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Ferienhaus für null Euro: House Sitting ist Gratis-Urlaub für Menschen mit Herz

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Von: Luis Teschner

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Links sind wolkenverhangene Steilklippen in Irland, rechts zwei kuschelnde Katzen
House Sitting ist Urlaub für wenig Geld – und nur für Menschen mit Herz © Fotomontage: Luis Teschner

Normalerweise lässt man nur Menschen, denen man vertraut, ins eigene Haus. Mir hat eine völlig fremde Familie ihr Heim überlassen. Ein Erfahrungsbericht.

Cork (Irland) – In Irland kostet eine einfache Pizza gerne mal 15 Euro. Eine Hotelübernachtung für zwei Personen mindestens 100 Euro. Ganz ehrlich: Das kann ich mir nicht länger als ein paar Tage leisten. Also muss eine andere Lösung her, wie ich meinen Urlaub bezahlbarer mache. Was, wenn mich eine einheimische Familie, die gerade selbst unterwegs ist, bei sich wohnen lässt? Das wäre ultimativ praktisch. Und nun kann ich bestätigen: Ist es auch. Denn genau das habe ich als House Sitter gemacht.

House Sitting (dt. „Haushüten“) ist ein Konzept aus den USA, bei dem Fremde einander helfen. Die eine Seite stellt ihr Haus zur Verfügung und benötigt während ihrer Abwesenheit Unterstützung bei der Pflege ihrer Tiere. Die andere Seite – in dem Fall ich – kümmert sich um die Tiere und erhält dafür eine Unterkunft. Geld fließt keins, Verträge gibt es nicht. Das Ganze funktioniert nur auf Vertrauensbasis. Genau deshalb ist House Sitting nicht nur unheimlich praktisch, sondern auch ein Beweis, dass es gute Menschen auf der Welt gibt, die sich helfen. Egal, wie fremd sie einander eigentlich sind.

House Sitting ist kostenloser Urlaub, aber eine unbezahlbare Erfahrung

Ich musste etwas Zeit investieren, um meinen ersten House Sit zu finden. Verschiedene Websites vermitteln House Sitter und so schrieb ich fleißig ein paar Bewerbungen. Die meisten dieser Seiten sind ehrlicherweise doch kostenpflichtig, allerdings kostet eine Mitgliedschaft im Verhältnis zu Hotels und Ferienhäusern extrem wenig, in meinem Fall zehn Euro im Monat. Die vierte Bewerbung sollte es dann werden und recht schnell antwortete mir Paul (Name geändert) aus einer Stadt im Südwesten Irlands.

Also verabredeten wir uns zu einem Kennenlerngespräch. Meine Reisebegleitung Dorothee und ich mit seiner Frau Caitlin (Name geändert) und ihm. Im Gespräch versuchten wir zu vermitteln, dass wir Ahnung von Katzen haben, und ehrliche, verlässliche Menschen sind. Paul und Caitlin zeigten uns ganz aufgeregt ihr Haus über Zoom – die beiden waren auch zum ersten Mal in der House-Sitting-Welt unterwegs. Schnell waren wir uns sympathisch und legten fest: Doro und ich sollten im Mai neun Tage auf die drei Katzen von Paul und Caitlin aufpassen, während die beiden auf Kreuzfahrt im Mittelmeer fuhren.

Wer doch lieber klassischer reisen möchte, sollte diese Tipps einer Reiseexpertin zu Buchung und Planung beachten.

In einem fremden Haus zu leben ist aufregender als gedacht

So zumindest die Absprache. Normalerweise bin ich recht misstrauisch gegenüber Fremden im Internet. Und jetzt sollte ich einfach im Haus von zwei Menschen leben, die ich genau eine Stunde lang über Zoom gesehen habe? Was soll schon passieren, versicherten wir uns. Wir buchten Flüge, ein Mietauto für den Roadtrip, den wir an den House Sit dranhängen wollten. Mit dem mulmigen Gefühl, dass Paul und Caitlin uns einfach blockieren könnten, wenn ihnen danach wäre.

Spannend wurde es dann am Tag vor Beginn des House Sits. Wir hatten verabredet, eine Art Übergabe zu machen, damit Paul und Caitlin uns in Person alles Nötige zeigen konnten. Und selbst sehen konnten, welchen Fremden sie ihr Hab und Gut überließen. Mir ging davor durchaus die Pumpe. Was, wenn wir einander unsympathisch sind? Wenn die Katzen mich nicht mögen und auffällt, wie wenig Ahnung ich eigentlich habe? Wenn Paul und Caitlin Muffensausen bekommen und die heilige Schlüsselübergabe doch nicht stattfindet?

