Der damalige Bürgermeister Rainer Eßkuchen und seine Mitstreiter von der SPD-Fraktion sahen nur eine Chance: die freiwillige Teilnahme am Stärkungspakt Stadtfinanzen. Kämmerer Dirk Carbow rechnete dadurch immerhin mit 5 Millionen Euro Landeshilfe. Dennoch rieten die Experten der Bezirksregierung zunächst davon ab. So dramatisch sei die Lage in Bönen noch nicht. „Sie haben das Zeug, das selbst zu machen“, sagte der zuständige Hauptdezernent Thomas Sommer.
Die Fachleute aus Arnsberg boten Hilfe an, wiesen darauf hin, dass Bönen auf diese Weise mehr Zeit hätte, aus den Schulden herauszukommen. Mit der Teilnahme am Stärkungspakt verbunden war nämlich die Bedingung, dass der Haushalt bis 2018 ausgeglichen sein musste. Und dieses Ziel ließ sich nur durch herbe Einschränkungen erreichen.
Die Idee hatte die SPD-Landtagsfraktion im Wirtschaftskrisenjahr 2008: Um die klammen Kommunen zu entlasten, sollte die NRW-Bank deren Schulden sowie über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren Zins und Tilgung übernehmen. Im Dezember 2011 wurde daraus ein Gesetz. Mit 350 Millionen Euro sollten die Kommunen jährlich gestützt werden, die bis 2010 in die Schulden gerutscht waren oder bei denen eine Überschuldung bis 2013 zu erwarten war. 34 Städte und Gemeinden wurden zur Teilnahme verpflichtet. Andere Kommunen, denen eine Überschuldung drohte, konnten sich freiwillig bewerben. Dafür war Bönen ein Kandidat. Die Gemeinde wurde ab 2012 mit 26 weiteren Kommunen in den Pakt einbezogen. Bis 2020 stellte das Land insgesamt 5,85 Milliarden Euro zur Verfügung.
Die CDU, Bündnis 90/Die Grünen und die Bürgergemeinschaft Bönen (BgB) hatten Bedenken. Sie stimmten im Rat gegen die Bewerbung. Doch die SPD als Mehrheitsfraktion brachte den Beschluss dafür am 29. März 2012 durch.
Auf Carbow, seine Kollegen in der Verwaltung und die Ratsmitglieder kam viel Arbeit zu. Innerhalb von sechs Monaten mussten sie einen entsprechenden Sanierungsplan aufstellen. Nach zähem Ringen einigten sich die Ratsmitglieder auf 54 Maßnahmen. Die reichten von der Streichung der Zuwendungen für Spielplatzpaten bis hin zu Grundstücksverkäufen. Die bittersten Einschnitte für die Bürger waren indes die Schließung der Ermelingschule und die Anhebung des Hebesatzes der Grundsteuer B in drei Stufen bis auf einen Wert von 940 Punkten.
Der harte Kurs hat sich gelohnt: Die Maßnahmen führten insgesamt zu einer Entlastung von rund 35 Millionen Euro, wie Carbow angibt. Die Einnahmen aus der Grundsteuer machen davon den größten Teil aus, gefolgt von eingesparten Personalkosten. Das, so Bürgermeister Stephan Rotering, bekäme die Verwaltung jedoch schmerzhaft zu spüren. „Wir haben die Erkenntnis gewonnen, dass die eine oder andere Maßnahme nicht so gut war. Deshalb haben wir einige zurückgenommen.“ Dazu gehören unter anderem die Sporthallennutzungsgebühren oder die Zuwendungskürzung für die Werkstatt Kreis Unna.
Grundsätzlich beruhte der Sanierungsplan aber auf zwei Säulen: neben den Sparmaßnahmen auf die finanzielle Hilfe vom Land. 277 000 Euro jährlich waren zunächst angekündigt. Doch das Land musste nachlegen. Einige Kommunen hatten Widerspruch gegen die Zuwendungsbescheide eingelegt, und so wurde neu gerechnet. Bönen bekam somit pro Jahr 1 Million Euro mehr.
Dreimal pro Jahr musste die Verwaltung einen Umsetzungsbericht zu den Sanierungsmaßnahmen bei der Bezirksregierung vorlegen. „Das hat durchaus mehr Arbeit verursacht“, sagt Carbow. Unter dem Strich und trotz der massiven Einschnitte habe sich die Teilnahme am Stärkungspakt aber als richtige Entscheidung erwiesen. 2018 konnte der Kämmerer wie gefordert den ausgeglichenen Haushalt vorweisen. In dem und im folgenden Jahr lief es gut für Bönen, die Wirtschaft florierte. Das spülte mehr Gewerbesteuern in die Kasse.
„Dadurch konnten wir unser Eigenkapital wieder aufbauen, und davon zehren wir jetzt“, erklärt Carbow. 2020 kam nämlich die Corona-Pandemie mit ihren Folgen und, wie vor zehn Jahren, muss die Gemeinde aufgrund der finanzstarken Vorjahre mehr an den Kreis bezahlen. Besonders die differenzierte Umlage für die Aufgaben des Jugendamtes ist extrem gestiegen. Rund 9,71 Millionen Euro musste Bönen 2021 abgeben. Hinzu kam eine Nachforderung für 2019 in Höhe von 1,1 Millionen Euro.
„Strukturell haben wir ein Haushaltsdefizit von 4 Millionen Euro“, bedauert Rotering. Damit ließe sich die Grundsteuer B nicht senken, wie es für das Auslaufen des Stärkungspaktes geplant war. „Wir werden auch in Zukunft ein Stärkungspaktgesetz brauchen. Die Frage ist nur, in welcher Form“, sagt der Bürgermeister. Vielen Kommunen gehe es derzeit kaum besser als 2011.
Rotering und Carbow sind dennoch froh, die Gemeinde gemeinsam mit dem Rat und insbesondere den Bürgern durch die Zeit gebracht zu haben. Immerhin mussten sie mit den Einschränkungen leben. Trotzdem bedauere er das Auslaufen des Paktes auch, so Rotering. „Die Förderquote sinkt. Als Stärkungspaktkommune hatten wir Quoten von 80, 90 und sogar 100 Prozent. Die werden jetzt um 30 oder 40 Punkte sinken. Das tut weh, da geht es um viel Geld.“