Interview: NRW-Minister Karl-Josef Laumann über die Azubi-Welt des Handwerks

Düsseldorf – Ob Bäcker, Steinmetz oder Dachdecker - die Berufe im Handwerk sind vielfältig und zukunftsträchtig. Trotzdem herrscht vielerorts Fachkräftemangel - während gleichzeitig Bewerber ohne Ausbildungsplatz bleiben. Im Interview mit NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) geht's um die Azubi-Welt im Handwerk - passend zur Kampagne "Traumberufe im Handwerk".
„Traumberufe im Handwerk“ lautet der Titel einer crossmedialen Kampagne, die am 1. Juni gestartet ist. Im 14-tägigen Rhythmus erscheinen unter www.traumberufe-nrw.de multimediale Inhalte sowie in unseren Zeitungen Sonderseiten zu unterschiedlichen Ausbildungsberufen. Handwerksmeister, Auszubildende & Co. werden über ihr Berufsbild und die Tätigkeit mit den heutigen Möglichkeiten und Perspektiven berichten.
Alexander Schäfer sprach passend dazu mit NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) über die Azubi-Welt des Handwerks.
Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer denkt laut über Ablösesummen für Nachwuchskräfte nach, die gleich nach der Lehre von anderen Unternehmen abgeworben werden. Was halten Sie davon?
Karl-Josef Laumann: Ich kann den Gedanken nachvollziehen, auch weil ich weiß, dass gezielt abgeworben wird. Aber ich glaube, dass er in der Praxis nicht umsetzbar sein wird. Der Azubi müsste verpflichtet werden, nach der Ausbildung im Betrieb zu bleiben. Auf der anderen Seite sagt das Handwerk, dass es mit dem Ausbildungsvertrag keine Übernahmegarantie geben will. Für eine Ablösesumme fehlt mir die Idee für eine gerechte und praktische Umsetzung. In dem Fall finde ich es gut, dass eine Diskussion über den Wert der Ausbildung angestoßen wird. Dahinter steckt das Problem des Fachkräftemangels.
Wie bewerten Sie die Situation in den Kreishandwerkerschaften Hellweg-Lippe (Soest, Hamm, Unna)?
Laumann: Wir haben in der Region im Grunde schon heute Vollbeschäftigung. Und ich glaube nicht, dass sich die Situation im Bereich Handwerk entspannen wird. Sehr starke Jahrgänge werden in Rente gehen. In meinem Jahrgang haben nur etwa sieben Prozent Abitur gemacht, heute sind es 60 Prozent. Der Fachkräftemangel wird Regionen wie Südwestfalen über Jahrzehnte beschäftigen. Das hängt mit unserer Demografie zusammen.
Was kann Politik gegen den Fachkräftemangel tun?
Laumann: Wir werben für die duale Ausbildung. Mit den Kammern haben wir das Programm „Kein Abschluss ohne Anschluss“ aufgebaut. Wir informieren jetzt landesweit in den Schulen über die duale Ausbildung. Auch an den Gymnasien. Dafür setzen wir 50 Millionen Euro ein. Zwei andere Beispiele: Wir unterstützen die Teilzeitausbildung für Alleinerziehende, und wir finanzieren Lehrlingsprogramme für benachteiligte Jugendliche. Denn jeder, den wir zum Gesellenbrief bringen, hat eine gute Perspektive auf dem Arbeitsmarkt. Auf Bundesebene ist zudem ein Fachkräftezuwanderungsgesetz in Arbeit. Vollbeschäftigung gibt es aber nicht überall, im Ruhrgebiet gibt es immer noch mehr Bewerber als Stellen. Mich erstaunt immer das Problem der fehlenden Mobilität. In Münster finden sie keine Bewerber, dafür haben sie in Hamm mehr Bewerber als Stellen. Dazwischen liegen knapp 30 Minuten Zugfahrt. Wir hoffen, dass wir hier mit dem neuen Ausbildungsticket etwas verändern können.
Sie haben eine Ausbildung als Maschinenschlosser absolviert. Mit der heutigen Ausbildung dürfte das nicht mehr viel zu tun haben, oder?
Laumann: Meine Berufsausbildung ist 45 Jahre her. Das war eine andere Zeit, eine andere Technik. Wir hatten in der Gesellenprüfung keine EDV-gesteuerten Maschinen. Aber: Handwerk hat immer noch mit Denken und handwerklichem Geschick zu tun, das hat sich bis heute nicht verändert.
Was muss man im Jahr 2019 mitbringen für eine Ausbildung im Handwerk?
Laumann: Man muss mit Kopf und Händen arbeiten wollen, und man muss die Liebe zum Gestalten mitbringen.
Was raten Sie Betrieben und Unternehmen, die händeringend Nachwuchs suchen?
Laumann: In der Außendarstellung muss rüberkommen, dass es sich um einen modernen Betrieb handelt, der mit modernen Maschinen und Produkten arbeitet. Es geht auch um gute Mitarbeiterführung und Wertschätzung. Ganz wichtig ist, dass man den jungen Menschen etwas bietet. Damit meine ich nicht nur die Ausbildungsvergütung, sondern vor allem eine anspruchsvolle Ausbildung. Unternehmen, die dafür bekannt sind und ein gutes Image haben, haben nach wie vor gute Bewerber. Ich rate den Betrieben dazu, sich um die Praktikanten aus den Schulen zu kümmern. Das ist für viele der erste Kontakt mit einem Handwerksbetrieb. Wenn die dann hinterher mit einem positiven Bild nach Hause gehen, macht das schon viel aus.

