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Ein Herz für Rinder: Jungzüchterin aus Rinkerode

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Leonie und Gracia holten den Reservesieg beim Jungzüchtertag in Hamm. Auch Auszubildender Christoph Berbecker nahm teil.
Leonie und Gracia holten den Reservesieg beim Jungzüchtertag in Hamm. Auch Auszubildender Christoph Berbecker nahm teil. © Fmh

RINKERODE - Gracia heißt sie und macht ihrem Namen – dem lateinischen Begriff für Anmut – alle Ehre: Wohlgeformte Beine, gerader Rücken, langer Hals und – hervorstechende Adern auf dem Euter. Dass für Rinder etwas andere Schönheitsideale gelten, hat Leonie Wiewer (16) als Tochter eines Rinkeroder Rinderzüchters früh gelernt.

Mit ihrem Blick fürs Wesentliche und der schönen Färse Gracia konnte sich die Schülerin jetzt auf dem Jungzüchtertag in Hamm den Reservesieg in ihrer Altersklasse sichern. Dadurch hat sie sich für den Bundesjungzüchterwettbewerb in Oldenburg qualifiziert.

Dabei sind es nicht in erster Linie die äußeren Werte, auf die es bei dem Wettbewerb ankommt: „Viel wichtiger ist, dass das Rind ruhig neben mir herläuft und sich führen lässt“, erklärt Leonie. Bis das reibungslos klappt, ist es ein weiter Weg. Drei Monate vor dem Wettbewerb beginnt die Schülerin mit dem Training, in den letzten Wochen übt sie täglich mit dem Rind zu laufen. „Ich muss ihm beibringen, dass ich der Boss bin“, sagt Leonie.

Mit schreckhaften Tieren läuft sie durch den Wald, „damit es fremde Geräusche kennenlernt“. Überhaupt sei es wichtig, immer neue Strecken mit dem Rind auszuprobieren, um es an fremde Umgebungen zu gewöhnen. „Manchmal laufen meine Mutter oder mein Vater neben uns her, so wie es auch der Preisrichter bei dem Wettbewerb macht“, erläutert die 16-jährige Jungzüchterin ihre Strategie.

Mit sechs Jahren nahm sie zum ersten Mal an dem Hammer Wettbewerb für junge Züchter teil, in diesem Jahr war Leonie bereits zum 9. Mal dabei. „Das Vorführen und präsentieren macht mir einfach Spaß, außerdem fühlt es sich gut an, wenn man auch Erfolg hat“, sagt Leonie. Nachdem sie in den ersten Jahren immer auf den mittleren Plätzen gelandet war, habe sie mittlerweile großen Ehrgeiz entwickelt.

Die Begeisterung für Kühe liegt in der Familie. Ihr Vater Ludger Wiewer ist seit 30 Jahren Rinderzüchter, den Betrieb in Rinkerode hat er schon von seinem Vater übernommen. Wiewer gehören 340 Tiere. 120 davon sind Milchkühe, doch das Hauptgeschäft des Rinkeroders ist die Rinderzucht. Einmal im Monat bietet der 52-jährige Landwirt Tiere bei Rinderauktionen in Hamm an, verkauft seine Rinder an Bauern in ganz Deutschland, Holland England oder auch Italien.

Leonie soll Familienbetrieb übernehmen

Auf dem diesjährigen „Highlight-Sale“ in Hamm für besonders exklusive Rinder – für den eigens ein Katalog mit Bildern und Zuchtdaten der edlen Vierbeiner herausgebracht wird – war Wiewer auch dabei. 19 500 Euro wurden an diesem Tag für das teuerste Rind gezahlt – jedoch nicht an Wiewer. „Diese Summen sind verrückt. Aber heute kommt es den meisten auf eine schnelle Genetik der Tiere an“, sagt der Landwirt, der selbst viel Wert auf eine schöne und langlebige Kuh legt. Er verkaufte beim „Highlight-Sale“ Anfang Januar ein junges Rind für 3 500 Euro an einen Bauern in Everswinkel.

Für ein normales Rind bekommt Wiewer auf den Auktionen derzeit zwischen 1 600 und 1 900 Euro – 400 Euro weniger als noch vor einem Jahr. „Der Grund dafür sind die niedrigen Milchpreise“, erklärt der Bauer. Die Arbeitsbedingungen des Landwirts sind dabei alles andere als rosig. Denn in der Regel hat Wiewer einen 12-Stunden-Tag, nicht selten steht er auch nachts auf, um bei seinen Tieren nach dem rechten zu sehen.

Doch auch, wenn der Hof viel Arbeit macht, hofft Wiewer, dass er den Familienbetrieb eines Tages an seine jüngste Tochter Leonie übergeben kann, nachdem die beiden älteren Geschwister bereits andere Wege eingeschlagen haben. Das Zeug dazu hätte Leonie nach Meinung ihres Vaters auf jeden Fall: „Sie hat ein Händchen für die Tiere und merkt, in welcher Verfassung sie sind“, sagt Wiewer.

Leonie könnte sich durchaus vorstellen, an die Stelle ihres Vaters zu treten. „Im Moment deutet alles darauf hin“, verrät die Schülerin. Derzeit macht die 16-Jährige ihr Fachabitur im Bereich Wirtschaft und Verwaltung, etwas, „das man immer brauchen kann“.

Danach möchte sie eine landwirtschaftliche Ausbildung machen. „Aber ob ich dann aber wirklich in die Fußstapfen meines Vaters trete, steht noch nicht fest“, sagt Leonie. - fmh

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