Kriminelle Kinder in NRW: Die Tatorte haben eine Gemeinsamkeit
Immer häufiger begehen Jugendliche Straftaten in NRW. Aktuelle Zahlen zeigen, wo sich die Taten meist abspielen.
Köln – Die Entwicklungen sind besorgniserregend: Immer häufiger und immer früher werden Kinder in Nordrhein-Westfalen kriminell. Die Zahl der Straftaten von unter 14-Jährigen ist seit 2015 um mehr als 50 Prozent angestiegen. Im vergangenen Jahr war jeder fünfte Tatverdächtige noch nicht einmal 21 Jahre alt. Dabei rücken besonders Schulen und deren Umkreis immer wieder in den Fokus der Polizei. Zuletzt soll ein 17-Jähriger eine junge Frau erwürgt haben, die später auf dem Hof einer Grundschule in Recklinghausen von Kindern gefunden wurde. Abseits solcher extremen Fälle kommt es immer wieder zu Straftaten an NRW-Schulen, oft geht es um Raub, Erpressung und Körperverletzung.
Kriminelle Kinder: Viele Straftaten meist außerhalb des Unterrichts
Insgesamt verzeichneten die Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr knapp 25.000 Straftaten mit der „Tatörtlichkeit Schule“. Zu dieser Kategorie gehören Delikte in Schulgebäuden, dem dazugehörigen Gelände sowie dem unmittelbaren Umfeld der Bildungseinrichtung. Wichtig dabei: Nur weil die Schulen zum Schauplatz von Kriminalität werden, müssen die Taten nicht zwangsweise während des Schulbetriebs begangen worden sein. Aktuelle Zahlen aus dem NRW-Innenministerium zeigen: Tatsächlich sind sie das sehr häufig nicht.
Mit rund 9.000 Taten ist die Anzahl der Straftaten mit dem Erfassungshinweis „Ereignis Schule“ deutlich geringer, wie aus einer Antwort auf eine kleine Anfrage im Landtag NRW hervorgeht. Darunter fallen nur jene Delikte, die einen unmittelbaren schulischen Bezug aufweisen. Das bedeutet: Fast zwei Drittel der Straftaten an NRW-Schulen weist keine Verbindung zum eigentlichen Schulbetrieb auf.

Möglicherweise ist der Anteil sogar noch geringer, denn Delikte auf Klassenfahrten oder dem Weg zur Schule werden beim „Ereignis Schule“ dokumentiert, bei der „Tatörtlichkeit Schule“ hingegen nicht. Diese müssten für einen genauen Vergleich also abgezogen werden. Demnach hatten maximal 36 Prozent der Fälle an und in Bildungseinrichtungen auch wirklich etwas mit dem Schulbetrieb zu tun.
Kriminelle Kinder begehen mehr Straftaten in und um Schulen – Fälle mit Schulbezug zurückgegangen
Auffällig: Während die Straftaten mit der „Tatörtlichkeit Schule“ im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 um fast 20 Prozent angestiegen sind, sind die Vorfälle im Unterricht, auf Klassenfahrten oder auf dem Schulweg im gleichen Zeitraum zurückgegangen – um knapp 40 Prozent. Das Innenministerium von Minister Herbert Reul (CDU) sagte dazu: Im Jahr 2022 kam es „zu einer deutlichen Steigerung der Fallzahlen der Tatörtlichkeit Schule. Dieser Fallzahlenanstieg korrespondiert dabei mit der gestiegenen Zahl Tatverdächtiger unter 21 Jahren“.
Jugendkriminalität: Kriminelle Kinder gehen an Gelsenkirchener Schule auf Raubzüge
Bei den Straftaten mit der „Tatörtlichkeit Schule“ besonders häufig vertreten: Diebstähle. Fast jedes dritte Vergehen gehörte 2022 zu dieser Kategorie. Beim „Ereignis Schule“ ist der Anteil sogar noch ein Stück größer. In einigen weiteren Fällen blieb es hingegen nicht beim Entwenden von fremdem Eigentum, sondern es wurde Gewalt eingesetzt oder angedroht. 208-mal ermittelte die Polizei nach einem Raub, einer räuberischen Erpressung oder einem räuberischen Angriff an Schulen in NRW.
