Laut Voß kommt es nicht selten vor, dass Zwangsversteigerungen kurzfristig gestoppt werden. „Je näher der Termin rückt, desto größer wird der Druck bei den Beteiligten“, schildert der 53-Jährige. Diese stünden in der Regel auch abseits des Verfahrens in Kontakt, und auf den letzten Metern werde dann manchmal eben doch eine Einigung zwischen Schuldnern und Gläubigern erzielt. Über die konkreten Vereinbarungen erlange das Gericht später keine Kenntnis.
Besagter Gebäudekomplex mit 32 Wohnungen und Ladenlokalen steht seit längerer Zeit leer, das 3500 Quadratmeter große Grundstück ist aus Sicherheitsgründen umzäunt. Die ältesten Mauern stehen seit 1959, die jüngsten wurden im Jahr 1980 errichtet.
Der Verkehrswert der sichtbar schadhaften Immobilie hatte das Gericht mit 1,2 Millionen Euro beziffert. Eine Innenbesichtigung war den potenziellen Bietern bis dato nicht möglich. Vor allem die Anwohner, aber auch die Stadt Bergkamen wünschen sich an dieser Stelle eine Weiterentwicklung.
Der Rat der Stadt hatte der Verwaltung im Dezember eine Million Euro dafür bewilligt, Schandflecke im Ortsbild oder Hindernisse bei der Stadtentwicklung zu beseitigen. Die Idee: Die Kommune kauft brachliegende Grundstücke und Problembauten, damit Neues und Besseres entsteht. Auch den Kauf der verwaisten Schrottimmobilie in Oberaden und damit die Teilnahme an der Zwangsversteigerung hatte die Stadt in Erwägung gezogen.
Dabei trat sie in diesem Fall selbst auch als (nachrangige) Gläubigerin auf, wie Bergkamens Kämmerer Marc Alexander Ulrich berichtet. „Die ausstehenden Forderungen sind aber kurzfristig befriedigt worden“, betont er. Damit gebe es aufseiten der Stadt keine Grundlage mehr für eine Zwangsvollstreckung. Das habe man dem Gericht am Montagmorgen gegen 9.40 Uhr mitgeteilt.
Wie hoch die Forderungen waren, sagt Ulrich mit Blick auf den Datenschutz nicht. Es sei auch um Steuergelder gegangen. „Stand jetzt“, so der Kämmerer, „kann der Privat-Eigentümer mit dem Gebäudekomplex wieder verfahren, wie er möchte.“ Er hoffe, dass die Bauabteilung bald Gespräche über die Weiterentwicklung vor Ort führen könne. Ein Einschreiten der öffentlichen Hand, sprich: ein An- und möglicher Weiterverkauf der Fläche, hätte womöglich die Stadtkasse negativ belastet.
Die Zahl der Zwangsversteigerungen am Amtsgericht Kamen hat nach Angaben von Rechtspfleger Voß abgenommen. „Das hängt mit der hohen Nachfrage auf dem Immobilienmarkt zusammen“, schildert er. Auch mit Hilfe Dritter würden im Fall von Überschuldungen oft untereinander Lösungen gefunden. Die Geldgeber seien mitunter bereit, hohe Beträge in Gebäude zu investieren.
Komme es dennoch zu einer Zwangsversteigerung, wechsele das Objekt meist gleich beim ersten Gerichtstermin den Besitzer. Voß: „Ich hatte neulich ein Erstgebot, das schon über der 7/10-Grenze lag, unter der auf Antrag der Gläubiger ein Zuschlag zu versagen ist. Da wurde erst gar nicht versucht, ein Schnäppchen zu machen.“ Das Geld sitze derzeit relativ locker, sagt Voß.
Derweil ist der Andrang bei den Versteigerungsterminen aktuell groß. Auch für Montag seien zahlreiche Bieter erwartet worden, berichtet Voß. „Wir hatten schon überlegt, vom Saal in den größeren Flur davor auszuweichen, damit die Corona-Abstände besser eingehalten werden können.“ Vorgaben zum Impfstatus könne das Gericht weder Prozessbeteiligten noch Besuchern machen. Das Haus müsse für jeden zugänglich bleiben.
Zum Termin angekündigt hatte sich unter anderem eine Frau aus Marburg, berichtet Voß. „Die ist umsonst angereist.“ Auch aus dem weiter entfernten Ausland kämen mittlerweile Kaufinteressenten zu Versteigerungen ins Amtsgericht.