1. wa.de
  2. NRW

Nach Galvanik-Großbrand in Iserlohn: Kindersandkästen meiden - Millionenschaden

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Lars Becker, Michael Schlösser, Markus Klümper, Simon Stock

Kommentare

null
© Feuerwehr Iserlohn

[Update 19.46 Uhr] Iserlohn - Nach dem Großbrand in der Produktionshalle eines Galvanikbetriebes am Sonntag in Iserlohn-Barendorf dauerten die Nachlöscharbeiten auch am Montagabend noch an. Zwölf der 18 Feuerwehrleute, die wegen Atemwegreizungen oder Übelkeit ins Krankenhaus gebracht wurden, sind wieder zuhause. In drei Ortsteilen sollen nach einer Empfehlung der Stadt Kindersandkästen vorläufig nicht genutzt werden.

Für die Bevölkerung bestand keine Gefahr, es seien keine Schadstoffe gemessen worden, betonte ein Sprecher der Feuerwehr. Gleichwohl riet die Stadt Iserlohn den Bewohnern der Stadtteile Iserlohner Heide, Hombruch und Nußberg mit Blick auf die Brandrückstände zu Vorsicht.

Demnach sollte Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten gründlich gewaschen und geschält werden. Oberflächen wie Fenster, Türen oder Kinderspielgeräte sollten auf sichtbare Brandspuren untersucht und gesäubert, Brandrückstände mit Handschuhen aufgesammelt und über den Hausmüll entsorgt werden.

Zudem sollten Kindersandkästen bis zum Vorliegen der Analyseergebnisse des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (Lanuv) vorsichtshalber nicht benutzt werden. Die Ergebnisse werden für Ende dieser, Anfang nächster Woche erwartet.

18 Feuerwehrleute ins Krankenhaus

Wie die Feuerwehr am Montagabend mitteilte, seien zwölf der 18 Einsatzkräfte, die wegen Atemwegreizungen oder Übelkeit ins Krankenhaus gebracht wurden, mittlerweile wieder zuhause. Rund 250 Einsatzkräfte brachten das Feuer am frühen Montagmorgen unter Kontrolle. Die Nachlöscharbeiten dauerten jedoch auch am Abend noch an.

Zur Brandursache äußerte sich die Polizei am Montagmittag in einer Pressemitteilung: "Nach ersten Ermittlungen des Brandermittlers der Polizei vor Ort kann das Gebäude nach Weisung der Bezirksregierung Arnsberg aufgrund der Kontaminierung und der Einsturzgefahr des Restgebäudes derzeit nicht betreten werden."

Und weiter: "Erst nach Absaugen sämtlicher Löschflüssigkeiten und nach Austrocknung darf das Gebäude zwecks Brandermittlung betreten werden. Mit der Brandermittlung wird zeitnah ein externer Sachverständiger beauftragt. Die Ermittlungen dauern an." Das bedeutet im Klartext, dass die Brandursache aktuell noch nicht ermittelt werden kann.

Der Geschäftsführer der Firma selbst sagte am Montagmorgen im Gespräch vor Ort mit come-on.de, dass er von einem technischen Defekt beim Hochtemperieren der Galvanikbecken ausgehe. 

Die Schadenshöhe sei noch nicht genau bekannt, aber: "Es geht auf jeden Fall in die Millionen", sagte ein Feuerwehrsprecher. 

Galvanik-Brand - das ist passiert:

Die rund 1000 Quadratmeter große Halle an der Baarstraße brannte bereits "in voller Ausdehnung", als die am Sonntagabend gegen 18.52 Uhr alarmierte Feuerwehr mit den ersten Kräften eintraf. Die Flammen schlugen meterhoch aus dem Dach, wie die eindrucksvollen Fotos der Feuerwehr Iserlohn belegen.

Das betroffene Gebäude des Unternehmens Gebrüder Becker selbst gilt nach dem Feuer als einsturzgefährdet. Dagegen wurden der Verwaltungsbau und ein Anbau nicht oder kaum vom Feuer beschädigt.

null
© Feuerwehr Iserlohn

Die Feuerwehr Iserlohn löste bereits kurz nach Eintreffen am Einsatzort am Sonntagabend gegen 19 Uhr "Stadtalarm" aus - sämtliche Löschzüge wurden damit alarmiert. Außerdem forderte die Iserlohner Wehr mehrere Löschzüge aus den Nachbarstädten an.

