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"Klima-Nationalist ist keine Beleidigung": Werner Umweltaktivist im Interview

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Von: Sharin Leitheiser

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Overmann Umwelt Fridays for Future
Clemens Overmann macht schon seit 40 Jahren auf umweltpolitische Missstände in Werne aufmerksam. Über ihn und seine leidenschaftlichen (aber trotzdem nicht humorlosen) Aktionen berichteten zahlreiche Medien. © Eickmann

Werne – Ganz Werne kennt ihn als sympathischen Lebensmittelhändler aus der Fußgängerzone. Und das schon seit 1977. Aber Clemens Overmann kann auch anders, besonders, wenn es um die Umwelt geht.

WA-Mitarbeiterin Sharin Leitheiser hat ihn zum Interview getroffen.

Viele Menschen hören genau dann auf, an die Umwelt zu denken, wenn es sie zu sehr in ihren Gewohnheiten einschränkt. Herr Overmann, wie weit geht Ihr Einsatz für die Umwelt?

So weit, dass ich mich 1991 selber angezeigt habe. Und zwar, weil ich Winterbirnen verkauft habe, die wegen ihrer doch recht beschaulichen Größe gegen eine EU-Richtlinie verstoßen haben. Ich musste sogar Beschwerde einlegen, bis endlich jemand aus Düsseldorf kam, um bei mir in der Küche 44 Kilo Birnen zu vermessen – die dann übrigens 87 Prozent zu klein waren, wenn ich mich recht erinnere. 

So weit, dass ich mich 1991 selber angezeigt habe. Und zwar, weil ich Winterbirnen verkauft habe, die wegen ihrer doch recht beschaulichen Größe gegen eine EU-Richtlinie verstoßen haben. Ich musste sogar Beschwerde einlegen, bis endlich jemand aus Düsseldorf kam, um bei mir in der Küche 44 Kilo Birnen zu vermessen – die dann übrigens 87 Prozent zu klein waren, wenn ich mich recht erinnere. 

Als der Bußgeldbescheid endlich kam, war ich bereit, bis zum Europäischen Gerichtshof Widerspruch einzulegen. Leider kam es nie zur Klage, weil Bärbel Höhn, die damalige Umweltministerin des Landes NRW, vorher eingelenkt und das Verfahren beendet hat. So etwas ist doch ein Witz, und das wollte ich mit meiner Selbstanzeige deutlich machen.

Als der Bußgeldbescheid endlich kam, war ich bereit, bis zum Europäischen Gerichtshof Widerspruch einzulegen. Leider kam es nie zur Klage, weil Bärbel Höhn, die damalige Umweltministerin des Landes NRW, vorher eingelenkt und das Verfahren beendet hat. So etwas ist doch ein Witz, und das wollte ich mit meiner Selbstanzeige deutlich machen.

Was betrachten Sie als Ihren größten umweltpolitischen Erfolg?

Für mich persönlich: Die Neuland-Fleisch GmbH 1990 mit aufgebaut zu haben, weil ich die Massentierhaltung schon zehn Jahre vor allen anderen satt war und an meiner Fleischtheke keine Wurst aus Massentierhaltung verkaufen wollte. Ein Durchschnittsschwein lebt heutzutage auf 0,7 Quadratmetern, eine Legehenne auf einem DIN A4-Blatt. Bei zehn Prozent mehr Platz spricht man schon von ,Tierwohl’. Das ist doch grotesk.

Für mich persönlich: Die Neuland-Fleisch GmbH 1990 mit aufgebaut zu haben, weil ich die Massentierhaltung schon zehn Jahre vor allen anderen satt war und an meiner Fleischtheke keine Wurst aus Massentierhaltung verkaufen wollte. Ein Durchschnittsschwein lebt heutzutage auf 0,7 Quadratmetern, eine Legehenne auf einem DIN A4-Blatt. Bei zehn Prozent mehr Platz spricht man schon von ,Tierwohl’. Das ist doch grotesk.

Gab es denn auch Niederlagen?

Viele, ganz klar. Als größten Tiefschlag betrachte ich einen Vorfall, der sich Anfang der 90er-Jahre abgespielt haben muss. Zu dieser Zeit stand eine wunderschöne Rotbuche – Naturdenkmal übrigens – an der Wienbrede. Bis der Sohn der Grundstücksbesitzerin keinen Pollenstaub mehr auf seinem dicken Audi wollte. Am Ende wurde der Baum tatsächlich gefällt: für einen Parkplatz. Daran zu denken, tut heute noch weh. So etwas passiert aber leider immer wieder.

Viele, ganz klar. Als größten Tiefschlag betrachte ich einen Vorfall, der sich Anfang der 90er-Jahre abgespielt haben muss. Zu dieser Zeit stand eine wunderschöne Rotbuche – Naturdenkmal übrigens – an der Wienbrede. Bis der Sohn der Grundstücksbesitzerin keinen Pollenstaub mehr auf seinem dicken Audi wollte. Am Ende wurde der Baum tatsächlich gefällt: für einen Parkplatz. Daran zu denken, tut heute noch weh. So etwas passiert aber leider immer wieder.

Parents for Future in Werne: Eltern unterstützen Kinder bei Klimaprotesten

Bewegungen wie die Fridays-for-Future-Idee leben ja davon, dass Menschen im Namen der Umwelt zusammenhalten. Sind Sie ein reiner Einzelkämpfer?

