„Man kann hier auch mal quatschen“, bringt die Bewohnerin aus dem Haus Seniorenglück auf den Punkt, was für die alten Leute im Haus den Unterschied ausmacht: Leben vor der Tür, selbstständig Frisches besorgen statt Angehörige zu bitten, etwas aus dem Laden mitzubringen. Abwechslung im Alltag und ein Pläuschchen.
Das Angebot an der Rünther Straße hat auch für die Nachbarn und Passanten ihren Reiz. „Ich wohne am Schwarzen Weg gleich um die Ecke“, erzählt Kira Ogrodniczek. Die junge Mutter holt Obst für ihre beiden kleinen Kinder. „Ich komme lieber hierher, als in den Supermarkt zu gehen.“ Sie möchte das neue Angebot unterstützen und schätzt die Qualität der Ware am Marktstand.
„Wir haben hier nur Gutes. Ein bisschen teurer vielleicht, aber Qualität. Ich biete nur an, was ich selber gern essen würde. Und wenn jemand eine Beschwerde haben sollte, finden wir einen Weg“, erklärt Händler Coban seine Philosophie. Der 50-Jährige hat mit dem fliegenden Obsthandel an verschiedenen Orten aus einer persönlichen Krise so etwas wie seine Berufung gefunden, wie er berichtet. „Wir machen hier alles, Obsthandel und Therapie“, betont Coban mit einem Augenzwinkern, dass ihm der freundliche Austausch mit den Menschen über den Stand hinweg so wichtig ist.
„Früchte der Erde“ heißt sein Geschäft. Mit einem Stand vor der Gärtnerei Scharrenbach in Kamen hat er vor gut einem Jahr angefangen, der Marktplatz Heeren kam dazu. Bis zum Wechsel hierher stand der Händler mittwochs am Gartencenter Röttger. Die Leitung im Haus Seniorenglück habe ihn angesprochen und den Start hier unterstützt.
Über den Verein „Familienbande“ in Kamen liefen die Kontakte. Mit Hilfe des Netzwerks sei er selbst wieder auf die Füße und auf die Idee mit dem Marktstand gekommen. „Ich gehe nur dahin, wo ich allein stehen kann“, erklärt der Mann mit türkischen Wurzeln. Im Preiskampf der Wochenmarkthändler könne er mit seinem Angebot so nicht bestehen.
Burhan, der selbst jeden duzt, berichtet von seiner Erfahrung mit Krieg und Tod als vormaliger Soldat der türkischen Armee, dem Wechsel nach Deutschland samt Absturz auf die Straße und wie er aus der seelischen Krise herausgefunden hat. „Nasip“ habe ihn gerettet, auf Deutsch: das Schicksal. So hat Coban die Kangalhündin getauft, seine ständige Begleiterin, seit sie sich auf der Straße trafen und das Tier ihn zurück in die Spur brachte.
„Wo ist der Hund?“, fragt also nicht von ungefähr die nächste Kundin mit Rollator. Dass die beiden unzertrennlich sind, hat sich nach vier Wochen in Rünthe herumgesprochen. Da fällt auf, dass „Nasip“ heute im Lieferwagen sitzt, weil’s wärmer ist.
„Ich find’s genial, dass der jetzt hier ist“, sagt Sabine Fischer-Kukec. Die Rüntherin wollte „eigentlich nur in die Apotheke“, konnte sich der Verlockung aber nicht entziehen. Ein Hauch von Marktflair im Dorf. „Dafür würde ich auch extra herkommen und nicht nur, wenn ich sowieso vorbeifahre.