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Eine Retrospektive auf die US-Fotografin Lucinda Devlin in Köln

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Von: Ralf Stiftel

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Lucinda Devlins Foto „Bath, Pocono Palace, Marshall’s Creek, Pennsylvania, (1980)“ aus der Serie „Pleasure Ground”
Das positive Rot umfängt den Betrachter in Lucinda Devlins Foto „Bath, Pocono Palace, Marshall’s Creek, Pennsylvania, (1980)“ aus der Serie „Pleasure Ground”, zu sehen in Köln. ©  © Lucinda Devlin, courtesy Galerie m, Bochum

Köln – Das Glück strahlt rot. Eine Badewanne in Herzform liegt sozusagen unter uns, gesäumt von Plüsch, in schummrigem Licht und umgeben von Spiegeln. Hier kann man lustvoll baden, vielleicht gar zu zweit. Das Bad fotografierte Lucinda Devlin 1980 in einem Etablissement namens „Pocono Palace“ in Pennsylvania. Das war wohl ein Honeymoon Hotel, dessen Gäste ihre Zweisamkeit auskosten, selbst wenn sie gar nicht ihre Flitterwochen feiern.

Diesen so bizarren Ort des Vergnügens überzeugend abzubilden, war nicht einfach, wegen der Enge, wegen der Spiegel, wegen des Lichts. Am Ende legte Devlin ihre Kamera in die Wanne und fotografierte in den Spiegel unter der Decke. So entstand ein ikonisches Bild der Serie „Pleasure Ground“, für die sich die Fotografin in Diskotheken, Bordelle, Peep Shows, Sonnenstudios, Fitness Center begab, und in Hotels, die zwar eine exzentrische Optik haben, aber nicht unbedingt vier Sterne. Man sieht viel Rot in diesen Aufnahmen, sei es im ausladenden „Cupid Room“ im Creative Pines Motel in Massachusetts mit seinem runden Bett, sei es auf der Bühne von „The Better Half“ in Mattydale. Die leicht oder nicht bekleideten Tänzerinnen muss man sich vorstellen. Devlin zeigt nur die leeren Räume.

Zu sehen sind die Aufnahmen in der Ausstellung „Lucinda Devlin – Frames of Reference“ in der Photographischen Sammlung der SK Kulturstiftung in Köln. Es ist die erste umfassende Werkschau in einem Museum, die mit rund 100 Abzügen aus neun Serien einen Überblick über das Schaffen der Künstlerin von den 1970er Jahren bis heute bieten. Die Exponate stammen aus der Bochumer Galerie m, die Devlin seit Jahren vertritt.

Furore machte die 1947 in Ann Arbor (Michigan) geborene Fotografin mit ihrer Serie „The Omega Suites“. Die zeigte sie 2001 bei der Biennale in Venedig. Für die 30 Aufnahmen bereiste sie die Gefängnisse der USA, in denen die Todesstrafe vollstreckt wird. Nüchtern dokumentiert sie die Hinrichtungszellen, in denen ein elektrischer Stuhl steht oder eine Liege, auf der ein Delinquent festgeschnallt wird, um die Giftspritze zu erhalten. Gruselig die Gaskammer, ein massiver Metallschrank mit großem Rad zum Öffnen und Schließen. Den elektrischen Stuhl in Atmore, Alabama, strichen Häftlinge knallgelb an, mit übrig gebliebener Farbe vom Schulbus. Sie verleiht dem Tötungsinstrument eine makabre Fröhlichkeit. Auch der Titel verweist auf den professionellen Zynismus im Strafvollzug der USA. „Omega Suites“ nennen die Beamten die Todeszellen, als wären es Hotelräume, freilich die für den finalen Aufenthalt, nach dem biblischen Alpha und Omega. Devlin machte diese Fotos nicht als Aktivistin gegen die Todesstrafe. Aber ihre Serie mit den klinischen Räumen lässt keinen Betrachter unberührt.

Die Serie erwuchs aus einem anderen Projekt, „Corporal Arenas“, in denen Devlin Orte festhielt, die der körperlichen Befindlichkeit von Menschen (und Tieren) gewidmet sind. Das kann ein Operationssaal sein, in dem der leere Tisch im Halbdunkel unter einer Speziallampe steht wie ein Altar. Aber auch Diagnoseräume mit einem Kernspintomografen, die Pathologie, der Schrank mit ausgestopften Mardern und Kaninchen in der State University von New York.