Ganz im Gegenteil. Bestes Beispiel ist, dass ich 2009 eine eigene Bürgerinitiative gegen Grüne Gentechnik in Werne gegründet habe. 

Ganz im Gegenteil. Bestes Beispiel ist, dass ich 2009 eine eigene Bürgerinitiative gegen Grüne Gentechnik in Werne gegründet habe. 

Die Firma Monsanto hatte gerade den letzten Freisetzungsversuch Nordrhein-Westfalens bei uns gestartet und ein Feld mit genmanipuliertem Mais angelegt. Man muss sich nur einmal anschauen, was mit Honig aus genmanipulierten Pflanzen geschieht: Er landet im Sondermüll. 

Die Firma Monsanto hatte gerade den letzten Freisetzungsversuch Nordrhein-Westfalens bei uns gestartet und ein Feld mit genmanipuliertem Mais angelegt. Man muss sich nur einmal anschauen, was mit Honig aus genmanipulierten Pflanzen geschieht: Er landet im Sondermüll. 

Gegen diese Aktion habe ich mich gemeinsam mit den Grünen, Bauern, dem Imkerverein und vielen weiteren aufgelehnt. Am Ende vom Lied war das Maisfeld plattgetrampelt – mehrere tausend Quadratmeter, trotz Wachdienst. Ich selbst bin es nicht gewesen, habe mich aber trotzdem darüber gefreut.

Gegen diese Aktion habe ich mich gemeinsam mit den Grünen, Bauern, dem Imkerverein und vielen weiteren aufgelehnt. Am Ende vom Lied war das Maisfeld plattgetrampelt – mehrere tausend Quadratmeter, trotz Wachdienst. Ich selbst bin es nicht gewesen, habe mich aber trotzdem darüber gefreut.

Glauben Sie, dass die Fridays-for-Future-Bewegung ihrem Ruf als Hoffnungsträger gerecht werden kann?

Naja, erst einmal ist gut, dass etwas passiert. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Jugend vollkommen apolitisch verhalten, finde ich. Jetzt kommt die politische Diskussion wieder ein wenig in Schwung. Es gibt die Fridays for Future, die Parents for Future, die Scientists for Future und alle wollen etwas für unsere Umwelt tun. Klimaaktivist ist keine Beleidigung. Ganz im Gegenteil: Endlich machen die jungen Leute wieder ihren Mund auf.

Naja, erst einmal ist gut, dass etwas passiert. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Jugend vollkommen apolitisch verhalten, finde ich. Jetzt kommt die politische Diskussion wieder ein wenig in Schwung. Es gibt die Fridays for Future, die Parents for Future, die Scientists for Future und alle wollen etwas für unsere Umwelt tun. Klimaaktivist ist keine Beleidigung. Ganz im Gegenteil: Endlich machen die jungen Leute wieder ihren Mund auf.

Indem sie jeden Freitag die Schule schwänzen?

Gegenfrage: Erinnern Sie sich an einen Arbeitskampf, den Gewerkschaften außerhalb der Arbeitszeiten geführt haben? Ich nicht. Deswegen ist auch das Streiken während der Schulzeit genau richtig, finde ich.

Gegenfrage: Erinnern Sie sich an einen Arbeitskampf, den Gewerkschaften außerhalb der Arbeitszeiten geführt haben? Ich nicht. Deswegen ist auch das Streiken während der Schulzeit genau richtig, finde ich.

Umwelt- und Klimatechnisch gibt es momentan so viele Baustellen. Wo sollen wir denn da anfangen?

Überall. Das mag keine zufriedenstellende Antwort sein, ist aber die einzig ehrliche. Ob Massentierhaltung, Plastikmüll, Abgaswerte oder Artensterben – alles hängt wie ein großes Puzzle miteinander zusammen. Wir sind selbst Schuld, dass es so aus dem Ruder gelaufen ist. 

Überall. Das mag keine zufriedenstellende Antwort sein, ist aber die einzig ehrliche. Ob Massentierhaltung, Plastikmüll, Abgaswerte oder Artensterben – alles hängt wie ein großes Puzzle miteinander zusammen. Wir sind selbst Schuld, dass es so aus dem Ruder gelaufen ist. 

Den Mund auf zu machen ist ein Anfang. Für wichtig halte ich, dass den Worten hinterher auch Taten folgen. Damit sage ich nicht, dass wir uns alle kasteien sollen. Ein gutes Beispiel ist das Fliegen. Man muss ja nicht ganz darauf verzichten. Aber ob man wirklich jedes Jahr eine Flugreise unternehmen muss, halte ich für fraglich. Ein großes Problem unserer Zeit ist ihre Maßlosigkeit.

Den Mund auf zu machen ist ein Anfang. Für wichtig halte ich, dass den Worten hinterher auch Taten folgen. Damit sage ich nicht, dass wir uns alle kasteien sollen. Ein gutes Beispiel ist das Fliegen. Man muss ja nicht ganz darauf verzichten. Aber ob man wirklich jedes Jahr eine Flugreise unternehmen muss, halte ich für fraglich. Ein großes Problem unserer Zeit ist ihre Maßlosigkeit.

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