Mendener Doppel-Mord heute bei Aktenzeichen XY: Wer hat Marion (35) und Tim (2) getötet?

Märkischer Kreis – Die Mörder von Marion Hesse und ihrem Sohn Tim wurden nie gefunden. Eine Spur führte ins Dortmunder Rotlichtmilieu. 30 Jahre nach der Tat greift "Aktenzeichen XY" den "Cold Case" aus dem Märkischen Kreis auf. Für die Ermittler die wohl letzte Chance, den Fall noch aufzuklären.
Am 27. Januar 1989 geht um 18.46 Uhr der erste Anruf bei der Feuerwehr ein. Gemeldet wird ein brennendes Auto an einem Strommasten in Menden.
In dem Wrack finden die Einsatzkräfte die verkohlten Leichen von Marion Hesse (35) und ihrem zweijährigen Sohn Tim. Sie wurden ermordet.
Am heutigen Mittwoch (6. Februar 2019) wird der Mendener Fall in der Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ (20.15 Uhr/ZDF) einem Millionenpublikum präsentiert – in der Hoffnung auf den einen, entscheidenden Hinweis.
Hier geht es zum ausführlichen TV-Trailer des ZDF mit dem Mendener Fall
Wir beantworten mit Hilfe des Leitenden Ermittlers Ralf Eickler von der Kriminalpolizei Hagen die wichtigsten Fragen zum „Cold Case“ aus dem Märkischen Kreis.
Wo wurden die Leichen entdeckt?
Der Fundort der Leichen befindet sich in den Schwitter Feldern auf einem Feldweg, der parallel zur B7 zwischen Menden-Schwitten und Menden-Brockhausen auf der südlichen und der Ruhr auf der nördlichen Seite verläuft.
Die Flammen waren weithin sichtbar. Nach der ersten Meldung folgten schnell weitere. Der Ort ist vom angrenzenden Wohngebiet und von der B7 gerade im Winter gut einsehbar. Hier steht auch das Elternhaus von Marion Hesse.
Gerade deshalb fragen sich die Ermittler, warum gerade diese Örtlichkeit ausgewählt wurde. Sie gehen davon aus, dass mindestens einer der Täter einen „persönlichen Bezug zu der Örtlichkeit“ hatte. „Ansonsten findet man diese Stelle erst gar nicht“, sagt Ralf Eickler.
Wie war die Auffindesituation?
Als die Feuerwehr eintrifft, brennt der metallicgraue VW Passat Variant der neuesten Modellreihe (amtliches Kennzeichen MK-NA 8) in voller Ausdehnung. Zunächst muss die Feuerwehr davon ausgehen, dass sie es mit einem Unfall zu tun hat. Der Passat ist gegen den Betonfuß des Strommastens gefahren und in Brand geraten.

Im Inneren des VW herrschen Temperaturen von bis zu 1.000 Grad Celsius, das Auto brennt vollständig aus, viele Spuren werden zerstört. Nach den Löscharbeiten zeigt sich das ganze Ausmaß der Tragödie. Auf dem Fahrersitz sitzt die Leiche einer Frau. Die Untersuchung des Fahrzeugs ergibt später, dass sie angeschnallt war. Erst ein Gebissabgleich gibt den Ermittlern letzte Gewissheit, dass es sich tatsächlich um Marion Hesse handelte.
Auf dem Rücksitz des ausgebrannten Wagens finden die Feuerwehrleute dann die sterblichen Überreste eines Kleinkindes. Aufgrund der Auffindesituation gibt es laut Thomas Schmelzer, zuständiger Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Arnsberg, heute keinen Zweifel, dass es sich um Marions Sohn Tim handelt.
Warum geht die Polizei von Mord aus?
