„Es ist einfach schade, wenn diese Geschichten, die mehrere Generationen in Drensteinfurt erlebt haben, einfach vergessen werden“, betonte Wienkamp. Hier im Stadtarchiv gebe es den Raum und die Kompetenz durch Stadtarchivar Dr. Ralf Klötzer zur sicheren Aufbewahrung.
„Wir wollen nicht nur die Dokumente verwahren, sondern den Geist rüberkommen lassen, der die Fahrten des Lehrers maßgeblich begleitet hatte. Kameradschaft, Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme erwartete Sternemann von den Ministranten“, erklärte Wienkamp. Es sei selbstverständlich gewesen, dass der Stärkere dem Schwächeren half.
Dabei hätten die Jungen Kompetenzen erlernt wie Einsatzbereitschaft, Eigen- und Fremdverantwortung, schöpferische Fähigkeiten, Hilfs- und Lernbereitschaft und Disziplin. Kompetenzen, die ihnen später als Erwachsene in ihren Familien, im Berufsleben sowie bei ehrenamtlichen Tätigkeiten zugutekamen.
„Wir wollen Günther Sternmanns Arbeit als Segen für Drensteinfurt in Erinnerung behalten“, bat Wienkamp, dann fügte er an: „Die Geschichten, die wir erlebt haben, leben so weiter.“
Das bestätigte auch Dr. Klötzer: Geschichte – das seien eben nicht nur Fakten und Zahlen, sondern auch Sozialgeschichte, die zeige, wie Menschen miteinander gelebt haben. Dafür sei der Nachlass von Günther Sternmann ein wunderschönes Zeugnis.
Günther Sternemann kam 1953 als Junglehrer an die Christ-König-Hauptschule. Bald darauf übernahm er die Betreuung der Messdiener, gründete eine Schola, eine Theatergruppe, gab kostenlos Gitarrenunterricht, besuchte mit den Ministranten Kranke im Marienhospital und bereicherte die Veranstaltungen der Senioren. 1965 übernahm er für 26 Jahre die Leitung der Christ-König-Hauptschule. 1974 führte er den Brauch der Sternsinger in Drensteinfurt ein.
1958 organisierte er die erste 14-tägige Rad-Sommerfahrt mit 19 Jungen im Alter von zehn bis 16 Jahren über Bad Honnef bis Morbach und wieder zurück über Bingen, Köln bis nach Drensteinfurt. Übernachtet wurde in Jugendherbergen. Sternemann wollte den Jungen nicht nur Deutschland, sondern auch die Nachbarländer zeigen und legte dabei stets Wert auf die Geschichte. Insgesamt 2706 Jungen nahmen in den Jahren an den Sommerfahrten teil. Die größte Beteiligung gab es im Jahr 1974 mit 75 Messdienern. 2015 fand die letzte Fahrt mit 15 Teilnehmern statt.
2005 wurde ihm für seine zahlreichen Verdienste der Ehrenring der Stadt verliehen.
Walter Saphörster erinnerte sich an die erste Fahrt 1958, die er als 14-Jähriger miterleben durfte. „Wir trugen Lederhose, hatten kein E-Bike und keine Gangschaltung“, sagte er. Mancher Teilnehmer musste sich sogar ein Fahrrad leihen. Statt Packtaschen gab es Rucksäcke, viele hatten einen sogenannten „Affen“, einen Wehrmachtsrucksack mit Fellbespannung dabei. Trotz Disziplin und klarer Regeln – Sternemann durfte nie überholt werden – habe es immer viel Spaß gemacht.
„Die Drensteinfurter Ministranten hatten in jeder Jugendherberge einen guten Ruf“, versicherte er. Auch an das Frühstück erinnert er sich, damals habe ein Brötchen noch fünf Pfennig gekostet, ebenso an die Selbstversorgung beim Mittagessen, „nach zwei Tagen haben wir gelernt, dass Süßigkeiten nicht optimal waren“ und an die von Sternemann vorgelesenen Geschichten.
Der „Vater“ der Sommerfahrten ist nie vergessen worden. „In den 14 Jahren seiner Krankheit bekam er jede Woche Besuch von einem der ehemaligen Teilnehmer“, berichtete Luise Sternemann. Anlässlich der 50. Sommerfahrt habe es ein großes Treffen mit Sternemann gegeben. Der Fahrradkorso habe von der Schule bis zur Festhalle Volkmar gereicht.
Am Dienstag, 25. Oktober, sollen die Fahrtenalben der Jahre 1958 bis 1962 und am 10. Oktober die Sommerfahrten ab 1963 der Öffentlichkeit in der Alten Post jeweils um 19.30 Uhr vorgestellt werden. Der Eintritt ist frei. „Wir versprechen uns eine große Resonanz“, teilte Wienkamp mit, immerhin gebe einige ehemalige Sommerfahrt-Teilnehmer, die sich noch heute treffen, um sich an die alte Zeit zu erinnern.
Die Arbeitsgruppe rund um den Nachlass von Günther Sternemann hat noch einiges vor: Es gibt noch viel Material, das gesichtet und digitalisiert werden müsse. So unter anderem die Elternnachmittage, Theateraufführungen, Kinoabende, die Sternsingerarbeit, die Teilnahme an Prozessionen, die Ministranten-Aufnahme und vieles mehr.