„Joachim Eick und Ulrich Buschmann haben lange keine Nachfolger für ihre Praxen gefunden, obwohl sie viele junge Ärzte angesprochen haben. Auf diese Situation mussten wir reagieren“, erzählt Gründungsvater und neuer MVZ-Geschäftsführer Dr. Thomas Huth (73 Jahre), wie es zu der Gründung gekommen ist.
Wie kritisch die Situation aktuell ist, belegen die Zahlen: Zwar sind in Bergkamen derzeit 23,25 hausärztliche Kassensitze besetzt, der Versorgungsgrad für die Einwohner liegt damit laut der KVWL bei rund 89 Prozent. Aber: Sechs Niederlassungsmöglichkeiten sind offen. Und über 30 Prozent der Hausärzte sind bereits älter als 60 Jahre.
„Praxisnetze und Medizinische Versorgungszentren sind sicher kein Allheilmittel für die sich abzeichnenden Herausforderungen der ambulanten medizinischen Versorgung“, bemerkt Dr. Dirk Spelmeyer, „aber sie können an vielen Stellen belegbar die regionale Versorgung der Patienten verbessern, die Nachbesetzung von Arztsitzen erleichtern und im kollegialen Miteinander die einzelne Praxis und das Praxisteam entlasten. Mithilfe des MVZ können junge wie erfahrene Ärzte integriert werden. Die erfahrenen Ärzte können sich noch besser um den Nachwuchs und damit um die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung kümmern.“
Letzteres sei beileibe nicht einfach: „Junge Menschen, die sich heute für den Arztberuf interessieren, haben den berechtigten Wunsch, Beruf und Privatleben so zu organisieren, dass beides im Alltag ausgewogen Platz findet. Sie möchten mit Leib und Seele Arzt und Ärztin sein – aber zu geregelten Zeiten und mit möglichst wenig Bürokratieaufwand. Hierbei können Praxisnetz und MVZ eine gute Symbiose bilden“, so Spelmeyer.
Erst im August 2019 schuf der Gesetzgeber die Möglichkeit, dass auch Praxisnetze Medizinische Versorgungszentren gründen können. Dafür hatte sich insbesondere die KVWL stark gemacht. „Das war für uns der Startschuss. In einem Workshop der KVWL haben wir uns dann gefragt: Wie wollen wir die Zukunft unseres Ärztenetzes gestalten? Wie können wir zukunftsfähig werden und die beiden Praxen für die Menschen in Bergkamen sichern?“, erzählt Thomas Huth. Nach vielen Gesprächen und Beratungen, auch durch die Experten der KVWL, fassten die Ärzte im Praxisnetz den Entschluss, ein MVZ zu gründen.
Vergangenes Jahr einigten sich Huth und Mitgeschäftsführer Hans-Peter Nocker (68 Jahr, Psychologe) sich schließlich mit den beiden Hausärzten. Die Lösung: Der 69-jährige Ulrich Buschmann und sein vier Jahre älterer Kollege Joachim Eick arbeiten als angestellte Ärzte im neuen MVZ weiter mit. „Beide sind noch fit und gesund, und so können sie ihre angestammten Patienten weiterversorgen“, sagt Thomas Huth. Der Praxisübernahmevertrag war schnell geschlossen. Im September dieses Jahres bewilligte der Zulassungsausschuss der Bezirksregierung in Arnsberg dann den MVZ-Antrag.
„Wir werden uns nun weiter mit dem Praxispersonal zusammensetzen. Ein gutes Teamwork ist uns wichtig. Wo früher vielleicht Rivalität war, heißt es jetzt zusammenzuarbeiten und sich als Team zu entwickeln. Nur im Miteinander können wir erfolgreich sein“, betont Thoma Huth.
Und dieses neue Miteinander wirkt offenbar schon jetzt anziehend, denn neben den beiden erfahrenen Hausärzten und Dr. Edith Kirsch, Ärztin für Innere Medizin, stößt noch Dr. Julia Grziwotz zum Team hinzu. Sie hat zuvor bei Ulrich Buschmann die Weiterbildung zur Fachärztin absolviert und jetzt ihre Zulassung als Allgemeinmedizinerin erhalten. So geht das „MVZ GNU“ zum Jahresbeginn 2023 mit insgesamt drei Kassensitzen in Bergkamen an den Start.
Gründer Thomas Huth ist voller Vorfreude: „Mit der Gründung unseres MVZ greifen wir anderen vor, die das vielleicht eher als Renditeobjekt sehen würden. Uns jedenfalls geht es nicht ums Geld, sondern um die Versorgung, deswegen investieren wir als Ärztenetz.“ So sollen künftige Überschüsse dem Praxisnetz zugutekommen respektive eine Erweiterung des MVZ um Facharztpraxen ermöglichen. Auch die Gründung eines Gesundheitszentrums sei denkbar. Für die Zukunft haben die MVZ-Pioniere laut der KVWL jedenfalls noch reichlich Ideen.