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Bei Kreistagsgeldern betrogen? Staatsanwaltschaft lässt Grünen-Fraktionsbüro und Privaträume durchsuchen

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Von: Bernd Kröger

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Im Sitz der Kreisverwaltung haben Ermittler das Büro der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen durchsucht.
Im Sitz der Kreisverwaltung haben Ermittler das Büro der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen durchsucht. © © Andreas Rother

Neue Stufe der Ermittlungen wegen unlauterer Aufwandsabrechnungen im Kreistag Unna: Durchsuchung im Fraktionsbüro Bündnis 90/Die Grünen und bei zwei ihrer Mitglieder.

Bönen/Unna – Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat im Kreishaus Unna bei der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eine Hausdurchsuchung vorgenommen, dabei Akten und den Computer beschlagnahmt. Sie geht damit weiter dem Verdacht nach, dass die Fraktionsmitglieder Timon Lütschen und Marion Küpper bei der Abrechnung ihrer Aufwandsentschädigungen betrogen haben.

Diese von dem Bönener Dr. Gerrit Heil nach Spaltung der Kreis-Grünen geführte Fraktion (neben den „Grünen im Kreistag Unna“, geführt vom langjährigen Vorsitzenden und Landratskandidaten Herbert Goldmann) steht damit vor dem Aus; der Flurschaden für die Politik ist noch nicht absehbar.

Der Bönener Dr. Gerrit Heil steht als Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Kreistag vor dem Aus. Sie zerbricht an der Abrechnungsaffäre.
Der Bönener Dr. Gerrit Heil steht als Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Kreistag vor dem Aus. Sie zerbricht an der Abrechnungsaffäre. © Carola Schiller

Die kleinere „Einheit“ der Partei im Kreistag wird die neue Ermittlungsstufe politisch einiges kosten. Die Fraktion mit vier Sitzen soll auf Heil und seine – aus der Partei ausgetretene – Ehefrau Daniela schrumpfen. Sie wollen nun die klare Trennung von den verdächtigten Mitstreitern Lütschen und Küpper. Das bedeutet den Verlust des Fraktionsstatus’.

Am 25. Oktober mehrere Durchsuchungen

„Das darf jetzt alles keine Rolle spielen“, sagte Heil, auf den Sachverhalt angesprochen. „Jetzt geht es um volle Transparenz und Aufarbeitung der Sache.“ Er bestätigte die Durchsuchung des Fraktionsbüros am 25. Oktober und berichtete, dass auch die Wohnungen beziehungsweise Büros der Beschuldigten durchsucht worden seien. So hat es im Übrigen auch der Kreisverband seinen Mitgliedern mitgeteilt. Die Staatsanwaltschaft hat den Sachverhalt gleichfalls bestätigt.

Seit März Verdacht gegen drei Politiker

Die Ermittlungen in der sogenannten „Abrechnungsaffäre“ sind im März eingeleitet worden, nachdem der Hellweger Anzeiger im Vorjahr über angeblich erhöhte und unkorrekte Angaben der Grünen-Abgeordneten Lütschen (Lünen) und Küpper (Selm) sowie des UWG-Vertreters Dr. Hubert Seier (Selm) berichtet hatte. Lütschen war zugleich Mitglied der Grünen-Ratsfraktion in Kamen, wurde dort aber bereits ausgeschlossen. Die Kreis-Grünen zogen aus dem Anfangsverdacht noch keine Konsequenzen – bis nun der Staatsanwalt kam.

Fraktionschef Heil hat jetzt genug

„Auch wenn die Unschuldsvermutung gilt: Aber es geht überhaupt nicht, dass die Beiden die Ermittlungen soweit haben eskalieren lassen, dass jetzt das Fraktionsbüro im Haus der Kreisverwaltung durchsucht worden ist. Das bringt nicht nur uns, sondern die gesamte Politik und den Landrat in Misskredit“, sagte Heil. Seine Schmerzgrenze ist überschritten. Offensichtlich hätten Lütschen und Küpper den Ermittlern nicht alle Informationen zur Klärung der Vorwürfe übergeben. Das sei mit der politischen Arbeit in keiner Weise vereinbar.

