2022 sei besonders von zwei Faktoren geprägt gewesen: von den Auswirkungen des Krieges, der vieles zur Mangelware mit hochschnellenden Preisen hätte werden lassen und von der extrem trockenen Witterung im Sommer.
„Blicken wir auf die Märkte, so stellen wir fest, dass mit der Verteuerung vieler Lebensbereiche die Menschen beim Einkauf von Nahrungsmitteln zunehmend auf den Preis schauen“, so Wortmann. Höherpreisige Produkte würden kaum noch Absatz finden, ob Fleisch mit höheren Tierwohlstandards, Bioprodukte oder sehr arbeitsintensive Erzeugnisse, sagt er. Hätte im letzten Jahr beispielsweise der Lebensmitteleinzelhandel noch sehr werbewirksam sein Bekenntnis zum Tierwohl kundgetan, würde in diesem Jahr die Werbung mit Sparpreisen dominieren. „Das ist für uns Landwirte ein Riesenproblem“, sagt er. „Wenn wir beispielsweise in den Umbau unserer Ställe investiert haben, sind wir gebunden, und die Investition muss sich irgendwann tragen“, so der Landwirt.
Menschen mit geringerem Einkommen müssten derzeit auf jeden Cent schauen, das sei absolut verständlich, sagt er. „Wir appellieren aber an die, die finanziell etwas besser aufgestellt sind, nicht als erstes bei den Lebensmitteln zu sparen. Wenn wir auf Dauer heimische hochwertige Nahrungsmittel haben wollen, dann müssen wir auch gemeinsam durch die Durststrecken“, so Hans-Heinrich Wortmann.
„Derzeit können wir Bauernfamilien überhaupt nicht abschätzen, was sich zukünftig tragen wird“, sagt der Landwirtevorsitzende. Ein Beispiel sei der Umbau der Schweineställe zu Außenklimaställen. Dieser sei mit erheblichen Kosten und auch Folgekosten verbunden, und die Familien könnten das nur schaffen, wenn sich die Ausgaben irgendwann durch Einnahmen rechnen. „So scheuen sich unsere jungen Landwirtinnen und Landwirte derzeit – trotz guter Ausbildung und Liebe zum Beruf – vor großen Investitionen“, so Wortmann.
Lebensmittel seien 2022 teurer geworden, aber das habe seine Gründe, sagt Wortmann. So habe die Verknappung und Verteuerung der Energie die Landwirtschaft nicht nur direkt, sondern auch auf Umwegen getroffen. Dünger sei im Frühjahr beispielsweise um ein Mehrfaches teurer als in der Vergangenheit gewesen. Hinzu seien Lieferengpässe und Wartezeiten in vielen Zulieferbereichen und im europäischen Vergleich hohe Löhne gekommen. „Alles zusammen führte zu Teuerungsraten bei Lebensmitteln,“ so Wortmann. Wichtig sei, dass die Menschen stabil und verlässlich mit Lebensmitteln versorgt werden können. Global gesehen sei das nicht selbstverständlich. „Die Frage der Ernährungssicherheit ist in 2022 in der Bedeutung deutlich nach oben gerückt“, sagt er.
„Die Sommertrockenheit hat uns in diesem Jahr sehr unterschiedlich getroffen“, sagt der Landwirtevorsitzende. Die Bodenqualität sei sehr entscheidend gewesen. Beim Getreide und beim Raps seien die Erträge trotz der Trockenheit in der Region vielfach erstaunlich gut gewesen – allerdings mit bodenbedingten Unterschieden. „Die Regenfälle des Frühjahrs haben auf den besseren Böden ausgereicht, damit die Pflanzen einen guten Ertrag ausbilden konnten. Auf Böden, die Wasser nicht lange speichern können, wie beispielsweise Böden mit einem hohen Sandanteil oder einer geringen Mächtigkeit, waren die Erträge geringer“, so Wortmann.
Zugesetzt habe die Sommerstrockenheit den Pflanzen, die – anders als das Getreide – im Sommer noch grün und im Wachstum gewesen seien, wie Gemüse, Kartoffeln, Zuckerrüben oder Mais.
„Ausgewirkt hat sich die Sommertrockenheit besonders auf die Wiesen und Weiden“, sagt Wortmann. Nach dem zweiten Grasschnitt sei lange Zeit kaum noch etwas nachgewachsen, erst im Herbst habe sich das Grünland nach dem Regen wieder etwas erholt.
„Man muss staunen, wie gut unsere Böden, zumindest die Bördeböden entlang des Hellwegs, mit den wenigen Niederschlägen klargekommen sind“, so Wortmann. Der Boden werde im Zuge des Klimawandels eine immer wichtigere Rolle spielen. „Der Schutz des Bodens ist für unsere zukünftige Ernährung extrem wichtig“, sagt der Landwirt.