Wo die Wärme konkret herkommt, steht noch nicht fest. Das soll mit einer sogenannten Transformationsstudie des Fraunhofer-Instituts an der Ruhr-Universität Bochum geklärt werden. Geothermie, Solarthermie und Biogas lauten die Stichworte. Auch an Prozesswärme aus Industrieunternehmen oder Kläranlagen ist gedacht sowie an eine Wärmeentnahme aus Grubenwasser oder dem Datteln-Hamm-Kanal. „Wir nehmen alles, was geht, auf unsere Reise mit“, formuliert Baudrexl die Strategie.
Derzeit umfasst das GSW-Netz drei größere Einzelnetze: zwei in Kamen („Seseke-Aue“ und „Kamen-Karree“), das größte mit 540 Anschlüssen in Bergkamen. Dieses gilt schon jetzt – zumindest auf dem Papier – als nahezu klimaneutral. „80 Prozent der Wärme kommt aktuell aus dem Biomasse-Kraftwerk von Eon“, erläutert Baudrexl. Der Rest werde mit dem eigenen Stützheizkraftwerk an der Erich-Ollenhauer-Straße abgedeckt, das – noch – mit Erdgas betrieben werde.
Offiziell als klimaneutral eingestuft ist auch die Energiegewinnung (Strom und Wärme) aus Grubengas, wie es sie in Kamen gibt. Dort erweitern die GSW aktuell ihr Netz. Ausgehend vom Betriebshof an der Wilhelm-Bläser-Straße werden neue Leitungen in Richtung Rathaus verlegt, um am Ende auch den GSW-Hauptsitz an der Poststraße und umliegende Verwaltungsgebäude anzuschließen. Auf dem Weg dahin soll auch größeren Wohnquartieren auf Wunsch Fernwärme zur Verfügung gestellt werden. Wie viele Haushalte oder Personen pro Anschluss versorgt werden, weiß das kommunale Unternehmen nicht.
Weg vom Erdgas, hin zu erneuerbaren Energiequellen: Bis 2040/45 wollen die GSW die Transformation geschafft haben. Dazu müssen laut Baudrexl schon jetzt die Weichen gestellt werden. „Wir warten aktuell auf die Förderzusage für die Transformationsstudie“, erläutert er. Erst mit deren Ergebnissen ließen sich konkretere Schritte benennen und Einzelmaßnahmen ableiten.
Andere Städte sind fein raus. München und Schwerin wüssten etwa schon jetzt, dass Geothermie bei ihnen möglich sei, sagt Baudrexl. Auch Münster könne damit rechnen, plane mit Tiefengeothermie. Wie die geologischen Verhältnisse im Versorgungsgebiet der GSW aussehen, wisse indes niemand. Auf eigene Rechnung Probebohrungen bis fünf Kilometer hinab zu beauftragen, wäre aus Sicht Baudrexls ein zu hohes Risiko. „Das würde eine zweistellige Millionensumme kosten.“ Solch Projekt könne man allenfalls mit einer öffentlichen Förderung stemmen.
Doch Bergkamen und die Region haben ein anderes Pfund: Grubenwasser. „Es ist laut Prognose 25 bis 26 Grad warm“, erläutert Markus Uhrich, der bei den GSW für die Netzplanungen im Bereich Wärme zuständig ist. Mithilfe von Wärmetauschern könnte dem Wasser die Energie entnommen werden, um diese dann durch Wärmepumpen auf die nötige Netztemperatur (derzeit bis zu 105 Grad) zu bringen.
Die Gemeinschaftsstadtwerke (GSW) haben 2021 mehr als 60 Gigawattstunden Wärme in ihre drei Netze eingespeist: Rund 45 Gigawattstunden entfielen auf Bergkamen mit seinen 540 Anschlüssen, etwa 14 auf die beiden Kamener Netze (Seseke-Aue: 70 Anschlüsse; Kamen-Karree: 22 Anschlüsse). In Bönen gab’s eine Abnahme von rund 1,4 GWh. Hier existiert ein kleineres Nahwärmenetz. Mit einem Blockheizkraftwerk werden „Bad & Sauna“, Goetheschule und Turnhalle versorgt. Die Länge der GSW-Netze insgesamt: rund 32 Kilometer.
