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Sandra Wissmann inszeniert Thomas Pigors Operette „Drei Männer im Schnee“ nach Erich Kästner in Gelsenkirchen

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Von: Ralf Stiftel

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„Drei Männer im Schnee“ in Gelsenkirchen: Szene mit Mark Weigel, Sebastian Schiller und Joachim Gabriel Maaß (von links)
Trinkfreudig sind sie auch, die „Drei Männer im Schnee“ in Gelsenkirchen. Szene mit Mark Weigel, Sebastian Schiller und Joachim Gabriel Maaß (von links). © Sascha Kreklau

Gelsenkirchen – In der Silvester-Polonaise durch das Grand Hotel Bruckbeuren tanzen ein paar uniformierte SA-Männer mit. Aber „des san ka Nazis, des san doch Österreicher“, beschwichtigt man sich. Dann rauschen sie ins Jahr 1933, die Feierbiester taumeln immer schlimmer. Im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier gibt das eine große Revueszene und eine ekstatische Chornummer über den „32. Dezember“, wenn um Mitternacht das neue Jahr da, aber der Tag noch nicht zu Ende ist.

Erich Kästners Roman „Drei Männer im Schnee“ ist purer Operettenstoff. 2014 hat Christian Brey das am Schauspielhaus Bochum mit Schlagern gespielt. 2019 brachte das Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz eine musikalische Version heraus, eine Auftragsarbeit, geschrieben vom Kabarettisten Thomas Pigor, mit Musik von Benedikt Eichhorn, Konrad Koselleck und Christoph Israel. Es war ein Riesenerfolg. Jetzt inszeniert in Gelsenkirchen Sandra Wissmann das Werk.

Selbst wenn es einige aktuelle Anspielungen im Text gibt: Der gut dreistündige Abend fühlt sich an wie ein Werk von damals. Die Komponisten haben sich bestens in die Spätblüten-Ära der Operette eingefühlt. Das passt bestens zum Sozialmärchen um den arbeitslosen Kreativen Dr. Fritz Hagedorn, der ein Preisausschreiben gewinnt, kein Geld bekommt, sondern 14 Tage im Luxushotel. Firmenchef Tobler möchte das einfache Leben kennen lernen und reist inkognito als zweiter Gewinner mit. Seine kesse Tochter Hilde warnt das Hotel vor, aber die Leitung ist gestört. So wird Hagedorn als Millionär verhätschelt, während Tobler schikaniert wird, was er stoisch erträgt. Am Ende klärt sich alles, Hagedorn bekommt Job und Tochter, und alles stimmt in die Schlussnummer ein: „Fragen wir doch einfach mal den Wolkenstein“. Man hat das ganze Paket: Friede, Freude, flotte Choreografien, Ohrwürmer, mittelscharfer Witz, eine irre Stepp-Nummer auf Skiern.

Das funktioniert auch in Gelsenkirchen bestens. Das Ensemble ist animiert, das Orchester unter Leitung von Peter Kattermann vereint schmissigen Swing mit folkloristischem Schmelz. Und wenn man Darsteller wie Anke Sieloff hat, kann nichts schiefgehen. Sie singt als verruchte Frau Calabré: „Ich pass mich an“, und man weiß, dass sie das Gegenteil meint. Philipp Kranjc hat als Portier ein grandioses Solo im „Weißes-Rössl“-Stil: „Es ist immer ein bisserl das Herz dabei“. Sebastian Schiller (Hagedorn) und Bele Klumberger (Hilde) sind erst ein kratzbürstiges, dann schmiegsames Paar. Joachim Gabriel Maaß gibt den humanen Kapitalisten mit jovialer Grandezza. Mark Weigel als dritter Mann hat eine feine Komik. Das ist sehr retro, mit sparsam dosierter Zeitkritik, aber gut gemachte Unterhaltung. Riesenbeifall. Zugabe.

9., 15., 16., 28., 29.10.,

Tel. 0209 / 4097 200, www. musiktheater-im-revier.de

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