Andererseits saßen wir alle im selben Boot. Die beiden hatten ihren Urlaub gebucht und verließen sich genauso sehr auf uns, wie wir uns auf sie. Glücklicherweise lief alles glatt und die beiden überreichten uns feierlich die Schlüssel. Also kamen wir am nächsten Tag wieder und betraten unser Zuhause auf Zeit.

Beim House Sitten kann man ordentlich Geld sparen. Das geht auch in diesen besonders günstigen Städten in Europa.

Kostenlos im Haus eines Fremden – wie Einbrecher, nur ohne klauen

Die Katzen waren erstmal verwirrt. Wer waren diese Fremden, die sich verhielten, als wären sie gar keine Fremden? Und ganz ehrlich: Ich war auch verwirrt. Bilder und Kalender an der Wand schrien mich an, dass hier jemand anders lebt. In jedem Zimmer Spuren von Menschen, die ich quasi nicht kannte. Ich fühlte mich wie ein Einbrecher, nur dass ich nichts klauen wollte und außerdem den Schlüssel vom Hausbesitzer erhalten hatte. Absurd und irgendwie gewöhnungsbedürftig.

Doch man gewöhnt sich an alles. Nach ein paar Stunden kamen die Katzen und freundeten sich mit uns an. Die fremden Gesichter an den Wänden fielen weniger auf. Schnell wusste ich, wo in der Küche Besteck und Geschirr waren. War die erste Aufregung vorbei, setzte ein entspannteres Glücksgefühl ein. Was ein Jackpot, dass wir hier sein dürfen. Weiter das Land erleben können, ohne einen Cent für die Unterkunft zu bezahlen.

Und so vergingen die Tage wie im Fluge. Ein besonderes Highlight für mich war die Nähe, die ich schnell zu den Katzen aufbaute. Ich bin Tierfreund, kann aber in meiner kleinen Innenstadtwohnung kein Tier halten. So war House Sitting für mich nicht nur ein Gratisurlaub, sondern auch eine unerhofft kuschelige Begegnung mit drei Katzen, die ich nun für immer liebgewonnen habe – auch wenn ich sie wahrscheinlich nie wieder sehen werde.

Ich finde, als House Sitter ist man fast schon ein Einheimischer und definitiv keiner der fünf nervigsten Touristentypen.

Fazit: Mit ein bisschen Flexibilität und Nerven kann House Sitting zum Highlight werden

Nach neun Tagen verabschiedete ich mich also von „meinem“ Zuhause und „meinen Katzen“ und flog zurück nach Deutschland. Von meiner Zeit in Irland bleibt mir nichts außer den endlosen Katzenbildern in meinem Handy – und dem Geld, was ich für Unterkünfte gespart habe.

Trotzdem würde ich keine generelle Empfehlung fürs House Sitting aussprechen. Erstens geht eine Menge Flexibilität flöten, weil man sich nach den Reiseplänen anderer Leute richten muss und sich außerdem tagtäglich um ihre Tiere kümmern. Wir hatten sogar noch Glück, weil unsere Katzen automatische Futter- und Trinkmaschinen hatten.

Zweitens übernimmt man eine ganze Menge Verantwortung, die durchaus Nerven kosten kann. Katzen, die abends nicht rechtzeitig nach Hause kommen. Teller, die kaputtgehen. Elektrische Geräte, die man falsch benutzt. Entspannungsurlaub ist House Sitting nicht immer. Deswegen meine Empfehlung: House Sitting macht zu zweit viel mehr Spaß als allein, weil man sich Sorgen teilen kann.

Und doch würde ich es wieder tun – nicht nur, weil es praktisch und günstig ist. House Sitting hat mich vom Guten im Menschen überzeugt. Hat mich drei Katzen liebhaben lassen, die kaum süßer hätten sein können. Hat mir das echte Leben in Irland abseits der Touristenmassen nähergebracht. House Sitting ist außergewöhnlich und unvergleichbar und meiner Erfahrung nach definitiv einen Versuch wert. (lute)

Sie ist zwar keine House Sitterin, doch immerhin eine Vollzeit-Globetrotterin: Sie verrät fünf Fehler, die viele auf Reisen machen.

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