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Vorschlag zu steuerfreiem Obst und Gemüse fällt bei Kritikern durch

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Von: Carola Schiller

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Obst und Gemüse auf dem Wochenmarkt
Die Deutschen greifen zu wenig zur gesunden Pflanzenkost. Bundesminister Cem Özdemir möchte das ändern. © Hauke-Christian Dittrich

Steigende Kosten belasten die privaten Haushalte. Eine mögliche Vorgehensweise zur Entlastung könnte die Aussetzung der siebenprozentigen Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte sein. Zumindest wenn es nach Cem Özdemir geht, dem Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. Der verspricht sich davon aber nicht nur günstigeres Einkaufen für Einkommensschwache, sondern auch den Konsum von weniger Fleisch und mehr pflanzlicher Nahrung.

Kreis Unna/Bönen - „Der Gedanke ist ehrenwert“, findet Jutta Eickelpasch von der Kamener Verbraucherberatung. Mehr Gemüse statt Fleisch zu konsumieren sei gut für den Geldbeutel, fürs Klima und die eigene Gesundheit.

Ein Ziel, dass die Verbraucherberatung schon lange verfolgt und für diesen Zweck Kochbücher, Kurse und Vorträge anbietet. Ob günstigere Gemüsepreise helfen, dieses Ziel zu erreichen? Daran glaubt Jutta Eickelpasch nicht. „Das ist nicht zu Ende gedacht“, lautet ihr Fazit, denn bereits jetzt sei die immense Verschwendung von Lebensmitteln ein Problem. Ganz besonders bei jüngeren Menschen, denen die Erfahrung der mageren Jahre der Nachkriegsgeneration fehlt.

Rund 400 Euro verschwendet der durchschnittliche Haushalt jährlich, weil er Nahrungsmittel in den Müll wirft, anstatt sie rechtzeitig zu verwerten – oder gar nicht erst einzukaufen. Bei günstigeren Preisen für pflanzliche Nahrung könnte sich dieser Effekt noch verstärken. Eickelpasch setzt auf Aufklärung und Motivation. Der Konsument brauche Lust auf Gemüse, das möglichst saisonal und regional ist. Mit Billigangeboten sei dieses Ziel nicht zu erreichen.

Verbraucher könnten sich bevormundet fühlen

Petra Drees-Hagen vom Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband hält die Vorgehensweise des Ministers ebenfalls für nicht durchdacht. Eine ihrer Befürchtungen ist, dass der Verbraucher sich bevormundet fühlen könnte, wenn nur ein Teil der Nahrung steuerbefreit und damit günstiger wird.

Noch weniger gefällt ihr der Gedanke, dass ein solcher Wegfall der Mehrwertsteuer auch für Importe gilt, zum Beispiel für den Apfel aus Neuseeland. Sie warnt: „Das schadet auch der heimischen Volkswirtschaft“. Schwer vorstellbar ist für sie die Lösung bei bereits vorbereiteten Lebensmitteln. Es sei kaum möglich, den Pizzateig nicht, die Salami darauf aber voll zu besteuern.

Vorstellen könnte sie sich eine umfassende Steuerreduzierung von Lebensmitteln auf fünf Prozent Damit könnten Haushalte beim Lebensmitteleinkauf entlastet werden und selbst entscheiden, wo sie sparen wollen.

Volker Gräfingschulte, Vorsitzender des landwirtschaftlichen Ortsvereins Bönen, ist Landwirt mit eigenem Hofladen. Auch er sieht keinen Sinn in der Reduzierung einer Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse. Vielmehr fürchtet er, dass die Billigschiene damit weiter gepusht wird. „Obst und Gemüse sind doch sowieso schon billiger als in anderen Ländern“, fasst er zusammen. Auch er sieht die Gefahr, dass dann noch mehr Lebensmittel weggeworfen werden, als das bereits der Fall ist. Wie die Verbraucherberatung findet er eine Stärkung der heimischen Landwirtschaft wichtig, aber sicher nicht eine steuerliche Entlastung der Importeure von Obst und Gemüse. Erst recht nicht, wenn es sich um Produkte handelt, die vor der eigenen Haustür produziert werden.

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