Devlin steht in der Tradition der neuen Farbfotografie, wie sie William Eggleston entwickelte. Ihre frühen Schwarz-Weiß-Arbeiten, von denen einige Beispiele gezeigt werden, knüpfen bei Diane Arbus und Walker Evans an. Sie konzentriert sich auf Räume ohne Menschen. Dabei zeigt sie nicht den gesamten Raum, sondern bietet einen Ausschnitt. Es sind ruhige Bilder, die streng komponiert scheinen. Sie betont, dass sie nur fotografiert, was sie vorfindet, dass sie mit dem vorhandenen Licht arbeitet. Sie nutzte lange eine analoge Mittelformatkamera, bei der das Negativ ein quadratisches Format hat. Inzwischen fotografiert sie digital, behielt aber das Format bei. Sie arbeitet mit Stativ, kleinen Blenden, langen Belichtungszeiten, um möglichst große Tiefenschärfe zu erreichen. Und sie wählt sehr präzise den Standpunkt der Kamera. Ihre Bilder sind Konfrontationen für den Betrachter, oft frontal aufgenommen und von Symmetrie bestimmt. Man steht dem Motiv gegenüber, muss sich damit auseinandersetzen.

Der Umgang mit Farbe ist auffällig. Da gibt es rote Fotos in „Pleasure Ground“, wo die Signalfarbe für positive Stimmung, Verführung, Lust steht. Das habe sie nicht vermeiden können, sagt sie. In der Serie „Water Rites“, für die sie in europäischen Kurbädern fotografierte, zelebriert sie das tiefe Blau der Römischen Bäder der Carolus Thermen in Bad Aachen, lässt das Gelb der Stühle am Gradierwerk in Bad Kreuznach knallen, fängt das tiefe Grün eines Massageraums in Bad Pyrmont ein. Auch das Kunstlicht in unterirdischen Stollen hält sie suggestiv fest, das Lila und das Rosa im Gletscher am Matterhorn zum Beispiel.

Nicht immer fotografiert sie Innenräume ohne ihre Bewohner. Die Serie „Habitats“ führt in Zoos, in die künstliche Umwelt der dort verwahrten Tiere. Da erblickt man hinter der Scheibe in einer tristen Höhle die Silhouette eines Gorillas. Der Gavial im New Yorker Zoo verwischt zum Schemen ebenso wie die ägyptische Fledermaus. Die Fotografin konnte nur ihre Kamera aufstellen und abwarten, erzählt sie. Sie hat 1982/83 in einem Unternehmen gearbeitet, das Tiger und Elefanten für Filmproduktionen dressierte, und später arbeitete sie in einem Zoo. Die Tiere sind oft in ständiger Bewegung, entwickeln in den engen Gehegen nervöse Routinen. Man kann ahnen, wo sie irgendwann sind, aber es ist Glück, wenn man im richtigen Augenblick auslösen kann. Da werden die gelben Quallen im tiefblauen Wasser des Georgia Aquariums zum leuchtenden Farbakkord. Und der Hai dort scheint mit einem Grinsen auf uns zuzuschwimmen.

Die Außenwelt blendet sie nicht aus. In der Serie „Field Culture“ zeigt sie Monokulturen in Indiana und Montana, endlose Getreide- und Maisfelder zeugen von der industriellen Nutzung der Landschaft. Selbst bei dem Thema aber ist sie schnell wieder hinter Wänden. Die Bilder aus Gewächshäusern verströmen eine ähnliche Sterilität wie die Operationssäle und Labore.

Sie fotografiert auch den Lake Huron, einen der fünf großen Seen im Norden der USA, an dessen Ufer sie wohnt. Es sind ganz leise, oft fast abstrakte Ansichten, bei denen der Horizont in der Bildmitte liegt. Jede Aufnahme ist datiert, sogar die Uhrzeit ist notiert. Es sind ungewöhnlich romantische Blicke auf die verletzliche Schönheit der Natur.

Bis 16.7., tägl. außer mi 14 – 19 Uhr,

Tel. 0221/ 888 95 300, www. photographie-sk-kultur.de

Katalog, Steidl Verlag, Göttingen, 75 Euro

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