Sie wollen auch mehr Abiturienten fürs Handwerk begeistern?
Laumann: Den Kampf gegen die vorherrschende Meinung, dass die jungen Menschen Abitur machen sollen und wollen, werden wir nicht gewinnen. Viele Jahre haben Handwerksmeister das beklagt. Diese Debatte sollten wir vergessen. Statt dessen muss die duale Ausbildung auch für Abiturienten interessant werden. Deshalb haben wir „Kein Abschluss ohne Anschluss“ auf alle Gymnasiasten ausgeweitet. Die müssen sich mit dem Handwerk beschäftigen, denn wenn sie diese Welt gar nicht erst kennenlernen, können sie sich auch nicht bewusst dafür oder dagegen entscheiden. Wir sind es den jungen Menschen schuldig, dass sie die Welt des Handwerks kennenlernen. Der Anspruch an unser Bildungswesen muss sein, dass es unterschiedliche Berufswelten aufzeigt. Es gibt aber leider immer noch viele Gymnasien, die so geprägt sind, dass sie nur dafür da sind, die Kinder zum Studium hinzuführen. Ich will das nicht gegeneinander ausspielen. Wenn aber 60 Prozent eines Jahrgangs Abitur machen, dann haben auch diese Schulen eine Verantwortung für die duale Ausbildung.
Gute Arbeit bei fairem Lohn ist ein Schlagwort von Politik und Gewerkschaften: Die Verdienstmöglichkeiten für Handwerker haben sich bereits verbessert. Muss da noch mehr passieren?
Laumann: Wenn der Arbeitsmarkt von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt wechselt, dann führt das zu einer besseren Bezahlung und zu besseren Arbeitsbedingungen. Ein Unternehmen muss heute attraktiv sein. Das hat mit Geld, aber auch mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder Pflege und Beruf zu tun. Auch im Handwerk wird man sich daran gewöhnen müssen, dass junge Männer Elternzeit nehmen.
Braucht das Handwerk denn auch mehr Frauen?
Laumann: Ja. Wir müssen unbedingt mehr Mädchen für technische Berufe interessieren. Hier besteht eine große Chance. Weil die Technik sich weiterentwickelt hat, ist zum Beispiel körperliche Kraft nicht mehr so entscheidend. Heute können Frauen auch als Schlosser arbeiten, zu meiner Zeit war das kein Thema. Es gibt immer weniger reine Frauen- oder Männerberufe.

Wie finden Sie die Aktion „Traumberufe im Handwerk“?
Laumann: Dass sich regionale Kreishandwerkerschaften und regionale Medien zusammen tun, finde ich interessant. Ich hoffe, dass sie damit Erfolg haben werden. Leider verbinden viele Menschen Handwerk nicht mit Modernität. Dabei ist das Handwerk sehr wohl modern, die Digitalisierung ist hier längst Realität. Die jungen Menschen wollen in moderne Berufe, und das Handwerk ist nicht nur die alte Zunft, sondern es ist hochtechnisiert. Wenn diese Information ankommt, ist viel erreicht. Außerdem: Wer heute einen Handwerksberuf erlernt, wird gute Berufschancen haben. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
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Was ist für Sie mehr Traumberuf? Minister oder Maschinenschlosser?
Laumann: Das kann man nicht so leicht miteinander vergleichen. Als Arbeitsminister habe ich jedenfalls meinen Traumjob gefunden.