Mit der RAG sei man bereits seit vielen Jahren zum Thema Grubenwasser-Nutzung im Gespräch, schildert Uhrich. Auf dem Gelände des ehemaligen Bergwerks Haus Aden in Oberaden soll die Grubenwasserhaltung für das gesamte östliche Ruhrgebiet gesteuert werden. Derzeit steigt der Wasserspiegel unter Tage an. Erreicht er die 600-Meter-Marke, soll das Grubenwasser abgepumpt und in die Lippe geleitet werden. Dann schlägt die Stunde der GSW. Auch die auf dem Aden-Areal entstehende Wasserstadt (rund 300 Wohneinheiten) soll künftig mit Wärme aus der Erdflüssigkeit geheizt werden. Denkbar sei auch ein Anzapfen von Grubenwasser an anderen Stellen, heißt es.
Laut Baudrexl wird der Ausbau der Fernwärme auch nötig, da zur Bedarfsdeckung nicht flächendeckend Wärmepumpen als Alternative zu Gas- oder Ölheizungen installiert werden könnten. „Nicht jedes Gebäude eignet sich dazu“, sagt der GSW-Geschäftsführer. Auch gäbe es dann wohl Probleme bei der Stromversorgung, nicht zuletzt fehle es an Fachkräften zur Installation. „Wir werden im Einzelfall noch Dramen erleben“, prophezeit Baudrexl – etwa, wenn Brenner ausrangiert werden müssten und keine Ersatzlösung gefunden werde oder diese mit hohen Kosten verbunden sei.
Das GSW-Fernwärmenetz der Zukunft hat dezentrale regenerative Wärmequellen – darunter auch Blockheizkraftwerke (BHKW), die zugleich Strom produzieren und die dann im besten Fall mit grünem Wasserstoff betrieben werden. Bis diese Energieform zu bezahlbaren Preisen und in größerem Volumen zur Verfügung steht, dürfte es allerdings noch einige Zeit dauern.
Apropos bezahlbar: „Nachhaltig erzeugte Energie und Versorgungssicherheit gibt es nicht zum Nulltarif“, sagt Baudrexl. Er rechne damit, dass Strom und Wärme nie wieder so preisgünstig sein werden vor der Krise. Darauf müssten sich die Verbraucher einstellen. Die GSW seien aufgerufen, in Vorleistung zu treten und auf dem Weg der Transformation so viele Fördergelder wie möglich abzugreifen. Ob die Investitionen am Ende mit diesen Mitteln sowie aus eigener Kraft gelinge, bleibe abzuwarten. Nicht ausschließen will Baudrexl, dass Investitionszuschüsse der drei Anteilskommunen nötig werden. „Wir wissen heute noch nicht, wo wir landen werden.“
Die Gebäude im „Erdbeerfeld“ in Oberaden sollen über ein BHKW erwärmt werden. Dessen Installation ist im einstigen Kohlebunker der örtlichen Realschule geplant, die gleich mitversorgt wird. Zunächst läuft die Technik mit Erdgas, die Umstellung auf Wasserstoff wird aber immer mitbedacht.
Baudrexl betont, dass die Kosten für das Quartiersnetz nicht isoliert betrachtet werden dürften. Dieses Netz werde absehbar Teil eines Ganzen. Gleiches gelte für den geplanten Anschluss der Waldsiedlung, die die RAG auf dem Grimberg 3/4-Gelände realisieren möchte.
Die GSW werden ganz am Ende der Entwicklung kein Gaslieferant mehr sein. „Wir stehen daher auch vor einer personellen Transformation“, sagt Baudrexl. Derzeit kümmern sich rund zehn Mitarbeiter um die Fernwärme, absehbar werden es deutlich mehr werden.