger eine junge Frau in Recklinghausen erwürgt haben. In zahlreichen Städten in NRW begehen immer öfter Kinder und Jugendliche Straftaten. Meist geht es um Raub, Erpressung, Körperverletzung. In einigen Kommunen haben Verantwortlichen bei Polizei und Stadt bereits Maßnahmen ergriffen. Doch die Frage bleibt: Warum ist die Hemmschwelle bei einigen Kindern und Jugendlichen so stark gesunken? Das soll nun eine Studie herausfinden.

Herbert Reul über Jugendkriminalität in NRW: „Müssen uns fragen, wieso die Zahlen sind wie sie sind“

Die schockierenden Zahlen: Bei knapp 500.000 Tatverdächtigen im vergangenen Jahr war jeder fünfte noch nicht einmal 21 Jahre alt. Innerhalb weniger Jahre ist die Anzahl der Straftaten von Kindern unter 14 um mehr als die Hälfte angestiegen. Bereits zur Vorstellung der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU): „Schönfärberei hilft jetzt ebenso wenig, wie alles schwarz zu malen. Wir müssen uns fragen, wieso die Zahlen sind wie sie sind“. Er selbst sei von der Statistik „total erschüttert“ gewesen.

NRW-Innenminister Herbert Reul in seinem Büro
NRW-Innenminister Herbert Reul. © Peter Sieben

Nach Tötung der 12-jährigen Luise: Regierungsstudie soll Ursachen für Jugendkriminalität liefern

Nun sollen Antworten her: Mit Zustimmung aller Fraktionen hat das nordrhein-westfälische Parlament das Kabinett Wüst II damit beauftragt, die Ursachen der steigenden Jugendkriminalität erforschen zu lassen. Anlass der Initiative war der gewaltsame Tod der 12 Jahre alten Luise aus dem siegerländischen Freudenberg, der in ganz Deutschland für Erschütterung gesorgt hat. Zwei 12 und 13 Jahre alte Mädchen hatten gestanden, sie mit zahlreichen Messerstichen getötet zu haben.

Das sei vermutlich „ein extremer, besonderer Einzelfall“ gewesen, sagte Innenminister Reul. Auch Julia Höller von den Grünen betonte: „Tötungsdelikte unter Kindern sind extrem selten“. In den meisten Fällen der Kinder- und Jugendkriminalität ginge es um geringfügigere Delikte wie Diebstahl oder Sachbeschädigung. Tatsächlich zeigen aktuelle Zahlen vom Innenministerium zur Kriminalität an Schulen in NRW: Das Entwenden fremden Eigentums und Körperverletzung sind die häufigsten Straftaten in und an den Bildungseinrichtungen.

Herbert Reul: „Es wird nicht einer geschubst, sondern man tritt drauf“

„Es wird nicht einer geschubst auf dem Schulhof, sondern man tritt drauf. Warum ist da die Hemmschwelle weg, was ist da passiert?“, so Reul. Wenn es nach dem AfD-Abgeordneten Markus Wagner geht, ist die Antwort bereits klar: Die staatlichen Corona-Maßnahmen mit Schulschließungen, Bildungsverlust und fehlenden Kontakten seien eine wesentliche Ursache für die „explosionsartige“ Zunahme: „Das war ein Verbrechen an unseren Kindern, und jetzt haben wir Kinder als Verbrecher“.

Schon vor Monaten äußerte der NRW-Innenminister eine ähnliche Theorie „Wenn Sie so wollen, sind die Zahlen der Beweis dafür, dass die Pandemie unsere Kinder verändert hat“. Doch im Diskurs gehen die Meinungen dazu auseinander. Eine Kriminologin sagte vor kurzen, dass Reul es sich mit der These zu einfach mache – es handele sich um eine jahrelange Entwicklung.

Ein Kind schlägt ein anderes Kind
Immer mehr Kinder in NRW kriminell, häufig sind auch ihre Opfer von sehr jung. (Symboldbild) © Oliver Berg/dpa

Scheinsicherheit durch einfache Antworten zur Jugendkriminalität ist „lebensgefährlich“

Auch der CDU-Politiker ist sich mittlerweile nicht mehr so sicher: Ob es etwas mit der Isolation der Kinder in den Coronazeiten zu tun habe, einem veränderten Erziehungsverhalten oder auch mit Gewalt im Netz, könne derzeit niemand verlässlich sagen. Deshalb warne er davor, den Menschen mit einfachen Antworten Scheinsicherheit vorzugaukeln: „Es ist lebensgefährlich für unser Zusammenleben, wenn wir dieses Spiel betreiben oder zulassen“, so Reul in Richtung der AfD. Auch sein Unionskollege Gregor Golland warnte vor kleinem parteipolitischen Karo: „Wir können alle gemeinsam schlauer werden“.

Gleichzeitig dämpfte der NRW-Innenminister schon vor Start die Erwartungen an die Regierungsstudie: Eine unabhängige wissenschaftliche Studie zu den Gründen sei sicher hilfreich, werde aber vermutlich keine eindeutigen Antworten liefern und könne auch der Politik keine Entscheidungen abnehmen. Die SPD-Abgeordnete Anna Kavena forderte deshalb multiprofessionelle Teams in Kitas und Schulen, die sich individuell um jedes Kind kümmern.

Jugendkriminalität in NRW: Polizisten in mehreren Städten greifen härter durch

Klar ist: Es muss etwas passieren. Zahlreiche Städte in NRW verzeichnen Probleme mit der Kinder- und Jugendkriminalität. So wird beispielsweise das Gebiet rund um das Centro in Oberhausen häufiger zum Schauplatz von Straftaten. In Gelsenkirchen hat die Polizei sogar eine die Ermittlungskommission König ins Leben gerufen – eigens zur Bekämpfung der Kinder- und Jugendkriminalität.

Auch die Polizistinnen und Polizisten aus Dortmund hatten genug: Bei einem Einsatz gegen Jugendkriminalität vor wenigen Wochen wurden in einer Nacht insgesamt 110 Personen kontrolliert: Das Ergebnis: Drogen, Diebesgut und eine Schreckschusspistole. Zwei 12-Jährige wurden bei einem Wohnungseinbruch auf frischer Tat ertappt. Drei 11-, 13- und 14-Jährige wurden nach einem Raubüberfall mit einer Beute von 3,52 Euro gestellt. (mg, mit dpa)

Auch interessant

Kommentare