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Künstlerkolonien mit Otto Modersohn, Eduard Bischoff und Hermann Kätelhön thematisiert das Museum Wilhelm Morgner in Soest

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Von: Achim Lettmann

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„Landschaft mit zwei Malerinnen an der Antreff“ von Heinrich Giebel in Willingshausen um 1900.
„Landschaft mit zwei Malerinnen an der Antreff“ von Heinrich Giebel in Willingshausen um 1900. © .Museum Wilhelm Morgner

Mit einer umfangreichen Ausstellung widmet sich das Museum Wilhelm Morgner in Soest den Bildern von Otto Modersohn, Eduard Bischoff und Hermann Kätelhön, die alle in Künstlerkolonien arbeiteten.

Soest – Otto Modersohn ist für seine Landschaftsbilder bekannt. Der Mitbegründer der Künstlerkolonie Worpswede malte immer wieder in dunklen erdigen Farbtönen die Moore, Kanäle und Naturareale des Nordens. Eine Ausstellung in Soest überrascht mit Bildern Modersohns, die hell erscheinen, optimistisch wirken und Darstellungsweisen zeigen, die nicht typisch für sein Werk sind. Im Museum Wilhelm Morgner wird das Bild „Landschaft“ (1888) von zarten Blautönen, Weiß und hellem Grau dominiert. Es kommt aus Soester Privatbesitz wie der „Fischer“ mit Pfeife und rotem Halstuch (1909) und der „Rittersporn im Garten“ (ohne Jahresangabe). Im späteren Werk „Worpswede“ (1922) sind Gebäudeteile und Bäume in Komplementärfarben wie Rot und Grün gemalt. Es fehlt aber Modersohns naturalistische Intensität.

Modersohn (1865–1943) ist in Soest geboren und aufgewachsen. Der Kunstverein Kreis Soest und die Stadt zeigen ab Sonntag die Ausstellung „Hermann Kätelhön – Otto Modersohn – Eduard Bischoff. Soester Künstler in Künstlerkolonien – Willingshausen – Worpswede – Nidden“. 11 Uhr wird eröffnet.

Die vielfältige Schau bietet rund 110 Gemälde, Zeichnungen und Grafiken. Zu den Werken der drei Protagonisten wird die Geschichte von Künstlerkolonien im 19. und 20. Jahrhundert aufgegriffen. Es waren Rückzugsorte. Die Künstler suchten „Natürlichkeit“ und setzten auf erprobte Gegenwelten zu den Metropolen der technisierten Industriegesellschaft. Nachgefragt waren die Bilder vom Bürgertum. Es gab Dorfansichten, historisierte Menschenbilder und Naturidyllen.

Nidden an der Kurischen Nehrung in Ostpreußen lockte bereits Mitte des 19. Jahrhunderts erste Studenten der Kunstakademie in Königsberg. Neben Lovis Corinth kamen 1909 die Expressionisten Max Pechstein und Karl Schmidt-Rottluff ins Fischerdorf. Eduard Bischoff (1890–1974), in Königsberg geboren, arbeitete nach dem ersten Weltkrieg immer wieder in Nidden. Es war die hohe Zeit der Kolonie. Thomas Mann ließ sich 1925 ein Haus bauen. Die Gastwirtschaft Bode war Treffpunkt und Ort für Ausstellungen. Rund 200 Künstler fanden hier Inspiration. Und Bischoff zählte mit seinen wuchtigen, dem Naturalismus verbundenen Arbeiten wie „Kahn im Schilf“ (1924) zu den bekanntesten. Auch Carl Knauf (1893–1944) gefiel mit seinen spätimpressionistischen Landschaften wie „Bedeckter Tag am Haff“ (um 1925). Die Kurenkähne waren ein typisches Sujet für Knauf, aber auch für Alexander Kolde, Ernst Mollenhauer und Karl Eulenstein. Die Ausstellung bietet diese populären Motive. Der Sammler Bernd Schimpke (Hamburg) kauft auf Auktionen Knauf-Bilder, um das Werk wieder zusammenzuführen. Nachdem die Nationalsozialisten bereits 1933 viele Exponate in Nidden zerstörten und 1945 die letzten Künstler vor der Sowjetarmee flohen, entstanden Nidden-Ansichten nur noch aus der Erinnerung. Die „Nehrungssonne“ (1948) von Ernst Mollenhauer zählt dazu. Die Silhouette einer Küste wird in Gelb- und Rottönen expressiv erleuchtet. Dagegen wurde die zeitgenössische Kunst im Nachkriegsdeutschland abstrakt und gestisch.

