"Der Hund ist ein Familienmitglied": Warum die Tiertafel mehr ist als Almosen

Seit sich die Tiertafel in Werne vor zwei Jahren gegründet hat, besucht Barbara Drewa die Ausgabe für bedürftige Tierhalter. Die 73-Jährige kann es sich nicht leisten, Futter für ihre elfjährige Hündin Julchen zu kaufen. Den Hund weggeben – das ist Drewa noch nie in den Sinn gekommen. Zu viel bedeutet ihr das Familienmitglied.
Werne – Julchen lebt von klein auf bei der Familie Drewa in Werne. Sie ist krank. Jeden Monat muss Barbara Drewa für die Hundedame ein Medikament kaufen – für 50 Euro. „Das muss ich von meinem Lebensunterhalt abzweigen“, sagt Drewa. Und der ist nicht sonderlich hoch: Die 73-Jährige war ihr Leben lang Hausfrau und Mutter, hat drei Kinder groß gezogen. Ihr Mann (73) war Schlosser. Die Einkünfte im Alter reichen nicht, sie beziehen Grundsicherung.
„Damals, als wir den Hund gekriegt haben, mussten wir noch nicht zum Sozialamt“, sagt Drewa. Ob sie jemals daran gedacht hat, die Hündin abzugeben? Die 73-Jährige drückt Julchen fest an sich. „Was für ein Mensch gibt dann den Hund ab?“

Der Hund sei ein Familienmitglied, niemals würde sie ihn weggeben – und das, obwohl Julchen sie finanziell belasten würde. „Mein Mädchen kriegt hier ihr Gnadenbrot.“ Sie tätschelt die Hündin.
Die Tiertafel kam dem Ehepaar Drewa damals gerade recht. Ihre Tochter Sonja Elberfeld hat im Juli 2017 den Verein mitgegründet. „Ich weiß noch, wie das auf der Kamener Straße angefangen hat“, erinnert sich Drewa. „Alle waren begeistert.“ Sie ist stolz auf ihre Tochter – und unendlich dankbar, dass es in Werne ein solches Angebot gibt. „Es wäre wunderschön, wenn es überall eine Tiertafel geben würde.“
Wer wenig habe, der würde ein solches Angebot schätzen. „Das war damals ein Schuss ins Glück.“
Verein braucht mehr aktive Mitglieder
Dass die Tiertafel in Werne auf so positives Feedback stößt und auch nach zwei Jahren noch immer so gut angenommen wird, freut Andrea Garthe und ihr Team. Die erste Vorsitzende des Vereins könne sich vorstellen, wie niederschmetternd die Situation sein muss, in die Bedürftigkeit zu rutschen. „Und wenn ich dann noch meine Tiere verlieren würde...“.
Über die Hälfte der Tierhalter, die der Verein registriert hat, seien in der Altersarmut. Ihre Tiere würden ihnen Halt geben und seien Familienmitglieder. Doch um die Tiertafel weiterhin als gemeinnützigen Verein betreiben zu können, braucht das Team mehr helfende Hände.
Zwar sei die Mitgliederzahl in den vergangenen Monaten durch Mundpropaganda gut gewachsen – mittlerweile hat der Verein 50 Mitglieder, 20 davon helfen aktiv bei der Futterausgabe an die 43 Bedürftigen in Werne. „Wir brauchen aber mehr Menschen, die sich aktiv einbringen“, sagt Garthe.

Und dabei geht es nicht immer nur um die Futterausgabe, die jeden dritten Mittwoch im Monat von 15 bis 18 Uhr stattfindet. Momentan verlangt die Versicherung ein Schloss für den Futter-Container, in dem der Verein – außer in den Sommermonaten – sein Futter lagert. „Wir finden niemanden, der uns das Container-Schloss kostenfrei installieren kann“, sagt Michael Szopieray, Schatzmeister des Vereins.
Mit neuen Mitgliedern möchte die Tiertafel auch wachsen. Um in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen zu werden, wird das Team beispielsweise auf dem Werner Familienflohmarkt vertreten sein. Und auch seine Internetseite hat der Verein vor Kurzem aktualisiert – und mit neuem Logo aufgewertet.