Es ist ein Kontrastprogramm. Höings Skulpturen sind opulent, barock, überquellende Collagen von Elementen unterschiedlichsten Charakters. Sie spannt eine monumentale, fast 14 Meter lange „Kette“ (2018) in den Raum, deren Enden unter der Decke fixiert sind. Die Perlen dieses Schmucks für Riesinnen bestehen aus Keramikobjekten, Vasen, Nippes, Figuren, gern von niedlichen Hunden oder auch Vögeln, die auf dem Rücken liegen und Füße und Flügel von sich strecken. Das sieht komplett absurd aus, zweckfrei, auch kitschig. Und es fesselt mit Grandezza, ein eleganter Wurf in den Raum.
Vogelleichen widmet die in Coesfeld und Münster arbeitende Künstlerin aus einem eigenwilligen Grund eine Werkserie. Ihr Atelier hat große Glasfronten, immer wieder fliegen die Tiere dagegen und verenden. Die Künstlerin gedenkt ihrer mit glasierten Abbildern. Die findet man nun in der Kette, in den schlanken, übermenschenhohen Stelen, die wie Totempfähle aussehen, nur dass die nie aus fragiler Keramik errichtet wurden. Einer blau glasierten Vase (Delft?, China?) entwuchert ein Gewirr aus farbigen Stängeln. Von nahem erkennt man, dass auf „limp“ (2018) nicht Blumen prunken, sondern tote Meisen und Finken. Und auch die Hüte auf den kleinen Keramikköpfen bestehen aus solchen Tierfiguren.
Wie asketisch wirken dagegen die Gemälde von Franziska Reinbothe. Oft sind sie monochrom. Ein rosa Diptychon ohne Titel (2020/21) steht im Raum, nicht ordentlich in einer Halterung, sondern als Bodenarbeit: Die jeweils doppelt geknickten Rahmen lassen es aussehen, als ob sich da eine fast vier Meter lange rosa Raupe aus Latten und Leinwand entlanghangelt. Eine kleinere grüne Arbeit hängt oben in einer Ecke, und zwar ebenfalls geknickt und in den Winkel des Raums eingepasst. Da schlüpft schon mal die Leinwand hinter eine Latte des Rahmens. Oder die in Leipzig und Berlin arbeitende Künstlerin fügt der Leinwand Schnitte zu, die sie mit sichtbarem Faden in einer Falte vernäht. Das Bild heißt dann: „sie mögen sich“ (2017). Da kann man sich eine emotionale Beziehung vorstellen, in der das sprichwörtliche Tischtuch zerschnitten und nach einer Versöhnung wieder geflickt wurde. In einem weiteren Bild drücken sich Latten von hinten in die Leinwand, so dass die obere Malschichten abgewetzt werden und eine andere, tiefere Farbe freigeben, „karges Gebiet“ (2017).
Reinbothe erweitert ihre abstrakten Gemälde zu skulpturalen Objekten, die gelegentlich sogar etwas Anekdotisches bekommen. Für eine frühe Arbeit hat sie Leinwände mit Tragestäben versehen und an die Wand gelehnt, als wären es Plakate für eine Demonstration, deren Teilnehmer gerade eine Pause einlegen. Nur eben ohne jeden Text, ohne Botschaft, wie auch der Titel mitteilt: „komischer Protest mit offensichtlicher Festlegungsvermeidung“ (2008). Ein weiteres Gemälde ist ein mit fettem Blau und sichtbaren Pinselstrichen bemaltes Farbkissen, fast wie Gotthard Graubner, nur eben nicht mit opak in der Tiefe versinkenden Farbwolken. Und Reinbothe gibt ihrer Arbeit wieder eine Wendung: Sie trennte die Unterkante des Bildes auf, so dass die Füllung sichtbar wurde als herausfallende Unterwäsche einer „Dame mit gelüpftem Rock“ (2014). Und ein zerbrochenes Bild, dessen geknickte, zerfetzte Ruine an der Wand hängt, betitelte sie: „ziemlicher fight war das hier“ (2013).
Ein Kontrastprogramm. Dass diese so unterschiedlich arbeitenden Künstlerinnen letztlich so stimmig korrespondieren, muss man erst einmal sehen. Insoweit ist die „Erweiterung der Möglichkeiten“ geglückt.
Bis 29.1., di – so 10 – 18 Uhr, Tel. 05251/ 881 1076
www.paderborn.de/
galeriereithalle
Katalog, Verlag Kettler, Dortmund, 15 Euro