Vor 14 Jahren hörte Nölle davon. „Das hat mir die Augen geöffnet. Dass einfach jeder und jede, selbst Kinder, mit einem Defi umgehen und damit Leben retten können, macht das Thema für mich zu einer Herzensangelegenheit – im wahrsten Sinne des Wortes“, sagt der Bönener.
So wurde er Gründer und Vorsitzender des Vereins „definetz e.V.“ mit Sitz in Unna. „Warum sterben welt- und europaweit so viele Menschen am plötzlichen Herztod? Allein in Bönen sind es statistisch 21 pro Jahr,“ sagt der Vorsitzende. Mit nationalen und internationalen Organisationen entwickeln die Freiwilligen Standortkonzepte für Defibrillatoren – Motto: Es ist gut, einen Defi in der Nähe zu wissen! Laien können mit dem automatisierten Apparat für einen Elektroschock Herzen wieder korrekt schlagen lassen.
Drei Schwerpunkte tragen zu flächendeckenden Versorgung bei: Die Auswahl eines gut zugänglichen Standorts, die Dokumentation der Standorte in einem frei zugänglichen Kataster und die Öffentlichkeitsarbeit, um diese schnelle Hilfe ins allgemeine Bewusstsein zu rücken. Das geschieht in Bönen gerade mit einer Ausstellung in der Fußgängerzone. In einem Schaufenster neben dem Brunnen sind mit Spielzeugfiguren verschiedene Szenarien aufgebaut worden, darunter Sanitäter mit einem Rettungswagen auf einer Kirmes. Das soll die Aufmerksamkeit auf das Thema „Defi“ lenken, speziell, wenn Kindern in Begleitung der Eltern sich die Nasen am Schaufenster platt drücken, wie Ulrich Schmidt von definetz erklärt. Wenn sie dann fragen, was da gerade passiert, soll das Gespräch über den Lebensretter in Gang kommen. Ein Hinweis auf den Verein und sein Anliegen fehlt indes in dem Fenster. Das macht es noch wenig nachvollziehbar.
Bereits 2011 startete in Bönen ein Pilotprojekt zur Frühdefibrillation, bei dem es um die optimale Versorgung der Bevölkerung ging. Das ist weitgehend abgeschlossen, wenngleich nicht vollendet, nachdem in der Gemeinde zahlreiche Defibrillatoren installiert wurden. Vor drei Jahren folgten Initiativen wie „Ein Tag für die Herzgesundheit“, bei denen verbreitet wurde, wie zufällig Anwesende im Notfall helfen können.
Da sieht es laut Nölle in Deutschland „mau“ aus. Auf 70 Prozent Erste Hilfe kämen die Niederlande und Schweden, Deutschland gerade mal auf 20. Unkenntnis und die Angst, etwas falsch zu machen, seien die Gründe dafür. Dabei gelte: Falsch machen geht nicht! Nichts zu tun, ist der einzige Fehler. Es geht um wertvolle Zeit.
Wir haben eine kleine Probe gemacht, an Markttagen Passanten das Gerät vorgelegt mit der Frage, ob sie es kennen und nutzen würden. Rund 15 Personen unterschiedlichen Alters und Geschlechts gaben Auskunft. Dem überwiegenden Teil der jungen Leute waren der Defi und seine Anwendung zumindest bekannt. Bei den Älteren zeigte sich große Unkenntnis. Aus Furcht, etwas falsch zu machen, wurde der Gebrauch abgelehnt. Andere berichteten, dass ihnen bekannte Geräte geklaut oder zerstört worden seien.
Kurzum: Nölle und seine Mitstreiter haben noch viel zu tun. Dabei hatte Bürgermeister Stephan Rotering 2018, dank der Vereinsinitiative, das Vergnügen, Bönen „als eine der herzsichersten Kommunen in Deutschland“ zu preisen – soweit es die Ausstattung mit Defis betrifft. Dafür hat der Europäische Rat für Wiederbelebung mal einen Apparat pro 1000 Einwohner zum Maß erklärt. Das geht hier rechnerisch auf, nur ist es im ländlichen Bereich und mit der Zugänglichkeit schwierig. Defis in Praxen, Geschäften oder Sportstätten sind nur im Rahmen der Öffnungszeiten verfügbar. Rund um die Uhr ist hier kein Gerät zugänglich.
Es gibt also noch weiße Flecken im Gemeindegebiet. Und richtig ist auch: Ein Defi ist teuer, Kauf, Unterbringung, Wartung. Der Verein kalkuliert dafür 2000 bis 2500 Euro in den ersten fünf Jahren. Dem steht diese Zahl gegenüber: 100 000 Fälle von plötzlichem Herztod pro Jahr, häufigste Todesursache in Deutschland.
Die frühere Begeisterung für das Projekt scheint nicht von Dauer gewesen zu sein. Die Bitten um Unterstützung würden teils „abgeschmettert“, berichtet Friedrich Nölle. „Man bohrt dicke Bretter.“
Wie so oft, ist mal wieder die private Ebene gefragt. Unternehmen. Institutionen, Vereine, Privatleute – jeder kann sich engagieren. Der Verein definetz e.V. bietet verschiedene Lösungen an. Alle können helfen. Dazu muss man kein Vereinsmitglied sein. Es kann eine Spende helfen, Sprachkenntnisse sind willkommen, handwerkliche Fähigkeiten werden gebraucht, Internetexperten sowieso. Denn eines ist klar: Es kann jeden und jede treffen. Besser mit Defi.