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Wasserstoff statt Kohle: Steag plant „Smart Energy Hub“ auf Kraftwerksgelände

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Von: Jürgen Menke

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Für die Kohleverstromung in Bergkamen-Heil gibt es aktuell eine Perspektive bis zum Frühjahr 2024.
Für die Kohleverstromung in Bergkamen-Heil gibt es aktuell eine Perspektive bis zum Frühjahr 2024. © Robert Szkudlarek

Die Steag GmbH hat sich erstmals konkreter zur Zukunft ihres Kraftwerkstandorts Heil geäußert. Demnach möchte das Essener Unternehmen die Fläche selbst entwickeln, und zwar zu einem „Smart Energy Hub“.

Bergkamen – Wasserstoff soll dabei eine zentrale Rolle spielen. Ihm gehöre in der industriellen Produktion die Zukunft, hieß es – als Ersatz für Erdgas.

„Es wird keine Lünener Lösung für Bergkamen geben.“ Das sagte Steag-Sprecher Daniel Mühlenfeld am Donnerstag in der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung. Ihre Lünener Kraftwerksfläche hatte das Unternehmen einst komplett an einen Entwickler veräußert.

Schnelle Kasse

Zum damaligen Zeitpunkt, erläuterte Mühlenfeld, habe die Steag Geld für den erwarteten Kohleausstieg benötigt. Derzeit seien die Rahmenbedingungen ganz andere. „Unsere wirtschaftliche Situation ist nicht mehr so, dass wir schnell Kasse machen müssen“, betonte der Sprecher. Auch die Erlöse im ersten Halbjahr 2022 seien „deutlich über Plan“ gewesen.

Das Kraftwerk Heil sollte eigentlich Ende Oktober stillgelegt werden; es hatte den Zuschlag bei einer der jüngsten Auktionen bekommen. Doch angesichts der Energiekrise wird weiter Strom aus Kohle produziert. Man habe die Option, bis zum Frühjahr 2024 damit fortzufahren, betonte Mühlenfeld. „Es ist keine Frage, ob das Werk abgeschaltet wird, sondern wann.“

Optimale Voraussetzungen

Derweil macht sich das Unternehmen laut Mühlenfeld „Gedanken für morgen und übermorgen“. Es liege eine Potenzialanalyse vor, ihr soll im nächsten Jahr eine Machbarkeitsprüfung folgen. Im Fokus stehe die Dekarbonisierung, also die Reduzierung von Kohlendioxidemissionen durch den Einsatz nachhaltiger Energiequellen. Der Standort Heil biete optimale Bedingungen dafür; so sei die Infrastruktur etwa mit der Anbindung an das Hochspannungsnetz ideal.

Die Entwicklung soll sich „nach und nach“ vollziehen. Das ist laut Mühlenfeld unter anderem möglich, weil aktuell nur 43 der 93 Hektar großen Fläche benötigt werden. „Das Kraftwerk war als Doppelblockanlage geplant, der Block B wurde aber nie gebaut“, erläuterte Mühlenfeld. Er hätte mit 720 Megawattstunden leistungsidentisch erstellt werden sollen.

Kein Hauruck

Mühlenfeld betonte, dass die Steag den Weg nicht alleine beschreiten will, sondern „alle Interessen und Bedarfe berücksichtigen“ möchte. „Wir werden nicht sagen, friss oder stirb“, meinte er. Stattdessen wolle man, wie in der Vergangenheit, in Gesprächen auch mit der Stadt Bergkamen bleiben.

Die beklagt bekanntlich seit Jahren einen Mangel an Gewerbeflächen, sodass auch heimische Betriebe kaum eine Chance haben, zu wachsen. Politik und Verwaltung erhoffen sich überdies Entwicklungsmöglichkeiten auf der Erweiterungsfläche von Bayer nördlich des bestehenden Chemiewerks.

Wasserstoff-Cracker

Und was genau soll auf dem Kraftwerksgelände geschehen? Mühlenfeld skizzierte das nur grob. An die Erzeugung von Wasserstoff etwa werde gedacht. Die Wasserstoffgewinnung auch vor der eigenen Haustür sei maßgeblich für die Energiesicherheit in Deutschland.

Überdies könne Bergkamen Standort für Wasserstoff-Cracker werden. Wasserstoff, der in anderen Ländern produziert und als Ammoniak transportiert wird, könnte hier wieder zurückgewandelt werden. In einem „Smart Energy Hub“ könnten auch branchenübergreifend Synergien gehoben werden, betonte Mühlenfeld. Der Standort werde zu einem Drehkreuz für Infrastrukturen und Dienstleistungen.

Weniger Arbeitsplätze?

Die Ausschuss-Mitglieder zeigten sich überrascht, wie weit Steag mit seinen Überlegungen bereits ist. Allerdings machten sie sich auch Sorgen um die Beschäftigten vor Ort.

Rund 100 Arbeitsplätze gebe es aktuell am Standort Heil, erläuterte Mühlenfeld. Angesichts des derzeitigen Weiterbetriebs seien Ruhestandsvereinbarungen teils zurückgenommen und Vorruhestandszeiten verkürzt worden. Zwar gebe es noch den klassischen Kraftwerker und auch die Ausbildung für diesen Beruf, viele jüngere Beschäftigte stellten sich beruflich aber bereits breiter auf, so der Steag-Sprecher. Er räumte gleichwohl ein, dass in einer Großelektrolyse-Anlage weniger Personal benötigt werde als in einem klassischen Kohlekraftwerk.

Bangen um Förderung

Thomas Heinzel (CDU) wollte im Ausschuss wissen, ob Steag auch als Projektpartner für das Fünf-Standorte-Programm des Landes NRW in Frage kommt. Dazu gab es keine klare Antwort. Bürgermeister Bernd Schäfer meinte, bei diesem Geldtopf entscheide rein die Qualität der eingereichten Projekte.

Über das Programm können Fördermittel im Zuge des Kohleausstiegs generiert werden, von dem der Kreis Unna vergleichsweise stark betroffen ist. „Wir haben bis 2038 Zeit und ich würde mir wünsche, dass Mittel auch nach Bergkamen fließen“, meinte Schäfer. „Wir können aber heute nicht zu 100 Prozent sagen, ob es so kommt.“ Andernfalls könne über „zig andere Programme“ versucht werden, Gelder abzugreifen.

Neuer Eigentümer

Eigentümerin die Steag GmbH sind derzeit sechs Ruhrgebietskommunen. Sie wollen das Unternehmen verkaufen und hoffen im kommenden Jahr auf einen Vollzug. Auf Nachfrage aus dem Ausschuss beteuerte Mühlenfeld, dass man davon ausgehe, dass auch die neuen Eigentümer die jetzt erstellten Pläne mittragen würden. Die Kraftwerksstandorte seien „Pfründe, mit denen man wuchern kann“, betonte Mühlenfeld. Anders als vorgesehen vorzugehen, wäre „bar jeder Vernunft“.

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