Irgendwie geht es im Diskurs immer um Kinder, darum, wie man sie kriegt, wie man sie erzieht, ernährt, behandelt. Jeder hat eine Meinung dazu. Und schon, merkt die Oma leidvoll an, steckt ihre Tochter mit zwei, drei, vier Kindern in der Mutterrolle, statt als Architektin zu arbeiten, und sie braucht trotzdem familiäre Unterstützung. Eitner-Acheampong verbindet grandios die Altfeministin mit der gut geerdeten Pragmatikerin. Und dann fordert der Chor von der Leinwand, dass die Oma ein Lied singt. Und die Eitner-Acheampong kontert trocken: „Die Oma singt nicht.“ Was sie aber nicht durchhält, weil der Chor sie penetrant immer wieder auffordert, wie es Kinder tun, bis sie einlenkt. Und dann singt sie gerade zwei schrille Operntöne, denn dies ist kein Musical. Es lohnt schon, diese Inszenierung anzuschauen, um den Witz zu erleben, den diese famose Schauspielerin aus einer so beiläufigen Situation entwickelt. Ganz zu schweigen von ihren resoluten Vorträgen.
Das Problem dieses Stückes ist, dass es keine Handlung, keinen Spannungsbogen gibt. Es ist gar kein Stück, sondern ein szenischer Essay. Eine Gruppe Menschen spricht darüber, wie es ist, Kinder zu haben. Linda Elsner trägt eine blau-rote Ganzkörperhaut, die sie als Kinderlose auch optisch zum Fremdkörper macht. Sie redet vom Druck, wenn sie sich rechtfertigen muss, wenn man kein Kind hat. Dabei gehört sie doch zu den Guten, sie engagiert sich bei einer Klimakonferenz. Und sie führt die schlechte Ökobilanz von Kindern an und die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus.
Die Figuren auf der Bühne sind Typen. Die durchweg starken Darsteller nutzen voller Spielfreude die Chancen, die sich da eröffnen. Wenn Bettina Engelhardt als Alte Mutter über ihr Leiden am Muttersein klagt (ihr Schlafzimmer sei gefüllt mit ihren Schlaflosigkeiten), wenn sie überall Bekannte trifft, aus Kita, Pekip-Gruppe, Babyschwimmen, Kinderturnen, da wird das Kinderbespaßungsprogramm absurd überzeichnet.
Wisserts Inszenierung versucht, die Textlastigkeit des Stückes mit szenischen Momenten zu brechen. Während das Ehepaar selbstzufrieden auf seine Erziehungsarbeit zurückblickt, rutscht ihnen die Kinderlose in den Rücken, hebt immer wieder einen Fuß, um dann doch nicht zuzutreten, ein hübsches Bild für unterdrückte Aggression. Die Leinwand mit dem Sprechchor wird zum Mitakteur, da versichert dann eine Ärztin, dass jedem, der danach fragt, bescheinigt wird, dass sein Nachwuchs hochbegabt ist. Und der Chor bringt den Bundestagsabgeordneten aus dem Konzept. Zwischendurch bekommt Henry von irgendwem ein Stück Schokolade, was dazu führt, dass die ganze Truppe in die Notaufnahme muss, um ein Leben zu retten.
Der Abend mischt Hyperaktivität mit Leerlauf. Sie alle drehen sich im Kreis, und es geht einfach nicht voran. Der Bundestagsabgeordnete nutzt jeden Anlass, um seine Standardsätze gegen Regulierungen und für das Verschlanken, Entschlacken, Entsanden des Systems anzubringen. Adi Hrustemovic verkörpert diesen Politiker wundervoll geschmeidig. Man bekommt nie eine klare Positionsbestimmung dieses Mannes.
Genauso geht es einem mit Rögglas überspitztem, durchaus witzigem Text. Worauf zielt „Kinderkriegen 4.0“ ab?
Die Schauspieler retten diesen unscharfen Diskurs. Man muss zum Beispiel Ekkehard Freye sehen, wie er mit einer Kettensäge erst „Schnauze“ schreit und dann eine Suada gegen die Infantilisierung ausstößt, gegen „Holzikeagrashüpferwahnsinn“, „Marienkäferschaumgummileidenswesen“ und „Pawpatrolmaschinenfeuer“. Wenn man wissen will, wie Ausflippen geht: Hier sieht man es. Großer Beifall.
26., 27.3., 2., 10., 24.4.
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