Keine Lust auf Smalltalk beim Friseur? Haareschneiden ohne Reden möglich
Haareschneiden ohne Smalltalk: Der Trend „Silent Cut“ erreicht NRW. In einem Salon in Münster lässt sich das Schweigen beim Friseur nun dazu wählen.
Münster - Waschen, Legen, Schweigen. Ein neuer Trend erreicht die Friseursalons: der „Silent Cut“, Haareschneiden ganz ohne Reden. Kein erzwungener Smalltalk über den letzten Urlaub, Stress auf der Arbeit oder das Wetter, nur Haare ab. Was als ein neuer Service für Kunden gedacht war, ist in Wahrheit auch eine Erleichterung für viele Friseurinnen und Friseure. Auch sie genießen bisweilen die Stille.
Stadt | Münster |
Bevölkerung | 314.319 (2019) |
Bürgermeister | Markus Lewe |
„Silent Cut“ in Münster: Haareschneiden ohne Smalltalk beim Friseur
„Reden gehört beim Friseur dazu - so hat man sich das angewöhnt, so ist es eingeübt“, sagt Stephanie Oldach. „Ich rede gerne mit Kunden, viele kennt man ja auch schon näher. Aber manchmal ist Reden anstrengend, es nimmt einem viel Energie - und das alles nur, weil man meinte, man muss es tun“. Sie bietet in ihrem Salon „Raum für Haare“ in Münster-Hiltrup seit kurzem den „Silent Cut“ an und stellt fest: Über das Schweigen zwischen Friseur und Kunde wurde bislang viel zu wenig geredet.
Der „Silent Cut“ hat einen Nerv getroffen. Als der Begriff zu Beginn des Jahres aufploppte, war er - ironischerweise - ein großes Gesprächsthema. „Viele Kunden haben uns direkt darauf angesprochen“, sagt Stephanie Oldach. Sie reagierte schnell. Der „Silent Cut“ ist nun eine auswählbare Option bei der Online-Buchung. Einige Kunden haben sie bereits angeklickt, die Nachfrage ist offenbar da. „Begrüßung, Besprechung, und dann ist jeder ruhig“, sagt Oldach zu dem Service. Er ist natürlich kostenlos.

„Silent Cut - da hat eine Sache einen Namen bekommen, die es immer schon gab“, sagt Sigrid Rottmann von „Rottmann Rüther - Friseure in Münster“ mit Filialen an der Frauenstraße und der Warendorfer Straße. Erfahrene Friseurinnen wissen: Wenn der Kunde etwa die Augen schließt, sich eine Zeitschrift nimmt oder darüber spricht, wie gut ihm Ruhe tut, dann ist Small Talk unerwünscht. Zeichen sind gut, doch ein offenes Wort wäre besser. „Ich fände es gut, wenn jemand deutlich sagt, dass er nicht reden will“, sagt Sigrid Rottmann.
„Silent Cut“ in Münster: Stille lässt sich bei „Raum für Haare“ online dazu buchen
Doch das passiert selten. Stattdessen kommt es immer wieder zu Situationen, die jeder kennt: Der Kunde will eigentlich nicht reden, redet dann aber doch - weil das Schweigen unangenehm ist, er es als unhöflich empfindet oder weil es beim Friseur eben einfach dazugehört. Und die Friseurin würde nach sechs Stunden Sprechen vielleicht auch gerne mal schweigen und sich auf ihre Arbeit konzentrieren, aber der Kunde ist halt König. Am Ende reden doch beide, obwohl es keiner will.
„Dass man einen Namen wie ,Silent Cut‘ braucht, ist eigentlich traurig, aber wenn es eine Sensibilität für das Thema schafft und es Kunden vielleicht das Unangenehme am Schweigen nimmt, ist das gut“, sagt Rottmann. Die Diskussion könne Kunden Türen öffnen: „Es ist völlig okay, wenn du nicht reden möchtest, du sollst dich hier wohlfühlen“, so Rottmann. Umgekehrt müssen auch ihre Mitarbeiterinnen wissen: „Wenn eine Kundin mal nichts sagt, hat das nichts mit dir zu tun“.

„Silent Cut“ in Münster: Einige Kunden genießen das Schweigen, Friseurinnen auch
Der Trend zum Schweigen ist in London aufgekommen und hat Nordrhein-Westfalen über den Umweg Berlin erreicht. „Wenn Friseure Silent Cuts bewusst bewerben, können sie damit vielleicht eine Zielgruppe ansprechen, die genervt ist von vielen Gesprächen beim Friseur“, sagt Antonio Weinitschke, Art Director beim Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks. „Der Trend geht wahrscheinlich auch eher dahin. Der Alltag ist hektisch genug, viele Leute wollen einfach entspannen und eine Auszeit haben.“
Auf der anderen Seite hat die Corona-Pandemie und all die Aufregung um Einschränkungen im Alltag dazu beigetragen, dass der Wunsch nach Ruhe bei einigen Friseurinnen und Friseuren immer stärker wurde. „Es gab eine Zeit, da wurde nur noch über Corona geredet. Diese Gespräche haben eine Mitarbeiterin so belastet, dass sie ganz aus dem Beruf rauswollte“, erzählt Stephanie Oldach. Zumindest dieses Thema ist durch. Seit dem 1. März 2023 gibt es in NRW nur noch eine einzige Corona-Regel.
Bei „Kopfwerk - Gil & Völker Friseure“ an der Wolbecker Straße in Münster wird der „Silent Cut“ nicht angeboten - zumindest nicht als namentlich genannte Möglichkeit, schließlich „hat jeder Kunde das Recht zu sagen: Ich möchte nicht reden“, sagt Mirjam Völker. „Wir können aus dem Friseur-Handwerk keinen schweigenden Beruf machen“, sagt sie. Es gebe tolle Gespräche mit Kunden, aber „manchmal ist es angenehm zu schweigen“ - nicht nur wegen lauter Föhngeräusche im Hintergrund.
Man muss halt nur darüber reden.