Der 27-Jährige hatte sein Zuhause mit dem Auto verlassen. Er wollte tanken fahren. Danach wurden weder er noch sein schwarzer Renault Clio je wieder gesehen. Nur eine Spur gab’s: Vom Konto des Vermissten ging wenige Tage nach seinem Verschwinden Geld ab.
Wie sich herausstellte, hatte der 27-Jährige an der Esso-Tankstelle Lichtendorf an der A1 Sprit nachgefüllt sowie Zigaretten und Getränke gekauft. Seine Familie erstellte sogleich Plakate mit einem Foto des Vermissten und hängte sie vielerorts auf – ohne, dass entscheidende Hinweise eingegangen wären.
Dass nach dem 27-Jährigen per Öffentlichkeitsfahndung gesucht wird, hängt allein mit seinem vermuteten labilen Zustand nach einem Todesfall in der Familie zusammen. „Der Mann ist erwachsen. Erwachsene dürfen hingehen, wohin sie möchten – und sie dürfen auch nicht gefunden werden wollen“, sagt Howanietz’ Sprecher-Kollege Bernd Pentrop. Doch er weiß: Für Angehörige, die sich berechtigte Sorgen machten, sei das mitunter nur schwer zu verstehen.
Dass Menschen als vermisst gemeldet werden, ist Alltag für die Gesetzeshüter. Das zeigt die LKA-Statistik. Demnach wurden 2022 durch die NRW-Polizei nicht weniger als 32.875 Vermisstenfälle zur Fahndung ausgeschrieben, im Schnitt 90 pro Tag. Im Mittel der vergangenen zehn Jahre waren es jährlich 25.907, von Jahresbeginn bis zum 22. März schon 6597.
„Im ganz überwiegenden Teil handelt es sich um Jugendliche, die sich unerlaubt aus Aufnahmeeinrichtungen oder ihrem Elternhaus entfernt haben und in der Regel nach wenigen Stunden oder Tagen wieder zurückkehren“, heißt es in Düsseldorf. Beispielhaft für 2020 hat die Behörde nachgeschaut, wie lange es dauert, bis vermisste Personen wieder auftauchen. Von den damals 32.009 Fällen haben sich 20.410 innerhalb von ein bis drei Tagen erledigt, 6369 innerhalb von drei Tagen bis einer Woche, bei weiteren 1749 Fällen dauerte es ein bis zwei Wochen.
Der prozentuale Anteil der unaufgeklärten Fälle liegt laut LKA „im niedrigen einstelligen Bereich“. Abgeschlossen würden Vermisstenfälle allerdings erst mit der Ermittlung des Aufenthaltsortes oder dem Fund einer Leiche, die einer vermissten Person zugeordnet werden könne. „Auch wenn wesentliche Teile eines Leichnams fehlen, bleibt der Fall aktiv, da weiterhin mit der Auffindung von Leichenteilen gerechnet werden kann und diese dann der vermissten Person zugeordnet werden können“, heißt es.
Die Gründe, warum ein ehemals Vermisster wiederkehrt, würden in der Regel nicht erfragt und auch nicht erfasst oder ausgewertet, teilt die Landesbehörde mit. Und: Man könne wohl davon ausgehen, dass sich die Wahrscheinlichkeit des Todes einer Person mit zunehmender Abwesenheit aus dem gewohnten Lebensumfeld erhöhe. „Ein Grundsatz lässt sich daraus nicht herleiten, da hierfür auch andere Ursachen in Frage kommen.“
Das NRW-Fahndungsportal führte am Dienstagmorgen 18 Vermisstenfälle auf – darunter den des 27-Jährigen. Das LKA verweist nicht nur darauf, dass die Chancen, einen Vermissten zu finden, mithilfe der Öffentlichkeit steigen würden. Zudem heißt es: „Durch die Öffentlichkeitsfahndung entsteht auf die als vermisst gemeldete Person ein zunehmender Fahndungsdruck, was dazu führen kann, dass sich die vermisste Person gegebenenfalls selbst mit der Polizei in Verbindung setzt und der Vermisstenfall auf diese Weise geklärt werden kann.“