Schnell steht fest: Der Unfall ist inszeniert. Ein KfZ-Sachverständiger überprüft die Schäden in der Frontpartie und kommt zu dem Schluss, dass die Aufprallgeschwindigkeit sehr gering war – niemals hätte das Auto dadurch in Brand geraten können. Das Getriebe befand sich im zweiten Gang. Möglich ist aber auch, dass der Passat gegen den Betonpfosten geschoben wurde. Innerhalb des Fahrzeug wurden Spuren gefunden, die auf den Einsatz von Brandbeschleuniger hindeuten. Die Ermittler gehen davon aus, dass das Benzin im Auto verteilt wurde. Entzündet wurde es über eine Benzin-Spur, die die Täter wie eine Lunte zum Fahrzeug gelegt hatten.
Ist der Fundort auch der Tatort?
Nach Stand der Ermittlungen ist es zumindest nicht der einzige Tatort. Laut Hauptkommissar Ralf Eickler waren Mutter und Sohn entweder betäubt oder schon tot, als das Fahrzeug in den Schwitter Feldern in Flammen aufging. Daraus schließen die Ermittler, dass es mindestens zwei, wahrscheinlich aber mehr Täter gibt. Einer der Täter muss demnach den VW Passat von einem unbekannten ersten Tatort an den späteren Fundort gefahren haben. Anschließend wird Marion Hesse auf den Fahrersitz gesetzt, um es so aussehen zu lassen, als wenn sie selbst am Steuer gesessen hätte. Tim wird im Kindersitz festgeschnallt.
Haben Zeugen etwas Verdächtiges gesehen?
Mehrere Zeugen berichten von einem auffälligen großen Geländewagen, den sie in den Schwitter Feldern zum Zeitpunkt des Brandes gesehen haben wollen. Laut Beschreibung hat der Wagen eine lange Motorhaube, eine steile Frontscheibe und ein steil abfallendes Heck.
Diese Beschreibung passt auf eine Mercedes-Benz G-Klasse, aber auch auf andere Fahrzeuge wie einen Jeep Cherokee. „Wir sind diesen Hinweisen damals sehr akribisch nachgegangen und haben unter anderem Listen mit Haltern dieser Fahrzeuge überprüft“, berichtet Ermittler Eickler. Eine heiße Spur ist allerdings nicht dabei.
Wann wurden Marion und Tim Hesse zum letzten Mal lebend gesehen?
Laut Polizeiakten erhält Marion Hesse am Mittag des 27. Januar 1989 einen Anruf ihres Mannes. Darin bittet sie der als Steuerberater tätige Unternehmer ihm eine Mandanten-Akte von Menden nach Dortmund zu bringen. Um circa 15 Uhr macht sich Marion Hesse mit Sohn Tim mit dem VW Passat auf den Weg nach Dortmund.
Um circa 15.30 Uhr trifft sie sich wie verabredet mit ihrem Ehemann an der Aral-Tankstelle in direkter Nachbarschaft zum Hotel Wittekindshof an der B1. In der nahegelegenen Kleingartenanlage macht die Familie einen Spaziergang. Zwischen 16.30 und 17 Uhr trennen sich die Wege des Paares. Während der Ehemann, laut Ralf Eickler „ein bekennender Sportwagenfahrer“, mit seinem Porsche 911 zum Mandantentermin fährt, will Marion Hesse zurück nach Menden fahren. „Was zwischen diesem Moment und dem Auffinden des Fahrzeugs an dem Strommast passierte, liegt noch im Dunkeln“, sagt Ermittler Eickler. Gemeint ist die Zeit zwischen 17 Uhr und 18.46 Uhr. So ist nicht klar, welche Strecke Marion Hesse nach Menden nimmt. Die naheliegendsten Routen von Dortmund zu ihrem Wohnhaus führen entlang stark befahrener Straßen.
Wann und wo sie auf ihre Mörder trifft, steht nicht fest. Vermutet wird, dass sie auf dem Weg nach Menden abgepasst wird und aus freien Stücken anhält – vielleicht weil sie ihre Mörder kennt? Sicher ist, dass Marion Hesse zwischenzeitlich nicht mehr nach Hause zurückgekehrt ist.
