Um 11.30 Uhr begann die Evakuierung. Mit Heiko Brüggenthies, Leiter des Sachgebietes Ordnungsangelegenheiten, waren 15 Personen aus der Verwaltung im Einsatz. Die Einsatzleitung hatte Stefan Klement. „Es war seit Beginn der Aufzeichnungen die 412. Entschärfung“, erzählte er. „Wir haben im Schnitt zwei im Jahr“, zählte er die in seiner 30-jährigen Amtszeit grob zusammen. „Nicht jede Bombe ist eine oder muss entschärft werden, einige Verdachtsfälle entpuppen sich als sogenannte Zerscheller“, blickte Klement zurück.
„Drei Personen mussten transportiert werden“, sprach auch Feuerwehrchef Dirk Kemke von einem entspannten Vormittag. „Eine Person im Rollstuhl mussten wir überreden, das Gebäude zu verlassen“, ergänzte er.
Im Treffpunkt an der Lessingstraße hielten sich während der Aktion ganze 14 Menschen auf, die vom Roten Kreuz betreut wurden. Einigen war der Ort wegen der Ansteckungsgefahr zu unsicher, andere zogen den Besuch von Freunden und Verwandten vor. Die Sorge vor einer möglichen Corona-Infektion war allerdings grundlos. Jeder, der das Gebäude betrat, wurde per Covid-19-Schnelltest dazu qualifiziert, die Tische standen weit auseinander, Abstand war also zusätzlich gegeben.
Während einige Bedenken hatten, die Sammelstelle während der Evakuierung aufzusuchen, kamen Helga und Dieter Werner gerne. „Wir sind hier, weil wir gerne jemanden treffen würden. Gerade in dieser Jahreszeit, wo man viel drinnen ist“, erklärte Helga Werner. Beide verkürzten sich die Wartezeit bis zum Plausch mit einem guten Buch.
Ganz so lässig wie die meisten Nachbarn wollte und konnte Siegfried Bressin die Aktion nicht sehen. Er ist der Schwiegersohn des ehemaligen Hausbesitzers (91). Der hatte das Haus an seinen Enkel, Bressins Sohn, überschrieben. „Mein Sohn wollte hier eine Garage bauen“, blickte er auf den Auslöser der Bombenentschärfung zurück. Die folgende Auswertung von Luftbildern ergab den Verdachtsfall, also: Stopp des Bauvorhabens bis zur Klärung.
Ein Rattenschwanz folgte: Die Kampfmittelsucher mussten den ersten Termin verschieben, der Bauunternehmer ist inzwischen anderweitig engagiert. „Ich denke, die Garage steht dann erst Mitte nächsten Jahres. Wir müssen unseren Garten auf eigene Kosten wiederherrichten. Aber immerhin schütten die Kampfmittelsucher die Grube wieder zu“, sagte Bressin. Seine Sohn kann er aber auch froh sein, das Weltkriegsrelikt los zu sein. „Knapp daneben verlief ein gepflasterter Weg. Es ist ein paar Jahre her, dass wir dort gerüttelt haben.“