Als „Richter ohne Robe“ soll der 55-Jährige Recht sprechen, die Frage nach Schuld oder Unschuld und gerechter Strafe als Laie im Austausch mit den Profis beantworten. So sieht es das Schöffenwesen vor, in dessen Dienst sich Frank Stamner ehrenamtlich stellt, als wäre es das Normalste auf der Welt.
Aber nicht ohne Grund werben die Städte gerade intensiv um Schöffen. (Hier Bergkamen) Überregional macht drohender Schöffen-Mangel Schlagzeilen. „Aber Bergkamen hatte noch nie Probleme, genügend Freiwillige zu finden“, berichtet Sabine Koyka vom Rechtsamt. 18 Schöffen hat die Stadt, 14 Hauptschöffen am Landgericht und vier Schöffen am Amtsgericht Unna. Zudem Jugendschöffen.
Damit der Schöffenwahlausschuss beim Amtsgericht eine Auswahl hat, ist Bergkamen aufgefordert, mindestens 36 Bewerber zu benennen. Mehr als 30 Bewerbungen habe sie gleich nach Veröffentlichung des Aufrufs bekommen, dazu einige Anfragen. „Die amtierenden Kräfte sind außerdem angefragt“, so Koyka. „Beim letzten Mal hatten wir gut 60 Bewerber.“
Stamner, kaufmännischer Angestellter, möchte wieder dabei sein, wenn bei Gericht ausgewählt wird, wer berufen wird. Zum Glück trage sein Arbeitgeber, die Rhenus AG, das Engagement mit. Apropos: Verdienstausfall für die Tage in den Kammern steht dem Schöffen zu, Fahrtgeld „und eine Pauschale von sieben oder acht Euro pro Stunde. Da komme ich bei einem Tag am Landgericht so ungefähr auf 75 Euro.“ Das sei aber nebensächlich.
Was macht den Reiz aus, sich mit den – mitunter schweren – Vergehen anderer Menschen zu befassen? Neugierde: „Ich dachte, ein Ehrenamt wäre nicht schlecht. Und ich fand es interessant, zu schauen, wie Richter so ticken, wie Anwälte agieren“, sagt der Rünther.
In Berufungsinstanzen, Mal in der Großen, mal in der Kleinen Strafkammer prüft Stamner am Landgericht Dortmund nun Verfahren und Urteile am Amtsgericht, bei denen der Ausgang angefochten wird. „In der Kleinen Kammer sind wir zwei Schöffen und ein Richter, den könnten wir überstimmen. In der Großen sind es drei Richter und zwei Schöffen.“
An seinen ersten Prozess erinnert sich der Schöffe noch gut. Clan-Kriminalität in Dortmund, große Drogengeschäfte, mehrere Angeklagte und Prozesstage, Medienrummel – alles, was zunächst ehrfürchtig macht. Inzwischen weiß Stamner, wie der Hase läuft. Und er macht sein Wort. Wie in dem Fall eines 17-Jährigen, der ohne Führerschein wiederholt Roller fuhr und geistig eingeschränkt war. Mit Haft wollte ihn der Richter zur Räson bringen, Stamner setzte Bewährung durch. „Der wird im Knast endgültig versaut, welche Chance hat er noch?“ So kam der Betreuer zum Zug.
„Es geht nicht zuerst um Strafe, letztlich wollen wir den Leuten helfen“, betont der Richter ohne Robe. „Es geht um die Frage, was zu tun ist, damit eine Person nicht mehr straffällig wird.“ Kommt hier die Wahrheit auf den Tisch? Besteht nachweislich eine Schuld? Wie wahrscheinlich ist ein Rückfall? Nach diesem Gerüst werde verhandelt und beraten.
Stamners Tipp an Interessenten: „Ganz normal reingehen, gut zuhören, gucken, was sich im Prozess ergibt.“ Und beisteuern, was Kern des Schöffenwesens: die Sicht der ganz normalen Leute.