Welche Spur verfolgt die Kriminalpolizei?
Die Ermittler glauben, dass der Mord im Zusammenhang mit den Geschäftstätigkeiten des Ehepaares steht. So werden ihm Kontakte ins Dortmunder Rotlichtmilieu nachgesagt. Zumindest in einem Fall ist das auch dokumentiert. So ist das Ehepaar Hesse an einem „Bistro in Dortmund“ beteiligt, das auch von Geldgebern finanziert wird, die nach Ansicht der Ermittler dem Rotlichtmilieu zuzuordnen sind.
„Es spricht vieles dafür, dass es sich um einen Auftragsmord handelt“, sagt Hauptkommissar Ralf Eickler, der betont, dass der Ehemann zu keinem Zeitpunkt als Tatverdächtiger galt. Der Steuerberater gibt an, dass es keine Drohungen gegen ihn oder seine Familie gegeben hat. Die Kripo bestätigt das.
Ein überzeugendes Motiv für den Mord hat die Polizei bislang nicht gefunden, gleichwohl muss die Ausführung des Mordes und die Auswahl der Opfer als Botschaft verstanden werden – die Frage ist nur: an welchen Adressaten?
Warum wenden sich die Ermittler gerade jetzt an die Öffentlichkeit?
Weil sie jetzt auf den einen entscheidenden Hinweis hoffen. Nach 30 Jahren verjähren außer Mord alle anderen Straftatbestände. Die Ermittler gehen davon aus, dass es bei Taten wie einem möglichen Auftragsmord mehrere Personen gibt, die die Hintergründe kennen.
Ermittlungen zum Doppel-Mord werden wieder aufgenommen
„Der Gang an die Öffentlichkeit ist auf Personen ausgerichtet, die jetzt reinen Tisch machen wollen“, sagt Ralf Eickler, der in dem Fall seit 18 Jahren ermittelt. Noch immer gilt die Belohnung von 100.000 Mark, die heute in Euro ausgezahlt würde.
Dass es Mitwisser gibt, steht für Ralf Eickler fest: So wurde wenige Wochen nach der Tat ein Brief auf dem Grab der Opfer gefunden. Darin erklärte der Briefeschreiber, dass er – ohne Polizei – gegen 50.000 Mark Informationen über die Täter liefere. Der Westfalenpost sagt Ermittler Eickler dazu: „Es gab kurze Zeit später einen Anruf bei der Familie. Der Anrufer sagte, man habe kein Interesse mehr, weil die Polizei doch eingeschaltet worden sei.“
Was treibt die Ermittler an?
Die Sendung „Aktenzeichen XY ist auch für die Ermittler so etwas wie die „letzte Chance“, den Fall doch noch aufzuklären. Die Wahrscheinlichkeit, noch lebende Zeugen zu finden, wird mit jedem Jahr geringer.
So meldete sich im vergangenen Jahr ein Mann, der von einer verdächtigen Begegnung auf einer Nordseeinsel berichtete. Ein Kellner gab an, die Familie zu kennen, doch auf Nachfragen reagierte er „unwirsch“ und brach das Gespräch ab. Die Kripo ermittelte den Namen des Kellners; er war zwischenzeitlich verstorben. Ralf Eickler lässt der Fall keine Ruhe. Er sei es auch den Angehörigen schuldig, sagt er.
Die inzwischen verstorbenen Eltern von Marion Hesse hätten sich ein Leben lang für die Aufklärung des Mordes eingesetzt.

In der Live-Sendung von Aktenzeichen XY am Mittwoch (6. Februar 2019) wird sich Hauptkommissar Eickler im ZDF-Studio persönlich den Fragen von Moderator Rudi Cerne stellen. Staatsanwalt Schmelzer verfolgt die Sendung daheim am Bildschirm. Für den Fall, dass es noch am Abend Hinweise gibt, so sagt er, stünde er sofort zur Verfügung.