„Wir haben ja im Zuge der Durchsuchungen den Vorwurf in den Unterlagen sehen können. Bisher hieß es von den Beschuldigten immer, da sei nichts dran“, so Heil weiter. „Aber es geht um Betrug, das ist nun eindeutig nachvollziehbar.“ Lütschen soll als Selbstständiger zu hohe Ausfälle durch seine Mandatstätigkeit angegeben haben. Bei Küpper stehe im Raum, dass sie gar keine Ansprüche hätte geltend machen dürfen, da sie im fraglichen Zeitraum Sozialleistungen bezogen haben soll.

Landrat: Kein Kommentar

Die Redaktion hat Landrat Mario Löhr (SPD) um Stellungnahme zu dem Vorgang in seinem Haus gebeten. Er mag sich aber mit Verweis auf das laufende Verfahren zu der Durchsuchung und der politischen Außenwirkung nicht äußern.

Zu ihr scheint der Kontakt abgerissen. Auf die Aufforderungen zum Gespräch habe sie nicht reagiert, berichten die Parteifreunde. „Timon Lütschen hat angekündigt, die Fraktion zu verlassen. Dafür bin ich dankbar. Er will sein Mandat bis zur endgültigen Klärung ruhen lassen“, berichtete der Noch-Fraktionschef. Marion Küpper sei aufgefordert, aus der Fraktion auszutreten. „Anderenfalls werden wir über den Ausschluss abstimmen.“

Fraktionsstatus geht verloren

Mit dem angekündigten Rauswurf werden Gerrit Heil und Ehefrau Daniela hier die beiden letzten gewählten Kreistagsmitglieder und verlieren den Fraktionsstatus, der mindestens drei Mandatsträger verlangt. Als Gruppe können die Beiden dann ihre Arbeit fortsetzen, sie verlieren aber ihre Sitze in den Ausschüssen, im Gesundheitsausschuss den von Küpper geführten Vorsitz, des Weiteren auch die in den Gremien teils eingesetzten sachkundigen Bürger und Mittel für den Vorsitz und den Geschäftsführer.

„Wir können noch in einem Ausschuss mit Stimmrecht weiter mitarbeiten. Das will meine Frau im Jugendhilfeausschuss übernehmen, die in dem Bereich bereits tätig ist“, sagte Heil.

Nach der Spaltung wieder vereint?

Und: Er sucht in der Not den Schulterschluss zu den Grünen, mit denen er sich direkt nach der Wahl im September 2020 – nach Ansicht von Beobachtern mit Vorsatz – überworfen hat. In dem Krisengespräch nach der Hausdurchsuchung mit dem Kreisvorstand Regina Ranft und Maximilian Ziel sowie der Spitze der „Goldmann-Fraktion“ habe er angeregt, „dass wir uns wieder vereinen. Bei allem, was war: Wichtig ist doch, dass wir im Kreistag Grünen-Politik machen.“

Offene Türen rennt der Bönener damit nicht ein, in der offenen Gemengelage ist sein Gegenüber nicht geneigt, darüber zu entscheiden. Kurzfristig schon gar nicht.

Goldmann-Fraktion will abwarten

„Die Irritationen bei der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben an der Situation in meiner Fraktion ja nichts geändert“, sagte der Vorsitzende Herbert Goldmann. Es habe ja gerade erst einen Informationsaustausch gegeben. Es seien viel zu viele Fragen offen, als dass etwas entschieden werden könne. Goldmann wollte Donnerstagsabend die Lage erstmals mit seiner Fraktion erörtern.

Er sieht zudem die Parteiführung gefordert, die in dem Punkt von der Landespartei beraten wird. Für den Vorsitzenden der „Grünen im Kreistag Unna“ mit zehn Sitzen hat sich vor allem eines nicht geändert: „Die Charaktere, die für die missliche Situation zweier Fraktionen entscheidend gesorgt haben, sind ja immer noch da.“ Gerrit und Daniela Heil eben.

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