Wie sind Sie zur Gemeindebücherei gekommen?
Ende 1988 bin ich als Mitarbeiter der Kreisbücherei an den Standort Bönen gewechselt, was mich als gebürtigen Bönener besonders gefreut hat. Seit Anfang der 1990er-Jahre wird jede Bibliothek im Kreis Unna von der jeweiligen Kommune getragen. Ich habe also den Arbeitsort behalten und den Arbeitgeber gewechselt.
Was hat sich seit damals verändert?
Viel. Es gab immer wieder Technologiesprünge, die sich auch direkt auf die Bibliotheken ausgewirkt haben. Die größte Veränderung auf Leseverhalten und Medienkonsum hat sicher das Internet gebracht. Kernauftrag ist, Informationen zur Verfügung zu stellen und Medien zur Unterhaltung bereitzustellen. Vorher gab es Bücher, Zeitschriften, Kassetten, jetzt kamen auch neue Mediengruppen dazu. Mir war es wichtig, auch in einer vergleichsweise kleinen Bibliothek Schritt zu halten mit den Entwicklungen. Zu uns kommen auch Menschen mit ihrem Smartphone, weil sie Hilfe brauchen, um einen Retourenschein auszudrucken oder ihr Bewerbungsschreiben. Recherche ist ein wichtiges Arbeitsfeld in Zeiten von Fake-Nachrichten, um an echte Informationen aller Art zu kommen. Das Leben wird eben immer komplexer.
Wo merken Sie die Auswirkungen des Internets?
Das hat direkte Auswirkungen auf unseren Bestandsaufbau. Ein großes Problem sind zum Beispiel Sachbücher. Inhalte werden heute direkt übers Netz abgefragt, statt ein Kochbuch oder einen Gartenratgeber auszuleihen – vor allem, seit das Internet auf dem Smartphone in der Hosentasche immer und überall verfügbar ist. Wir müssen aber auch in immer kürzerer Zeit immer mehr Informationen filtern. Da sind wir auch Medienlotsen.
Wie wichtig ist die Online-Präsenz der Bücherei?
Sehr wichtig. Die Lesegewohnheiten haben sich durch die rasante Entwicklung des Internets in den vergangenen Jahren komplett verändert. Seit 2012 gehören wir einem Verbund von mittlerweile 42 Bibliotheken in der Region – Onleihe 24 – an. Die bietet sieben Tage und 24 Stunden Bücher, Hörbücher, Zeitschriften, Tageszeitungen, Musik und Videos zum Download an. Das ist inzwischen ein wichtiges Standbein.
Wie kann eine kleine Bücherei ein breit gefächertes Sortiment bieten?
Als die Gemeinde in die Haushaltskonsolidierung kam, wurde der Etat um zwei Drittel reduziert, das Team und die Öffnungszeiten reduziert. Öffentliche Bibliotheken sind im Gegensatz zur VHS keine kommunale Pflichtaufgabe, sondern eine freiwillige Leistung. Deshalb haben wir auch nur einen begrenzten Etat, mit dem wir auskommen müssen. Wir müssen unsere Neuanschaffungen deshalb gut abwägen. Aber in diesem Jahr soll der Etat im Haushalt erhöht werden. Das wäre ein positiver Trend. Ein viel breiteres Angebot bietet da die Onleihe. Die Kosten übernimmt dankenswerterweise von Anfang an die hiesige Volksbank.
Es kommen auch weiter Besucher in die Bücherei – mit welchen Anliegen?
Das ist sehr unterschiedlich. Neben der Empfehlung für neuen Lesestoff sind es Kinder, die ein Buch suchen, Jugendliche, die Informationen zu einem speziellen Thema für eine Facharbeit in der Schule brauchen, auch Lerngruppen treffen sich. Wir veranstalten Führungen für Kinder und Lesungen. Leseförderung ist in meinen Augen das Allerwichtigste. Um die Sprachentwicklung zu fördern, sollten Kinder möglichst früh an Bücher herangeführt werden oder regelmäßig Geschichten vorgelesen bekommen. Das fördert den Wortschatz enorm. Corona hat die Bibliotheken schwer getroffen, weil all das vor Ort lange Zeit nicht mehr möglich war und wir uns neue Wege einfallen lassen mussten. Seit 2022 verzeichnen wir aber endlich wieder einen Anstieg der Besucher und der Ausleihzahlen. Die aktuelle Statistik dazu wird im Frühjahr vorgestellt.
Und es finden endlich wieder Veranstaltungen statt...
Das ist das Sahnehäubchen. Theater und Lesungen für Kinder oder die wunderbare Harry-Potter-Nacht. Jetzt kommt der Lesegarten dazu mit seinen vielseitigen Möglichkeiten für Kulturveranstaltungen. Das Salz in der Suppe sind in dem Beruf vor allem die Begegnungen mit Menschen.
Welches Buch werden Sie im Ruhestand als erstes lesen, was ist Ihr Favorit?
Sachbücher haben mich immer mehr fasziniert als Krimis. Science-Fiction ist eher mein Ding. Mein persönlicher Favorit ist „Der Schwarm“ von Frank Schätzing. Weil es in letzter Zeit so viele Diskussionen darum gab, habe ich mir vorgenommen, Prinz Harrys Memoiren „Reserve“ zu lesen.