89 mal gab es eine solche Tat während des Schulbetriebs. Ein Beispiel: An der evangelischen Gesamtschule in Gelsenkirchen-Bismarck gingen Jugendliche Anfang des Jahres 2023 auf regelrechte Raubzüge. Mehrere Schüler zwischen 13 und 15 Jahren gaben an, bedroht, beraubt oder erpresst worden zu sein. Polizistinnen und Polizisten zogen mehrere Schüler aus dem Unterricht.
Jugendkriminalität: Kriminelle Kinder begehen viele Körperverletzungen an NRW-Schulen
Justiziable Drohungen waren im vergangenen Jahr keine Seltenheit in und an Schulen in NRW. Knapp 1.000 Straftaten in dem Bereich wurden 2022 von der Polizei erfasst. Erschreckend: Häufig bleibt es nicht bei einer Drohung: Mehr als 5.200 Körperverletzungen mit der „Tatörtlichkeit Schule“ wurden im vergangenen Jahr aktenkundig. Fast jede dritte davon war ein Fall von schwerer oder gefährlicher Körperverletzung. Im Unterricht, beim Schulsport oder auf Klassenfahrten gab es knapp 3.000 Körperverletzungen, jede vierte davon schwer oder gefährlich.
- Körperverletzung: Körperliche Misshandlung oder Schädigung eines anderen
- Gefährliche Körperverletzung: Angriff mit Gift oder anderen schädlichen Stoffen, bewaffneter Angriff, hinterlistiger Überfall, gemeinschaftlicher Angriff, lebensgefährliche Behandlung
- Schwere Körperverletzung: Opfer verliert nach Angriff das Sehvermögen, das Gehör, das Sprechvermögen, die Fortpflanzungsfähigkeit, ein wichtiges Glied des Körpers, erleidet eine Lähmung, eine geistige Krankheit oder eine Behinderung.
Jugendkriminalität: Viele Straftaten von kriminellen Kindern in Städten in NRW
Doch nicht nur auf dem Schulgelände treiben kriminelle Kinder und Jugendliche in NRW ihr Unwesen. In vielen Städten ist das gesamte Stadtgebiet von einem Anstieg der Jugendkriminalität betroffen. So kam es in den vergangenen Wochen und Monaten beispielsweise in der Innenstadt von Gelsenkirchen immer wieder zu Vorfällen. Die Entwicklungen haben ein solch immenses Niveau erreicht, dass die örtliche Polizei die Ermittlungskommission König ins Leben gerufen hat – eigens zur Bekämpfung der Kinder- und Jugendkriminalität.
Auch viele weitere Städte und Gemeinden sind von Jugendkriminalität betroffen: Das Gebiet rund um das Centro in Oberhausen wird ebenso häufiger zum Schauplatz von Straftaten. In Hamm sorgten mehrere Krawall-Kinder zuletzt für Unmut bei den Anwohnerinnen und Anwohnern. Dort wollen Stadt und Polizei nun härter durchgreifen.
In Dortmund überprüfte die Polizei bei einem Einsatz gegen Jugendkriminalität vor wenigen Wochen insgesamt 110 Personen in nur einer Nacht. Das Ergebnis: Drogen, Diebesgut und eine Schreckschusspistole wurden sichergestellt. Drei 11-, 13- und 14-jährige Kinder wurden zudem von der Polizei gestellt. Sie sollen einen Raubüberfall begangen und dabei 3,52 Euro erbeutet haben. Zwei weitere Minderjährige wurden in derselben Nacht bei einem versuchten Wohnungseinbruch auf frischer Tat ertappt – sie waren erst 12 Jahre alt. (mg)