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Andreas Gefellers Fotografien im Düsseldorfer NRW-Forum

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Von: Achim Lettmann

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Äste und Zweige in Andreas Gefellers Fotografie „The Other Side of Light, 013 (Araukarie)“ (2017).
Äste und Zweige in Andreas Gefellers Fotografie „The Other Side of Light, 013 (Araukarie)“ (2017). Zu sehen in Düsseldorfer NRW-Forum. © gefeller/vg bild-kunst, bonn 2022, thomas rehbein galerie

Andreas Gefeller fotografiert aus vielen digitalen Fotografien ein Bild. Im NRW-Forum Düsseldorf zeigt er seine Collagen, die einem die Welt merkwürdig und interessant vor Augen führt: „Out Of Sight“

Düsseldorf – Merkwürdig und kühl wirken viele Fotografien von Andreas Gefeller, Der Düsseldorfer ist ein Lichtbildner, der die Grenzen des Darstellbaren mit seiner Fototechnik auslotet. Pflanzen sehen oft künstlich aus. Beispielsweise wirkt eine Araukarie wie ein wucherndes Wesen, das seine Äste bedrohlich verzweigt. Die Fotografie „The Other Side of Light, 013 (Araukarie)“ ist überbelichtet. Das immergrüne Gewächs von der Südhalbkugel findet sich hierzulande in einigen Vorgärten. Weshalb die derben Blätter in ihrer doppelten und verschraubten Anordnung Gefallen finden, erschließt sich mithilfe der Fotografie von 2017 nicht. Andreas Gefeller will keine Fragen beantworten, sondern Phänomene unseres Lebens in Szene setzen. Im NRW-Forum in Düsseldorf ist derzeit die Ausstellung „Out Of Sight. Andreas Gefeller. Fotografien“ zu sehen, die Judith Winterhager kuratiert hat. Es sind 60 Arbeiten, die seit dem Jahr 2000 entstanden sind.

Gefeller ist ein Suchender, der mithilfe verschiedener Fototechniken etwas sichtbar macht, dass zum Wesen unserer Zeit zählt, aber so nicht wahrnehmbar ist. Der Fotograf nimmt mit seiner Kamera auch Perspektiven ein, die ungewohnt sind. Wie auf dem quadratischen Bild zu sehen, das zur Japan-Serie Gefellers zählt: „Ohne Titel (Birnenbaum)“ von 2010 zeigt, wie die Kulturpflanze mit kreisrunden Wuchshilfen zu einem ertragreichen Obstbaum erzogen wird. Noch ohne Blätter und Früchte fehlen dem Motiv die Kennzeichen, die es für eine einfache Bestimmung braucht. Gefeller liefert ein Bild aus mehreren Aufnahmen vom Anbauverfahren, von Strategien zur Optimierung und vom Maß des menschlichen Eingriffs in die Natur. Er ist nicht der erste, der visuell in Szene setzt, was die Konsumenten nicht kennen. Er ist sehr nüchtern, zeichenhaft und erinnert mit seiner kalkulierten Arbeitsweise an die Normen der Agrarindustrie.

Nicht jede Fotografie lässt sich bei genauer Betrachtung erschließen. „Clouds“ ist eine Serie (2019–2021), die an Wolkenformationen denken lässt. Vielleicht weist ein helles Braun oder ein Anthrazitton daraufhin, dass es sich bei den „Clouds“ um Verdunstungen aus einem Braunkohlekraftwerk handelt. Bei Grevenbroich-Nawrath kristallisieren die Wassertröpfchen aus den Kühltürmen zu Gefellers geschichteten Wolkenhaufen, ohne Blau und ohne Horizont – es sind Problemzonen.

Andreas Gefeller nähert sich seinen Motiven auf besondere Weise, er schließt sie mit seinen Fotoverfahren neu auf. 1970 in Düsseldorf geboren, studierte er Visuelle Kommunikation und Fotografie an der Universität Essen. Gefeller ist Mitglied der Deutschen Fotografischen Akademie. Seine Arbeiten waren unter anderem in Amsterdam, London und New York zu sehen.

In der Serie „Flames“ erhalten einzelne Flammen vor schwarzem Hintergrund etwas Körperliches wie Flüchtiges. Die 3D-Visualisierungen im Computer wirken wie kühle Erscheinungen, die jede Assoziation mit wärmendem Feuer erschweren.

Dagegen behalten die Regentropfen, die auf einer Teichoberfläche sichtbar werden, etwas Erzählerisches. Die Fotografie „048“ aus dem Jahr 2020 ist angenehm verspielt. Es sind wieder collagierte Digitalfotos, also mehrere Dateien, die Gefeller zu einem Bild mit springenden Tropfen gruppierte.

Im Bild „Nordhorn“ (2004) sind Hühner in einem Stall zu einer normierten Struktur aus der Vogelperspektive arrangiert. So erhellt Gefeller vor allem die Regelmäßigkeit der industriellen Lebensmittelproduktion. Er zeigt keine Legebatterien, aber das Thema Tierwohl schwingt mit.

Eigentlich konfrontiert Gefeller den Betrachter mit seinen Fragen. „036 Gran Canaria, 2000“ zeigt blau-weiße Kunststoffliegen auf Sand ohne einen Blick aufs Meer. Es ist der unschöne Teil des Massentourismus. Die Serie „Soma“ deformiert Urlaubsträume, indem das Areal für Erholung auf seine menschenleere Modellstruktur reduziert wird.

Gefellers Fotografien verunsichern. Das Sichtbare spielt auf etwas an, was uns skeptisch macht oder sich gar nicht fassen lässt. Selbst in seinem Video „Flux 01“ (11 Min., 2020) werden die Wasserreflexionen auf dem Rhein zu einem Prozess in Zeitlupe überführt, der mit sphärischer Elektromusik an Computer, Datentransfer oder neuronale Ströme denken lässt. Man fühlt sich ausgeschlossen.

Die visuelle Kraft der digitalen Fotografie und ihrer Techniken ist machtvoll. Gefeller addiert Bilder seiner Digitalkamera zu fotografischen Tableaus. Die Arbeitsweise erinnert an Andreas Gurskys Überwältigungsfotografie, wenn Fußball-Fans aus Dortmund in einer Superarena feiern oder die Waschkaue einer Zeche in Hamm wie ein übergroßes visuelles Monument für den Bergbau und seine Bedeutung steht.

Gefeller favorisiert kleinere Formate. Für den Lageplan der Räume in der Düsseldorfer Kunstakademie von 2009 hat er 4000 Aufnahmen gemacht („Supervisions“-Serie). Flur, Saal, Besprechungszimmer, Ateliers und Treppenhaus sind sichtbar. Man kann sich umschauen, die Fotografie abgehen und spürt die menschliche Größe dieser Fotoarbeit, ohne die Studierenden zu sehen. Aber ihre Nähe spürt man, ihre Spuren sind sichtbar. Das tut gut.

Bis 14.5.; di – so 11 – 18 Uhr, do bis 21 Uhr;

Tel. 0211/566 42 100; www.nrw-forum.de

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