Brexit macht international tätigen Firmen viel Arbeit
Der Deal hilft: Bönener Unternehmen über geregelten Brexit
Es war eine quälend lange Angelegenheit, doch zumindest gab es am Ende ein Ergebnis. Kurz vor dem Ablauf der letzten von ganz vielen Fristen haben sich Großbritannien und die Europäische Union auf einen Handelsvertrag geeinigt und damit einen No-Deal-Brexit verhindert. International tätige Firmen aus Bönen nehmen das mit Zufriedenheit zur Kenntnis.
Bönen – „Die getroffenen Regelungen sind auf jeden Fall für alle Beteiligen besser als der harte Brexit, weshalb wir diese gutheißen, auch wenn sie sehr spät kamen“, erklärt Lilian Schmalenstroer, Sprecherin der Gea GmbH, die mit ihrer Unternehmenssparte Gea Farm Technologies im Industriegebiet ansässig ist.
Die Industrie- und Handelskammer Dortmund (IHK) gab die Zahl der betroffenen Firmen in der Region Dortmund, Hamm und Kreis Unna mit über 300 an. „Nach der jahrelangen Ungewissheit mit immer neuen Fristen können sich die Unternehmen nun immerhin auf die neue Situation einstellen“, begrüßt die IHK laut Sprecher Gero Brandenburg die Einigung und bedauert im gleichen Atemzug den Austritt des Vereinigten Königreichs. Er verweist aber darauf, dass diese noch provisorisch ist. „Bis Ende Februar 2021 müssen das Europäische Parlament und einige Parlamente in EU-Staaten noch zustimmen“, betont er.
Laut IHK ändert sich das Geschäft in und mit Großbritannien für die heimischen Unternehmen grundlegend: „Seit Neujahr werden trotz Zollfreiheit für viele Produkte Zollerklärungen im Warenverkehr ebenso wie etwa Gesundheitschecks für landwirtschaftliche Produkte und beispielsweise für bestimmte Montageeinsätze auch Arbeitsvisa benötigt“, erläutert Brandenburg. „Dies macht das Geschäft mit Großbritannien bürokratischer und kostenintensiver, aber nicht unmöglich“, sagt Malte Fraisl, Leiter des IHK-Referats Handelspolitik, Zoll- und Außenwirtschaftsrecht.
Welser weiter wettbewerbsfähig In Großbritannien
Welser Profile profitiert von dem in beinahe letzter Minute getroffenen Abkommen. „Natürlich ist die Einigung ein Vorteil, da aus heutiger Sicht keine zusätzlichen Zölle auf unsere Produkte aufgeschlagen werden und wir weiterhin somit ähnlich wettbewerbsfähig in GB zu lokalen Wettbewerbern bleiben, wenngleich die notwendigen Formalitäten und der erhebliche administrative Aufwand zu einer höheren Kostenbelastung führen“, schreibt Werner Stöbich aus der Unternehmenskommunikation. Welser hat seinen Hauptsitz in Österreich, beliefert nach eigenen Angaben seit vielen Jahrzehnten Großbritannien mit Spezialprofilen. Das Unternehmen ist zudem mit einer Verkaufsniederlassung in Cheshire – das liegt zwischen Manchester und Liverpool – vertreten. Außer des erhöhten Aufwands bei der Einfuhr der Produkte seien die internen Prozesse vom Brexit allerdings kaum beeinflusst, erklärt der Sprecher.
Auch bei Gea wird eher gelassen mit dem Thema umgegangen. „Wir sehen derzeit eher geringe Auswirkungen des Brexits für das Geschäft“, sagt Schmalenstroer. Auf den Bönener Standort bezogen gebe es in Großbritannien lediglich eine Produktion für Desinfektionsmittel „mit vergleichsweise geringem Umsatzanteil“.
Der Arbeitsaufwand steigt
Auch beim M-Dax-Vertreter wirkt sich der Austritt vor allem auf den bürokratischen Aufwand aus. Die Sprecherin betont aber auch, dass die möglichen Beeinträchtigungen wie zum Beispiel die Änderungen beim Warenverkehr oder eventuell längere Lieferzeiten durch Zollanmeldungen für alle Wettbewerber gleichermaßen gelten. Sie würden daher kaum Vor- oder Nachteile im Markt nach sich ziehen. Die tatsächlichen Effekte müssten sich aber erst in den kommenden Wochen und Monaten zeigen.
Gering ist auch der Anteil der Kunden in Großbritannien bei Schmitz und Söhne. Der Medizintechnikhersteller mit Sitz in Wickede und Produktion in Bönen muss nun aber einen Dienstleister auf der Insel beauftragen, um dort weiter handeln zu können, erläutert Geschäftsführer Matthias Schmitz. „Das ist für uns der größte Unterschied“, sagt er. Dazu kommt der erhöhte Arbeitsaufwand mit einem Nicht-EU-Land.
Viele Firmen haben sich schon im Vorfeld mit Waren eingedeckt
Da sich der Brexit-Prozess bereits über einige Jahre hingezogen hat, habe Gea längst Kunden und Händler für das Thema sensibilisiert. Bei Welser sei im Vorfeld des Austritts eine gewisse Unsicherheit bei einigen Kunden festgestellt worden.
Diese hätten sich zusätzliche Mengen an Waren auf Lager gelegt, um eine eventuelle schwierige Übergangszeit zu überbrücken, meint Stöbich. Auch bei Schmitz und Söhne haben sie bereits im alten Jahr reagiert, als noch ein No-Deal im Raum stand. Bei ihren Zuliefern haben sie Material für die Produktion rechtzeitig vorbestellt und damit für „eine höhere Bevorratung“, so Schmitz, gesorgt, um auf der sicheren Seite zu sein.
„Wenn weiterhin keine Zölle eingeführt werden, muss nur der zusätzliche administrative Aufwand in Kauf genommen werden. Drohende Abwanderungstendenzen unserer britischen Kunden müssen weiterhin aufmerksam verfolgt werden“, habe auch der Profil-Hersteller den weiteren Verlauf genau im Blick.
Für Schmitz und Söhne sind im Zusammenhang mit dem Austritt noch Zulassungsverfahren für die Medizintechnik relevant, zum Beispiel das CE-Kennzeichen. Die sind in der EU vereinheitlicht, doch dazu zählt Großbritannien nun nicht mehr. Um die Versorgung mit den wichtigen Gütern sicherzustellen, wurde eine Übergangsfrist von drei Jahren vereinbart, wie Schmitz berichtet. Das Unternehmen wird hier also die weitere Entwicklung noch abwarten.