Der Kreis Unna betont, dass die eigene Überwachung der Geschwindigkeit „die Sicherheit auf den Straßen erhöhen und nicht den Profit maximieren“ solle. Die Anschaffung des Trailers stehe darüber hinaus in keinem Zusammenhang mit dem neuen Bußgeldkatalog.
Tatsache aber ist, dass der Kreis durch die gestiegenen Summen mit höheren Einnahmen rechnen kann – und auch rechnet. In Gänze werden zwei Millionen Euro zusätzlich erwartet. Der Etat-Ansatz für 2022 bleibt mit 8,8 Millionen Euro allerdings auf Vorjahres-Niveau, weil von einem Einnahme-Rückgang bei den sogenannten Fremdanzeigen ausgegangen wird. Während die Polizei die geringer ausfallenden Verwarngelder meist selbst kassiert, leitet sie die Bußgeldverfahren an die Kreisbehörde weiter. Dort verbleibt dann auch das vereinnahmte Geld.
Allein die Autobahnpolizei Dortmund übermittelte dem Kreis in den ersten drei Quartalen des abgelaufenen Jahres 4124 Fälle. Das waren allerdings vergleichsweise wenige, weil ihr „Enforcement Trailer“ wegen Corona und einem Rückgang an größeren Baustellen seltener vor Ort war. Im gleichen Zeitraum 2020 waren es noch 12.051 Fälle, 2019 sogar 56.091.
Der neue Bußgeldkatalog soll Autofahrer zum Einhalten der Verkehrsregeln anhalten. Aber lassen sich potenzielle Raser und Rotsünder von den erhöhten „Preisen“ beeindrucken? Um diese Frage zu beantworten, sei es noch zu früh, meint Christian Bornemann, Leiter Bußgeldstelle und Verkehrssicherung beim Kreis. Dazu lägen noch zu wenige Daten vor. „Gefühlt“ sei bisher keine deutliche Veränderung des Verhaltens erkennbar.
Die Reaktionen der Verkehrsteilnehmer auf die Neuregelung falle wenig einheitlich aus, heißt es beim Kreis. Ähnliche Erfahrungen macht die Kreispolizei. „Die einen sind überrascht, dass es teurer geworden ist, und lassen sich eine Zahlkarte ausstellen statt sofort zu zahlen. Andere sind einsichtig und fügen sich in ihr Schicksal“, sagt Polizei-Sprecherin Vera Howanietz. Und: Einfluss auf die Kontrollpraxis habe die Einführung des neuen Bußgeldkatalogs nicht gehabt.
Dies betonen auch Kreis Unna und Stadt Bergkamen, deren Ordnungsamt involviert ist, wenn es um den ruhenden Verkehr geht, vor allem um Parkverstöße. „Ja, manche Menschen reagieren aufbrausend und sind auf Krawall gebürstet, wenn’s ein Knöllchen gibt“, sagt dessen Mitarbeiter Stefan Klement. Mit den neuen Sätzen sei das nicht besser geworden. Dabei sei die Stimmung auf der Straße ohnehin gereizt.
Tatsächlich werden auch Falschparker deutlich stärker zur Kasse gebeten – etwa, wenn sie auf Geh- und Radwegen stehen. Das kostete früher 20 Euro, heute 55. Wer dabei andere behindert, muss nicht nur mindestens 15 Euro drauflegen, sondern kassiert auch noch einen Punkt in der Verkehrssünderkartei in Flensburg.
Der Kreis Unna hat in den Jahren 2016 bis 2020 jeweils Einnahmen zwischen 2,52 und 2,73 Mio. Euro aus eigenen Verkehrskontrollen erzielt (ohne Fremdfälle der Polizei). Bis Mitte Dezember 2021 wurden knapp 2,4 Mio. gezählt. Der Etat-Ansatz 2022 liegt bei drei Millionen Euro und damit eine halbe Million Euro höher als im Vorjahr. Stationär wird an acht Stellen im Kreis das Tempo von Fahrzeugen kontrolliert. Darüber hinaus gibt es rund 550 Messstellen für die mobile Überwachung. Im Bereich der Verkehrsüberwachung werden knapp elf Vollzeit-Stellen vorgehalten, die nicht immer alle besetzt sind. Zuletzt wurden Mitarbeiter zur Pandemiebekämpfung abgestellt.
„Gerade damit rechnen die Wenigsten“, weiß Klement. Dabei könnte das der entscheidende Punkt sein, der zur Abgabe des Führerscheins und zu einer teuren Medizinisch-Psychologischen Untersuchung führe. Man rechne damit, dass die Zahl der Widersprüche in den Verfahren ansteigt.
„Wir schauen nicht aufs Geld, sondern – wie vor der Gesetzesänderung – auf die Verkehrssicherheit“, heißt es auch beim Ordnungsdienst. 2020 hatte die Stadt 6533 Verwarnungen ausgesprochen. Bis Mitte Dezember waren es 5916. Man rechne mit Mehreinnahmen in 2022.
Der in der Gemeinde Bönen für den Verkehr zuständige Fachbereichsleiter Jörg-Andreas Otte sagt: „Es werden unverändert schwerpunktmäßig die Gefahrenstellen und verkehrsbehindernden Parksituationen kontrolliert. Auch Anregungen und Hinweise aus der Bürgerschaft werden grundsätzlich in die Kontrollen mit aufgenommen.“
Eine Änderung der Reaktionen auf „Knöllchen“ hat Otte nicht ausgemacht, auch wenn sich Autofahrer neuerdings schnell einen Punkt in der Verkehrssünderkartei in Flensburg einfangen, wenn sie zum Beispiel in zweiter Reihe parken und dabei jemanden behindern. „Derjenige, der ein Verwarnungs- beziehungsweise Bußgeld erhält, ist im Regelfall verärgert, jedoch nicht mehr als vor der Regeländerung.“ Den allermeisten Verkehrsteilnehmer sei klar, dass nicht die Gemeinde die Höhe der Gelder festlege, sondern der Gesetzgeber.
Die Einnahmen aus der Verkehrsüberwachung lagen 2019 laut Otte bei etwa 49.500 Euro (2993 Verfahren) und 2020 bei rund 49.000 Euro (2509 Verfahren). Im vergangenen Jahr wurden bis kurz vor Weihnachten zirka 33.600 Euro eingenommen, bei rund 1600 Verfahren. Der Rückgang sei der Tatsache geschuldet, dass Außendienst-Mitarbeiter wegen bei der Bewältigung der Corona-Krise mitwirken würden.
Im Haushalt der Gemeinde Bönen waren im Jahr 2021 Erträge in Höhe von 70.000 Euro eingeplant. Die Etatplanung für 2022 sei noch auf Grundlage der „alten“ Verwarnungs- und Bußgelder und unter Berücksichtigung der verringerten Kontrollhäufigkeit erfolgt, so Otte. Rechnerisch erwartet werde ein Betrag von 60.000 Euro.
Nachfolgend einige Beispiele aus dem neuen Bußgeldkatalog:
Geschwindigkeit
Parken