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In „Unter Tage“ malt Sanja Mitrovic am Theater Dortmund die Zukunft einer verwüsteten Erde aus

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Von: Ralf Stiftel

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Szene aus „Unter Grund“ in Dortmund mit Antje Prust, Valentina Schüler, Adi Hrustemovic, Raphael Westermeier und Ekkehard Freye (von links).
Das Bergwerk als Überlebensraum: Szene aus „Unter Grund“ in Dortmund mit Antje Prust, Valentina Schüler, Adi Hrustemovic, Raphael Westermeier und Ekkehard Freye (von links). © Birgit Hupfeld Rottstr.5 44793 B

Dortmund – „Weine nicht, liebe Erde, / Alle müssen einmal auseinandergehen“, sagt der Bergmann zum blauen Planeten. Mit Musik gäbe das einen Schlagertext und dem Abend im Dortmunder Schauspiel etwas Schwung. Aber der Bergmann in seiner klaustrophobisch engen Kleinwohnung voller Topfpflanzen steht im Dialog mit seiner Heimatwelt, deren obere Schichten er einst durchlöcherte auf der Suche nach Bodenschätzen. Aber weil die Erde für einen Menschen überall ist, sieht man nur einen Mann monologisieren, während ihm ein unsichtbarer Sprechchor aus vielen Lautsprechern antwortet. Nichts lenkt vom Text ab.

Die serbische Autorin und Regisseurin Sanja Mitrovic verbindet in ihrem Stück „Unter Grund“ hoch aktuelle Themen mit viel Regionalkolorit. Sie schlägt den Bogen von der Schließung des letzten Steinkohlebergwerks Prosper Haniel 2018 zu Erderwärmung, Umweltzerstörung und Klimawandel. Das Stück ist eine finstere Dystopie, malt uns aus, dass im Jahr 2040 die Erdoberfläche unbewohnbar geworden ist. Wer es sich leisten kann, reist zum Mars aus. Der Rest sucht Zuflucht vor der unerträglichen Hitze in den wieder eröffneten Bergwerken. Und der alte Kumpel hat einen neuen Job: Er trainiert die Neusiedler fürs Überleben mit Atemübungen. Es gibt Auftritte von einem opportunistischen Minister und einer frustrierten Aktivistin, die auch mit noch so viel Verzicht die Erde nicht retten konnte. Später gibt es noch eine Episode um einen Milliardär, der sich das mal anschauen wollte, aber entführt wird. Erzürnte Aktivisten wollen ihn umerziehen, sein Bewusstsein für die Umwelt wecken.

Kein Zweifel: Relevantes Theater muss sich solchen großen Fragen stellen. Mitrovic umreißt ein breites Panorama, informiert nebenbei auch noch über das Ruhrgebiet. Und sie bedient auch einige Erwartungen, vom Bildnis der Bergbau-Schutzheiligen Barbara über die Erinnerungen der Tochter des Bergmanns ans Begräbnis des Hundes, der wahrhaftig „Wuff“ heißt, bis zu Umkleideszenen als Video aus einer fiktiven Kaue, in der die Darsteller die weißen Overalls mit dem Aderndekor anlegen. Und zum großen Finale gibt es einen Einspielfilm von der Zechenschließung, in dem Bergleute mit Tränen in den Augen das Steigerlied singen. Mehr Pathos geht kaum.

Was Mitrovic in ihrer Doppelrolle als Autorin und Regisseurin aber nicht liefert, ist irgendeine Form von Handlung, von Dialog, von Spannungsbogen. Bezeichnend, dass viel Text aus dem Off gesprochen wird. Ein extrem flacher Spannungsbogen. Allerdings sollte gerade bei einem Theaterstück nicht ausgerechnet dramatische Energie eingespart werden. Das Schauspiel will ja aufrütteln, vielleicht das Publikum ermutigen, aktiv zu werden. Da sollte doch die appellative Kraft, der Witz wenigstens den Pegel einer Politikerrede erreichen.

Die Darsteller sind nicht zu beneiden für den undankbaren Job als bloße Textvorträger. Ekkehard Freye als Bergmann bringt es immerhin fertig, beim stummen Anziehen der Untertagekluft die Nachdenklichkeit, den Gefühlsschwall zu vermitteln. Da hat einer schon abgeschlossen mit der Grube und soll jetzt doch wieder einfahren. Er und die anderen könnten mehr. Aber diese Inszenierung lässt sie nicht. Bezeichnend, dass ausgerechnet Alexander Darkow als trotziger Habeviel etwas Leben in die Bude bringt, wenn er einen Mundvoll zerkauten Apfel ausspeit und gegen die Zumutung wütet, dass er von seinem Reichtum abgeben soll zum Wohl aller.

Dem kurzen Beifall hörte man Erleichterung an. Zwei Stunden können sich ziehen.

1., 12., 25.2., 19., 26.3.,

Tel. 0231/ 50 27 222

www.theaterdo.de

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