Reuters eigene politische Linie ist fast schon Liberalismus in Reinform – auch mit Blick auf die Pandemie. „Die Grundrechtseinschnitte waren deutlich. Ich glaube daran, dass der Einzelne verantwortungsvoll handelt und der Staat nicht für alles einstehen kann, was passiert.“ Die Politik sei letztlich dafür da, den Rahmen zu stecken und Dinge möglich zu machen.
Das gelte auch für die Folgen des Ukraine-Kriegs. „Der Staat wird nicht alles bezahlen können“, sagt Reuter deutlich. Der Schuldendeckel für kommende Generationen müsse schließlich möglichst klein gehalten werden. „Auch das ist eine Form von Verantwortung.“
Anstatt Rettungsschirme aufzulegen müsse das Staat – und hier auch ganz explizit das Land – die Versorgung der Wirtschaft und der Menschen mit Energie sichern. Dafür sei der Ausbau der Erneuerbaren entscheidend. „Da geht mehr. Wir müssen dafür sorgen, dass die Energie dort ankommt, wo sie gebraucht wird. Rohrleitungen und Stromtrassen bauen.“
Bei solchen Projekten gelte es, die Menschen mehr mitzunehmen und einzubinden. „Klar haben die wenigsten Freude daran, wenn solche Trassen an ihrem Garten entlang laufen. Da müssen wir Akzeptanz schaffen“, so Reuter, der selbst auf zwei Windräder blickt, wenn er aus dem Fenster schaut. Transparenz sei dafür nötig. „Und es darf nicht der Eindruck entstehen, dass eh schon alles abgemacht ist, wenn die Bürger zu Wort kommen.“
Auch unbequeme Fragen müssten ehrlich diskutiert werden. Aus Sicht des ehemaligen Verlagskaufmanns lasse sich die Politik aber zu oft von Wahlterminen leiten. „Bei den entscheidenden Themen sind wir auch zu parteipolitisch unterwegs.“
Reuters persönliches Fazit nach fünf Jahren in Düsseldorf? „Ich hätte nicht gedacht, dass die politischen Entscheidungswege so lang und zäh sind.“ Es gehe viel Zeit für die tatsächliche Umsetzung verloren. „Von uns werden Lösungen erwartet. Da müssen wir besser werden.“
Reuter tritt daher für die Verschlankung von Planungsverfahren ein. „Es kann ja niemand erklären, warum Planungen – etwa für eine Straße – vier oder fünf Jahre länger dauern als letztlich die Bauzeit.“ Stichwort Straße: Bei der Umsetzung der B63n habe sich der verkehrspolitische Sprecher seiner Landtagsfraktion erhofft, mehr erreichen zu können. „Das gebe ich offen zu.“ Es sei gut, dass die Planung mittlerweile von Hamm aus erfolge.
Seine Chancen, erneut in den Landtag einzuziehen schätzt Reuter als gut ein, solange die FDP ähnlich abschneidet wie 2017. Damals lag ihr Anteil bei 12,6 Prozent. Umfragen zufolge könnten nun acht bis zehn Prozent herausspringen. Auf der Landesliste ist Reuter nur um einen Platz auf Position 27 geklettert. Es könnte also wieder ein langer Abend inklusive Zitterpartie werden, bis der 57-Jährige weiß, ob er weitere fünf Jahre regelmäßig mit dem Zug nach Düsseldorf pendeln darf.
Die insgesamt sechs Direktkandidaten zur Landtagswahl haben auf Einladung des Westfälischen Anzeigers und der Lippewelle eine Bus-Tour durch Hamm absolviert und an fünf Standorten zu wichtigen Themen diskutiert. Alle Inhalte und Aussagen sind hier als Podcast abrufbar.