„Durch die ganzen Corona-Beschränkungen knallt es immer öfter in den Familien, und die Kinder sind mitten drin“, erzählt Ingrid Ries. Die Sozialarbeiterin des Welveraner Jugendtreffs und ihr Kollege, Streetworker Ralf Berg, haben aktuell wieder einmal alle Hände voll zu tun.
Die Intensivberatungen steigen, verzweifelte Jugendliche suchen immer wieder das Gespräch oder kommen hierher, um ihre Bewerbungen zu schreiben oder sich rechtlichen Rat zu holen. Weil fast alle anderen Einrichtungen im Kreis Soest geschlossen sind, nehmen sie sogar eine weite Anreise in Kauf. „Wir hatten Jugendliche aus Soest hier, die so dankbar waren, dass sie bei uns ihre Bewerbungen fertigstellen konnten.“ Einer habe sogar umgehend eine Stelle gefunden und arbeitet bereits.
Damit ist also das Tagesprogramm der Treffbesucher oft auch ganz weit entfernt von: „die zocken ja nur an Playstation und PC“, wie es oft gemeinhin heißt. Im Gegenteil, den fünf Personen, die aktuell im Tagesbetrieb des Treffs gemeinsam vor Ort sein dürfen, geht es um das Zusammensein, das Freunde treffen, chillen, reden, und den Hauch von Normalität.
„Dazu kommt“, so Ries weiter, „dass auch die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln bei vielen nicht mehr gesichert ist.“ In vielen Familien sei das Essen knapp oder gar nicht vorhanden, die Jugendlichen nutzen den Treff, um sich hier etwas zu essen zu machen. Gemeinsam Kochen ist aktuell zwar verboten, individuelles Essen aber nicht. „Deshalb sind wir dankbar für jede Spende, die uns hilft, dieses Angebot aufrechtzuerhalten.“
Aktuell dürfen gleichzeitig fünf Jugendliche den Jugendtreff an der Bördehalle besuchen. Begonnen hatte alles letztes Jahr im ersten Lockdown mit der kompletten Schließung des Treffs, was die Besucher betrifft. Im Mittelteil waren bis zu 15 Personen erlaubt, dann zehn und schließlich nur einer zur Beratung, bis mit dem Fünfer-Block wieder Leben in den Treff einzog. Aktuell ist der Mundschutz ebenso Pflicht wie die Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln. Eine telefonische Beratung ist jederzeit möglich.
Kein Wunder also, dass Ries und ihr Kollege sehr froh sind, dass der Treff aktuell geöffnet sein kann. Streetworker Ralf Berg, der momentan auch in der Schulbetreuung an der Grundschule in Borgeln eingesetzt ist, macht sich in der verbleibenden Arbeitszeit auf den Weg, die Jugendlichen an ihren Treffpunkten aufzusuchen. „Auch hier ist es uns wichtig, Hilfsangebote allein durch unsere Präsenz anzubieten“, so Berg.
„Durch den Wegfall der Schule und anderer Strukturen, mangelnde Sportangebote und den fehlenden persönlichen Kontakt werden auch immer mehr Regeln umgangen.“
Eine Zunahme von Alkohol- und Drogenkonsum sei so eindeutig gegeben, sind die beiden Sozialarbeiter überzeugt. Es werden Verhaltensweisen „trainiert“, die sonst im Schulbetrieb oder im Treff negativ auffallen würden, aber wenn alle Kontrollorgane wegbrechen, sei ein wacher Blick schwierig. „Regeln werden eben immer nur eingehalten, wenn auch kontrolliert wird.“
Der Bedarf für Jugendarbeit ist also eindeutig gegeben und reicht von der reinen Treffbetreuung über begleiteten Kindesumgang, regelmäßigen Kontakt zum Jugendamt, bis hin zur Wohnungsbeschaffung, wenn plötzlich auch das Dach über dem Kopf nicht mehr vorhanden ist: „Wir nehmen all diese Herausforderungen gerne an und tun, was wir können, um da zu sein und Hilfestellung zu geben.“