Polizist über Zustände in Marxloh: „Müll fliegt einfach aus dem Fenster“

Marxloh gilt als Brennpunkt-Stadtteil von Duisburg. Vieles sei nur Klischee, sagt der Bezirksbeamte der Polizei. Doch es entwickelt sich ein neues Problem.
Duisburg – Andreas de Fries kennt jeden Winkel in seinem Kiez. Manche nennen ihn den „Sheriff von Marxloh“. Die Daumen lässig im Gürtel eingehakt, steht er vor dem Polizeirevier und blickt auf den August-Bebel-Platz. Der Polizeihauptkommissar arbeitet seit 31 Jahren in Duisburg-Marxloh, er ist der hiesige Bezirksbeamte. „Das ist meine Heimat“, sagt er. Sein Revier gilt als Brennpunkt, Marxloh hat keinen guten Ruf. Dabei sei vieles nur Klischee, sagt de Fries – und wenn einer von „No-Go-Area“ spricht, mag er das gar nicht.

Duisburg-Marxloh: „No-go-Area will ich nicht mehr hören“
Vor ein paar Jahren hatte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) den Begriff geprägt, nachdem es immer wieder brutale Auseinandersetzungen zwischen Clans und Rockerbanden gegeben hatte. „Das will ich nicht mehr hören. Ich fühle mich den Marxlohern verbunden und das soll mir keiner von außen kaputtmachen“, sagt de Fries energisch. Und es werde besser in seinem Stadtteil, sagt der Polizist und hat Zahlen parat: Im Dellviertel, der Ausgehmeile in Duisburgs Innenstadt, habe es im letzten Jahr 75 Raubüberfälle gegeben. „Und in Marxloh waren es weniger, nämlich 40.“
Weniger „Tumultlagen“ in Marxloh
Nur: Aus dem Nichts kommen die Marxloh-Klischees sicher nicht. Zwar gilt die Brautmodenmeile an der Weseler Straße als „das Wunder von Marxloh“, als Beispiel gelungener Stadtentwicklung. Gleich um die Ecke am Pollmannkreuz aber hängen seit ein paar Jahren Kameras der Polizei: Sie sollen das Sicherheitsgefühl der Menschen erhöhen, das Viertel ist ein Kriminalitätsschwerpunkt. Überfälle und Diebstähle gehören nach wie vor zum Alltag, und auch die Clan-Kriminalität ist immer noch ein Thema in Duisburg-Marxloh. Immerhin: Die „Tumultlagen“, wie de Fries sie nennt, seien weniger geworden. Das liege auch an der eigens eingerichteten Einsatzhundertschaft in Duisburg-Marxloh, die für mehr Polizeipräsenz auf den Straßen sorgt. Dafür gibt es jetzt neue Probleme im Viertel, berichtet 24RHEIN.

Immer noch seien vor allem drei kriminelle sogenannte Clans in Duisburg-Marxloh aktiv. Und jetzt machten sich Banden vornehmlich rumänischer oder bulgarischer Herkunft breit, sagt de Fries. Dahinter stecke ein System: „Die Leute ziehen durch halb Europa, durch Großbritannien, Spanien, Italien. Das Ziel: Erwerb von staatlichen Transferleistungen“, berichtet der Bezirksbeamte. Die hierarchisch strukturierten Banden würden Leute nach ihren Fähigkeiten einsetzen, etwa zum Betteln schicken oder zu Betrügereien nötigen. Viele seien selbst Opfer der Bandenstruktur.
„Leute halten ihren Hintern aus dem Fenster, um sich zu erleichtern“
Mehrere Tausend der 21.000 Marxloher sind bulgarischer oder rumänischer Herkunft. Ganz genau weiß man das nicht, da nicht alle gemeldet sind. Die meisten würden nur ein paar Monate hier leben, bevor sie weiterzögen und andere nachkämen, sagt de Fries. Und viele der Menschen würden in prekären Verhältnissen hausen. In manchen Vierteln von Marxloh türmen sich regelrechte Müllberge an den Straßen.
„Der Müll wird dort aus den Fenstern geworfen. Leute machen den Ölwechsel vom Auto über dem Gully. Und es kommt vor, dass Leute ihren Hintern aus dem Fenster halten, um sich zu erleichtern“, erzählt der Polizist. Er habe selbst in einem der Häuser erlebt, wie ein Kind aus einem oberen Stockwerk durchs ganze Treppenhaus uriniert habe.
Neue harte Drogenszene in Duisburg-Marxloh
Die neuen Nachbarn treffen auf Menschen, die schon lange in Marxloh Wurzeln geschlagen haben – und das berge Konflikte. „Wir haben eine seit Jahrzehnten gewachsene türkische Community. Und da kommt es nicht gut an, wenn jetzt neuerdings Leute mit freiem Oberkörper und dicken Goldketten durch die Straßen marschieren“, sagt de Fries. Natürlich dürfe man nicht alle über einen Kamm scheren, das sei ihm wichtig: „Aber es gibt Tendenzen.“
Schwerwiegender noch ist eine neue Drogenszene, die sich im Umfeld der Zuwanderer entwickelt habe: Es geht um harte Drogen, Heroin. Das gab es in der Form früher nicht, so de Fries: „Wir beobachten das seit etwa zwei Jahren.“
„Man muss ein besonderer Schlag Polizist in Marxloh sein“
Wie will die Polizei den neuen Entwicklungen Einhalt gebieten? „Einerseits mit Repressionsmaßnahmen“, erklärt der Beamte. „Aber auch, indem man mit den Leuten in Kontakt kommt, mit ihnen redet und klarmacht, was geht und was nicht.“ Als Polizist in Marxloh müsse man offen sein, sich auf Neues einlassen: „Man muss ein besonderer Schlag Polizist sein, wenn man in Marxloh arbeitet“, sagt de Fries. Die Stadt derweil hat ein gänzliches neues Projekt in Planung: Marxloh soll zu einem sogenannten Ankunftsstadtteil werden. (pen)