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Geschichten aus NS-Zeit regen zum Nachdenken an

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Von: Jan-Niklas Dalley

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Historiker und Erzähler: Dr. Hans-Jürgen Zacher.
Historiker und Erzähler: Dr. Hans-Jürgen Zacher. © Dalley

Rund 40 Bönener lauschten den Geschichten von Dr. Hans-Jürgen Zacher. Im Rahmen des Holocaust-Gedenktages erwartete die Gäste in der Alten Mühle eine musikalische Lesung, die die Opfer des Nationalsozialismus in den Vordergrund rückte.

Bönen – In gemütlicher Atmosphäre regte der „leidenschaftliche Geschichtenerzähler“ mit den unterschiedlichen Erlebnissen der Menschen zum Nachdenken an.

Während der Lesung stellte Zacher seinen Zuhörern Persönlichkeiten vor, über deren Schicksale nur wenig bekannt ist. Damit trug er dazu bei, dass diesen Opfern ein Name gegeben wird und ihre Geschichten in Erinnerung bleiben. Zacher erzählte von einem 14-jährigen Jungen, der im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau zwei Tage vor seinem Tod ein Gedicht schrieb und die Niagarafälle sehen wollte. Sein Tod machte deutlich, „wie schnell das Leben es zu Ende geht“. Der Autorin Else Ury widmete sich Zacher ebenfalls. Die Jüdin erlangte mit ihrer zehnteiligen Buchreihe „Nesthäkchen“ große Bekanntheit. Sie starb ebenfalls im KZ.

Offizieller Gedenktag

Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau von der Roten Armee befreit. Im Jahr 2005 erklärten die Vereinten Nationen diesen Tag als offiziellen Tag des Gedenkens an die Holocaust-Opfer. Die Musiklesung war die erste VHS-Veranstaltung in Bönen, die sich in diesem Rahmen mit dem Thema beschäftigt. 

Welche Einschränkungen Juden im öffentlichen Leben hinnehmen mussten, erlebten die Musikgruppe der Comedian Harmonists am eigenen Leib. Obwohl sie zwischenzeitlich großen Erfolg hatten, bekam das Sextett weniger Möglichkeiten aufzutreten. Denn die Nationalsozialisten störten sich daran, dass drei der sechs Sänger jüdisch waren. Zumindest dem Intendanten der Semperoper war das gleichgültig: „Ich stelle die besten Sängerinnen und Sänger ein. Da achte ich nicht auf die Religion“, sagte er, als er sich für die jüdischen Sänger rechtfertigen musste. Im Gegensatz zu den anderen Opfern überlebten alle sechs Sänger den Zweiten Weltkrieg.

Neben den Opfern der NS-Zeit stand das Thema „Freundschaft“ im Mittelpunkt der Lesung. „Freundschaft ist wie das Wetter: Manchmal schön und manchmal nicht so schön“, sagte Dr. Hans-Jürgen Zacher. „Aber nach einem Gewitter, wenn man die Tür zugeschlagen hat und die Luft wieder rein wird, ist es besser, wenn doch noch ein kleiner Türspalt offen bleibt.“

Musikstücke in aramäischer und jiddischer Sprache

Die Lesung wurde immer wieder durch Musik aufgelockert. Die Band „Gute Fraynd“ spielte mehrere Musikstücke in aramäischer und jiddischer Sprache. „Jiddisch ist die Sprache des Herzens“, erklärte Sänger André Brust, der von Jutta Bednarz und Herrmann Schiefer auf unterschiedlichen Instrumenten begleitet wurde. Mit Bratsche, Kontrabass, Gitarre und Cajón brachten sie dem Publikum die Musik näher, die zu den Zeiten der Diktatur mehr und mehr in der Öffentlichkeit verloren ging. Neben ruhigeren, liturgischen Stücken spielte die Band auch schnelle Lieder, die manchen Gästen besonders große Freude brachten.

Als das „kulturelle Gedächtnis der Gemeinde“ kam außerdem noch Gemeindearchivar Philipp Frank zu Wort. Er erinnerte daran, dass auch in Bönen Menschen aus dem alltäglichen Leben verschwanden und den Nationalsozialisten zum Opfer fielen. Um den Verstorbenen aus der Gemeinde einen Raum zur Erinnerung zu geben, wurde eine Video-Präsentation vorbereitet, die sich viele Gäste in der Lesungspause oder am Ende der Veranstaltung ansahen.

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