Für die Nilflut war sogar eine eigene Gottheit zuständig: Auf einem Sandsteinrelief (722–655 v. Chr.) am Eingang der Schau sieht man diesen Hapi mit Opfergaben. Das Wasser und der angeschwemmte Schlamm machten die trockene nordafrikanische Landschaft fruchtbar. Die Ägypter hatten sogar ein Maßsystem, mit dem sich der Nutzen oder Schaden des Hochwassers einschätzen ließ: 14 Ellen Fluthöhe bedeuteten Mangel, 16 gaben Sicherheit, 17 bescherten Reichtum. 19 aber waren zu viel und hinterließen Verwüstung.
Das erste Ausstellungskapitel ist dem Leben und der Landschaft gewidmet. Hier begegnet man der reichen Tierwelt am Fluss, zum Beispiel den Fischen. Ein Schminkgefäß aus Kalzit-Alabaster (Neues Reich, 1539–1292 v. Chr.) ist nicht nur ein durchscheinendes und zugleich realistisches Bild eines Tilapia-Fisches. Es haften sogar noch Reste des antiken Make-Up daran. Ein winziger Frosch diente als Schminkgefäß. Von der Statuette eines Nilbarschs ist ein Kopf erhalten. Und natürlich wird auch ein Angelhaken gezeigt. Kleine Tiere wie eine Heuschrecke (Jaspis, Neues Reich, 1190–1077 v. Chr.), aber auch große wie ein Flusspferd (Kalzit-Alabaster, Mittleres Reich, 1980–1760 v. Chr.) werden porträtiert. Eine winzige rote Perle wird unter einer Lupe gezeigt. Der Blick hindurch zeigt: Es ist ein Flusspferdkopf (Karneol, 664–332 v. Chr.) aus der Sammlung des Lübcke-Museums, ein Schmuckstück und Glücksbringer. Und die Tiere wurden nicht nur künstlerisch dargestellt, zu sehen sind auch eine eingewickelte Fisch-Mumie und die Mumie eines noch sehr jungen Krokodils. Vom Ackerbau zeugen Stücke wie eine wunderbar erhaltene hölzerne mit Palmbast fixierte Hacke (Neues Reich, 1593–1077 v. Chr.) und ein Getreideworfel.
Das Wasser war ein zentrales Motiv im Totenkult der Ägypter. Der imposante Sarg der Tefjut (Ptolemmäische Zeit, 306 – 30 v. Chr.) ist bemalt mit Motiven, die auf Wasser verweisen, wie Lotosblüten und an den Füßen einem grünen Streifen, der einen Fluss symbolisiert. Auf der Brust ist ein Skarabäus zu sehen mit zwei Ringen, die die Ewigkeit symbolisieren.
Ins Jenseits reiste man mit einem Schiff, damals eins der sichersten und schnellsten Transportmittel. Das Modell eines Segelschiffs (Mittleres Reich, 1980–1940 v. Chr.) war eine Grabbeigabe. Es zeigt die Fahrt des Verstorbenen, der unter einem Baldachin dargestellt ist. Ihn umgeben Seeleute, die die Segel setzen und steuern, sowie Diener, die bereit stehen, seine Wünsche zu erfüllen.
Ein prachtvolles Objekt ist das große Opferbecken des Königs Ptolemaios I. für die Göttinnen Satis und Anuktet (323–283/82 v. Chr.) aus schwarzem Granit. Es ist rundum mit Reliefs von Porträtköpfen und eingeschnittenen Hieroglyphen verziert.
Das Modell eines Kornspeichers (Mittleres Reich, 2080–1940 v. Chr.) zeigt, wie gewirtschaftet wurde, man sieht ein angekommenes Frachtschiff und eine Eselskarawane, die ihre Fracht abliefern. Verbreitet war in Ägypten das Bier, das aus Gerste gebraut wurde. In einer Vitrine findet man Exponate wie den Brotteig, der als Brau-Ansatz diente. Das Getränk war als Grundnahrungsmittel allgegenwärtig, erläutert Kuratorin Tschernig, es diente als Entlohnung für Arbeiter. Und es hatte sogar spezielle Krüge, die anders geformt waren als Wasserkrüge. Beides sieht man in der Schau. Und sogar das Freizeitvergnügen findet sich abgebildet in der kleinen Statuette einer Schwimmerin (Serpentinit, Neues Reich, 1539–1077 v. Chr.).
Die Schau ist dezent inszeniert, setzt weitgehend auf die Wirkung ihrer spektakulären Objekte. Hier und da bieten Fototapeten einen Blick auf die Nillandschaft. Und kleine mit Schnüren begrenzte angedeutete Räume dienen als Hörkabine oder enthalten einen antiken Brunnen, in dem der Besucher Fische erblickt – und das eigene Spiegelbild. Zwar kannten die Ägypter Spiegel aus poliertem Metall, aber diese Luxusartikel nutzte nur die Oberschicht. Die meisten Menschen mussten ins Wasser schauen.
Vieles aus dem modernen Alltag gab es auch damals, wenn auch in anderer Form, wie ein „ägyptisches Bad“, das es in der Form nie gab, neben einem modernen Badezimmer zeigt. Statt Seife und Zahnpasta nutzte man Natron. Aber die Frauen kannten Schminke, die Männer rasierten sich.
Überhaupt blieb überraschenderweise einiges erhalten von der Wasserkultur der Pharaonenzeit. So ist im abschließenden Ausstellungskabinett ein Großfoto eines Basarviertels von Kairo zu sehen, wo das Nass aus Kanistern verteilt wird. Daneben sieht man ein modernes Objekt, eine Girba, ein Wassersack aus dem vernähten Fell einer Ziege, der bis vor wenigen Wochen noch genutzt wurde. Allerdings wurde das Design leicht modernisiert: Als Öffnung wurde der Verschluss einer Plastikflasche eingesetzt.
Eröffnung Sonntag, 11.30 Uhr, Bis 3.9., di – sa 10 – 17, so bis 18 Uhr,
Tel. 02381 / 175 714
www.museum-hamm.de
Katalog, Verlag Marie Leidorf, in Vorbereitung