Schließlich war die Feuerwehr Iserlohn mit 140 Kräften im Einsatz. "170 weitere Einsatzkräfte aus dem Märkischen Kreis von Feuerwehr und Rettungsdienst unterstützten die Kollegen aus Iserlohn. Der Bereich Baarstraße in Höhe Barendorf wurde weiträumig abgesperrt", so die Feuerwehr am Montagmorgen.

null
© Feuerwehr Iserlohn

Aufgrund des Brandausmaßes seien mehrere Strahlrohre und zwei Wenderohre über Drehleitern vorgenommen worden. "Im späteren Einsatzverlauf kam auch noch ein Teleskopmast aus Dortmund zur Brandbekämpfung zum Einsatz", hieß es am Montag weiter.

Ein Teil des kontaminierten Löschwassers sei in den benachbarten Baarbach gelangt. "Erste Messungen des Landesamtes für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz (Lanuv) ergaben einen erhöhten pH-Wert im Wasser des Baarbachs. Im weiteren Messverlauf normalisierten sich die Werte. Um weitere Proben des kontaminierten Wassers nehmen zu können, kamen Trupps unter Chemiekalienschutzanzügen zum Einsatz", teilte die Feuerwehr mit. 

null
© Feuerwehr Iserlohn

Das kontaminierte Löschwasser werde durch ein Entsorgungsunternehmen aufgenommen und entsorgt. Rund 20 Feuerwehrleute hätten im Anschluss über Übelkeit und Atemwegreizungen geklagt, so dass an der Iserlohner Feuerwache eine Sichtung der Einsatzkräfte durch den Leitenden Notarzt des Märkischen Kreises habe vorgenommen werden müssen. Die Verletzten seien in umliegende Krankenhäuser transportiert worden. 

Anwohner wurden über Lautsprecherdurchsagen und die Warn-App Nina informiert, Fenster und Türen geschlossen zu halten. Die Rauchwolke war vor Einbruch der Dunkelheit kilometerweit im nördlichen Märkischen Kreis zu sehen. In sozialen Netzwerken wurden schnell zahlreiche Bilder von der Rauchsäule geteilt.

Messungen ergaben keine Hinweise auf Schadstoffe

Ob die Rauchgase eine Gefahr für die Bevölkerung darstellten, untersuchte der ABC-Zug des Märkischen Kreises. "Luftmessungen der Messkomponente des Märkischen Kreises im Umfeld des Brandes verliefen negativ", hieß es zunächst.

Aufgrund der massiven Rauchentwicklung musste ein in der Nähe befindliches Restaurant geräumt werden. "Zudem wurde die Bevölkerung über das Schadensereignis und dessen Rauchbelästigung über Durchsagen und die Warn-App NINA informiert. Die Polizei und Ordnungsamt befuhren einige Stadtteile Iserlohns und gaben über Lautsprecher die Informationen über das Schadensereignis bekannt. Ein Teil der Iserlohner Sirenen kamen auch zum Einsatz", so die Feuerwehr.

Bis Montagmorgen um ca. 5 Uhr galt die Empfehlung, in geschlossenen Räumen zu bleiben und Lüftungsanlagen auszuschalten. Der Rauch zog in Richtung der Ortsteile Iserlohner Heide, Iserlohn-Nussberg, Iserlohn-Zentrum sowie Teile von Hemer.

Eine große Schwierigkeit war die Lage der Firma. Die Feuerwehr musste ein Übergreifen der Flammen auf die benachbarte historische Fabrikenanlage Maste-Barendorf verhindern. Das Kulturdenkmal besteht aus knapp zehn Gebäuden. In der Anlage sind unter anderen Künsterateliers, ein Trauzimmer sowie ein Museum untergebracht. Der Bereich um die Anlage Maste-Barendorf ist ein beliebtes Ausflugsziel.

Halle ist einsturzgefährdet

Die betroffene Firma Gebrüder Becker an der B233 ist auf das galvanische Verzinken und thermatische Behandeln spezialisiert. Beim Galvanisieren werden metallische Schichten wie Kupfer, Nickel, Chrom, Zinn oder Messing auf andere Materialien aufgebracht. Das Unternehmen ist Zulieferer für die Automobilindustrie. 

Autofahrer mussten den Bereich an der Baarstraße weitgeräumig umfahren. Die B233 war komplett gesperrt.

Die Stadt hatte für weitere Informationen unter der Rufnummer 02371/2171234 ein Bürgertelefon eingerichtet.

Auch interessant

Kommentare