Rahmenkonzept "Bergkamen mittendrin" liegt vor
Einkaufzentrum in Bergkamen-Mitte: Absage für den Turmarkaden-Nachfolger
Bergkamen - Kehrtwende in der Stadtplanung, Fragezeichen hinter dem Interra-Projekt: "Bergkamen mittendrin" setzt andere Prioritäten als ein Einkaufscenter:
Das war eine Sitzung für die Geschichtsbücher. Weniger, weil der Stadtentwicklungsausschuss wegen der Coronaauflagen unter denkwürdigen Um- und Abständen im Ratstrakt tagte. Im Schatten der alles beherrschenden Pandemie haben Politik und Verwaltung am Donnerstag nichts Geringeres getan, als ein neues Kapitel der Bergkamener Stadtgeschichte aufzuschlagen:
Im Juni soll Fahrplan amtlich werden
„Bergkamen mittendrin“ ist dafür als Überschrift gesetzt. Die Inhaltsangabe mit den Stichworten aus Bürgeranhörungen und politischer Beratung hat die Planungsgruppe Stadtbüro erstmals öffentlich vorgelegt. Mit dem Ratsbeschluss am 25. Juni soll das gleichnamige Konzept verbindliche Richtschnur der Stadtentwicklung mindestens der 20er Jahre werden. Denkbarer Start: Herbst ‘21. Das bedeutet vor allem eines: Nach drei Fehlschlägen keine Versuche mehr mit zentriertem Einzelhandel eine Mitte nach altem Schnittmuster zu schneidern. Ein Bruch mit dem, was bisher anstelle der Turmarkaden entstehen sollte.
Modernisierung von Häusern und Plätzen
Wohnen ist das neue Shoppen. Mit einer Modernisierungsoffensive an Gebäuden und Plätzen, die mit neuen sozialen Angeboten einhergeht, soll die Mitte als Quartier von sich reden machen, das Ämter, VHS, Bücherei und mehr um die Ecke und auf kurzem Wege Attraktionen im Grünen bietet. „Vernetzte Mitte“ ist der Slogan, den Carsten Schäfer und Tobias Zahn vom Stadtbüro dafür geprägt haben. Weil mit und um das Rathaus – von der VHS im Treffpunkt bis zum „Anstoß“ der Streetworker am Stadion – viele wichtige Einrichtungen in Beziehung stehen und besser gebracht werden. Und weil ein Ausbau der Wege in der Grünachse sowie des Nahverkehrs ein besseres Netz schaffen soll: Zu Oasen wie der Halde Großes Holz oder der Zechenbrache Grimberg I/II als kulturellem Anker samt Erinnerung an den Bergbau.
Städtebau bietet Chancen für soziale Projekte
„Das ist ,die’ Eintrittskarte in die Städtebauförderung“, erläuterte Schäfer. Durch die Einbettung in ein „Integriertes Stadtentwicklungskonzept“ (ISEK) nach Maßgabe des Landes entstehe Verbindlichkeit. „Maßgeblich ist die Strategie, es geht hier noch nicht um die einzelnen Maßnahmen“, betonte der Raumplaner. Die Projekte seien jeweils separat zu beraten und beim Land zur Förderung anzumelden. In der Regel gibt es dort 70 Prozent Zuschuss. Zudem sei auch das Konzept nicht unumstößlich, sondern jederzeit veränderten Vorstellungen anpassbar.
Politische Weichenstellung im Hauptausschuss
Der integrative Ansatz der Städtebauförderung hat in den Augen des Beraters für Bergkamen besonderen Wert: „Es gibt hier nun mal soziale Probleme, die sich mit Bauen allein nicht lösen lassen.“ Mit NRW-Geldern ließen sich „mittendrin“ flankierende Angebote wie Qualifizierungsmaßnahmen, Einstiegshilfe in den Beruf oder Sprachförderung aufbauen. Die politische Bewertung soll Fahrt aufnehmen, wenn der Hauptausschuss kommenden Mittwoch das Konzept erörtert. Die CDU will sich erst bis dahin abstimmen, von der SPD gab es ersten Applaus, die FDP begrüßte die Studie. Die Grünen reagierten verhalten („interessante Absichtserklärung“) und BergAuf zeigte einige Skepsis. (Mehr nach dem Hauptausschuss).
Stadt will mit Investor über neue Prioritäten reden
Ein Knackpunkt steht nicht im Konzept – aber unübersehbar vor der Tür: Wie umgehen damit, dass Investor Interra vis-à-vis des Rathauses gerade die Turmarkaden plattmacht mit dem bisher von Amts wegen unwidersprochenen Ziel, zum vierten Mal dort aufzubauen, wovon der Gutachter nun klar abrät: ein Einkaufscenter. Dezernent Marc Ulrich kündigte auf Anfrage an, zügig darüber mit Interra zu sprechen. Mangels Bebauungsplan hat die Stadt gerade wenig in der Hand, um den Entwicklungsprozess steuern zu können. Auch darüber wird zu reden sein.