Kölner Dom im Zweiten Weltkrieg: Weshalb ihn die Bomben nicht zerstörten

Von Jörn Funke ▪ KÖLN–Dass der Dom an Ende des Kriegs noch stand, mutet wie ein Wunder an. 262 Mal hatten die Alliierten Köln bombardiert, die gesamte Stadt in Schutt und Asche gelegt. Nur die Kathedrale ragte aus dem Trümmermeer heraus. Die Piloten hätten sie verschont, hieß es in Köln damals. Aus Pietät, oder um sich an ihr orientieren zu können. Eine Ausstellung im Dom-Forum und eine Studie des Historikers Niklas Möring räumen mit diesem Mythos jetzt auf.
Man hat in Köln nicht genau gewusst, was mit dem Zweiten Weltkrieg auf die Stadt und den Dom zukommt, aber man hat es wohl geahnt. Als die Kölner der Wehrmacht zujubelten, die 1936 über die Hohenzollernbrücke ins Rheinland einzog, ließ Domvikar Max Loosen schon mal Kisten anfertigen, um den Domschatz sicher einlagern zu können, schreibt Möring. Schutzmaßnahmen für die Kathedrale hätten stillschweigend geplant werden müssen; offen über einen möglichen Krieg zu reden wäre eine Kritik an Hitlers „Friedenspolitik“ und damit tabu gewesen.
Der Ernstfall kam dann im September 1939. Dombaumeister Hans Güldenpfennig postierte die Mitarbeiter der Dombauhütten als Brandwachen auf den Dächern, sperrte sich aber gegen den Ausbau der mittelalterlichen Glasfenster. Die Handwerker würden größere Schäden verursachen als ein Luftangriff, sei seine Befürchtung gewesen, so Möring. Erst als Reichsbehörden sich einschalteten, gab er nach. Altäre und Steinfiguren wurden zunächst mit Holzverschalungen und Sandsäcken verbarrikadiert, später eingemauert.
Für die Kunstwerke des Doms entstand im Nordturm ein eigener Bunker, der dort bis 1986 stand. Die wertvollsten Werke, darunter der Dreikönigsschrein, wurden jedoch ausgelagert. Möring schildert abenteuerliche Transporte und ungeahnte Bedrohungen. Man werde die Schätze eher vernichten, als sie den Alliierten in die Hände fallen zu lassen, habe die Kölner Gauleitung der NSDAP in den letzten Kriegstagen gedroht. Als das linke Rheinufer bereits in den Händen der Amerikaner war, schoss die Wehrmacht vom anderen Ufer Granaten in den Dom.
Die Kirche hatte da bereits zahlreiche Treffer durch Brandbomben und Luftminen bekommen, Gewölbe waren eingestürzt, ein Pfeiler des Nordturms weggesprengt. Der Dom sei trotz Flächenbombardements an sich kein Ziel für die Alliierten gewesen, schreibt Möring. Die Gefahr habe in seiner Nähe zum Hauptbahnhof und zur Hohenzollernbrücke bestanden, die bombardiert wurden, um den deutschen Nachschub zu stören. Da die Zielgenauigkeit der Bomben nur gering gewesen sei, habe die Kirche das abbekommen, was den Bahnanlagen zugedacht gewesen sei.
Dass die Kathedrale überlebte, habe sie ihrer gotischen Konstruktionsweise zu verdanken, so der Historiker. Eine Druckwelle, die eine detonierende Luftmine im Gebäude auslöste, sei durch die großen Fensterfronten und das offene Strebewerk problemlos nach außen abgeleitet worden.
Dazu kamen die Männer der Dombauhütte, die unzählige Nächte auf den Dächern ausharrten und Brände löschten. Sie hatten eigentlich nur die Zeit bis zum Eintreffen der Feuerwehr überbrücken sollen – und merkten schnell, dass sie auf sich allein gestellt waren. Dass der Dom heute noch steht, liegt auch an namenlosen Helfern. Möring setzt ihnen ein kleines Denkmal.
Niklas Möring: Der Kölner Dom im Zweiten Weltkrieg. Verlag Kölner Dom: Köln 2011. 112 Seiten, 97 Abbildungen, 17 Euro; Ausstellung bis 28. August im Domforum, Domkloster 3, Köln, Mo-Fr 10-18.30 Uhr, Sa 10-17 Uhr, So 13-17 Uhr.ORTSMARKE –