Von Eduard Bischoff sind rund 30 Bilder ausgestellt. Er kam 1962 nach Soest und thematisierte Flucht, Natur und Landleben. Seine kontrastreichen Holzschnitte „Fischen auf dem Eis“ (1954) und „Boote im Eis“ (1956) erinnern in der Rückschau an das harte Leben der Kuren. Sein Afrika-Zyklus orientiert sich am Bild schwarzer Menschen, das in der klassischen Moderne gesetzt wurde: exotische Kultur, schöne Frauen, dichter Urwald. 1936 wurde Bischoff Professor in Königsberg, 1937 NSDAP-Mitglied. Zu Kriegsbeginn erlitt er eine Verletzung. 1944 setzte ihn Hitler auf die Liste der „Gottbegnadeten“. Die Heimatbilder aus den Künstlerkolonien boten Berührungspunkte mit der Nazi-Ideologie. In der Regel fehlte ihnen aber der heroische Ausdruck und eine rassisch motivierte Gewaltverherrlichung.

Die Ausstellung dokumentiert in Texten „auf einer zweiten Ebene“, wie Kurator Klaus Kösters sagte, die historischen Fakten. In Soest sind keine Künstler ausgestellt, denen Kriegsverbrechen vorgeworfen werden, sagte Inga Schubert-Hartmann, Vorsitzende des Kunstvereins. Leihgeber sind das Museum am Modersohn-Haus (Worpswede), das Ostpreußische Landesmuseum (Lüneburg), das Malstübchen Willingshausen, die Schimpke-Sammlung und Privatleute.

Hermann Kätelhön (1884–1940), in Marburg geboren, wird vor allem als Porträtist präsentiert. Sein Holzschnitt „Vater und Sohn“ aus der Mappe „Arbeit“, die in den 1920er Jahren entstand, zeigt zwei Generationen von Bergarbeitern. Margarethe Krupp richtete ihm eine Druckwerkstatt in der Gartenstadt Margarethenhöhe ein. Kätelhön hatte seine Frau, die Malerin Toni Plettner, in der Künstlerkolonie im nordhessischen Willingshausen 1917 kennengelernt und war ihr nach Essen gefolgt. Fortan widmete er sich dem Industriearbeiter. „Müder Bergmann“, eine Radierung, zeigt den entkräfteten Hauer im Stollen. Kätelhön schuf bereits in Willingshausen ganz eindringliche Porträts mit den Radierungen „Schwälmer Bäuerin“ (1913) und „Bauer Faust“ (1912). Für Kurator Kösters ist somit belegt, dass Kätelhön im Ruhrgebiet weiterarbeitete wie in der Künstlerkolonie. Selbst das neue Landschaftsbild der Kohle- und Stahlregion skizzierte er mit Schloten am Horizont, Heuhocken auf dem Feld und grauem Himmel. Albert Renger-Patzsch sollte später mit seinen Ruhrgebietsfotografien (1927 – 1935) diesen Bildtypus der Industrielandschaft prägen.

Kätelhön zog 1930 nach Wamel in den Kreis Soest. In seinem Porträt von Emil Kirdorf (Radierung, 1923) gab er dem Direktor der Gelsenkirchener Bergwerks AG eine aristokratische Würde mit klarem Blick. Kirdorf war ein Förderer Kätelhöns. Der reaktionäre und nationalsozialistische Industriemagnat bahnte Adolf Hitler den Weg zur Ruhrindustrie, die dem NSDAP-Führer dann Wahlkampfhilfe gewährte.

Bereits bevor das französische Barbizon 1830 zum Prototypen für Künstlerkolonien wurde, gab es 1820 in Willingshausen Trachtenbilder von Gerhard von Reutern und Ludwig Emil Grimm. Das Landvolk wurde prächtig ausstaffiert. Ab 1880 kamen immer mehr Künstler in das Dorf, wie auch Heinrich Giebel. Sein Gemälde zeigt zwei Künstlerinnen bei der Plein-Air-Malerei um 1900. In dieser Zeit sprach man noch von „Malweibern“. Staatliche Kunstakademien waren für Frauen tabu. In die Kolonien konnten sie dann ausweichen, wie es auch Paula Modersohn-Becker getan hatte.

Eröffnung, Sonntag, 11 Uhr; bis 12.3. 2023; di, mi, fr 13–17 Uhr, do 13–19 Uhr, sa/so 11–17 Uhr; Tel. 02921/103 1131; Katalog 25 Euro

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